Rücktritt von Tidjane Thiam für Peter V. Kunz nachvollziehbar
Tidjane Thiam tritt nach dem Überwachungsskandal um die Credit Suisse zurück. Bankenkenner und Wirtschaftsrechtler Peter V. Kunz schätzt den Entscheid ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Am 14. Februar tritt Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam zurück.
- Es gibt nach wie vor an, nichts von den Mitarbeiter-Überwachungen gewusst zu haben.
- Wirtschaftsrechts-Professor Peter V. Kunz hält den Entscheid für nachvollziehbar.
Nau.ch: Tidjane Thiam tritt als Chef der Credit Suisse zurück. Der richtige Entscheid?
Peter V. Kunz: Es geht weniger um richtig oder falsch, der Entscheid ist aber sicherlich nachvollziehbar und für beide Seiten – den CEO und den Verwaltungsrat – am besten. Es gab zweifelsohne Druck seitens des VR, doch auch einen Gegendruck seitens einiger grösserer Aktionäre. Schlussendlich liess das zerrüttete Vertrauensverhältnis auf beiden Seiten keine andere Möglichkeit.
Nau.ch: Hätte nicht auch Verwaltungsratspräsident Urs Rohner gehen müssen?
Kunz: Nein, ihm kann kein Vorwurf gemacht werden, ausser dass sich die Situation relativ hingezogen hat. Als Verwaltungsratspräsident musste er aber versuchen, den Schaden bei der CS möglichst kleinzuhalten, und dies ist ihm gut gelungen. Es liegt jetzt erneut an ihm, das verlorene Vertrauen wieder herzustellen, doch ich bin da optimistisch. Ich finde, Herr Rohner hat bei dieser schlechten Ausgangslage einen guten Job gemacht, soweit dies extern zu beobachten war.
Nau.ch: Thiam beteuert, er hätte nichts von der Überwachung gewusst. Ist das glaubwürdig?
Kunz: Das ist kaum realistisch einzuschätzen. Man glaubt ihm – oder eben nicht. Wenn er nichts davon gewusst hat, wäre dies aber auch kein gutes Zeichen für einen CEO. Der Auftraggeber der Überwachungen war ja immerhin sein Stellvertreter, der COO. Es ging nicht um mittleres Management, sondern um höchstes Management. Wenn er es nicht gewusst hat, hätte er es wissen müssen – insofern wäre wohl der Vorwurf zu machen, dass er sein engstes Umfeld nicht wirklich im Griff hatte.
Nau.ch: Ist Thiam ein Bauernopfer?
Kunz: Nein, die Trennung war unvermeidlich. Zudem ist die Pressemitteilung ja durchaus gesichtswahrend für beide Seite, insbesondere weil von einem Rücktritt und nicht von einer Entlassung die Rede ist. Ausserdem dürfte Herr Thiam durchaus einen finanziell lukrativen Abgang verhandelt haben.
Nau.ch: Wie beurteilen Sie die Leistungsbilanz von Thiam?
Kunz: Ich denke: Ziel erreicht. Er hatte es zu Beginn nicht ganz einfach, aber es war sicherlich richtig, einen «Versicherungsmann» ins Bankgeschäft zu holen. Herr Thiam hat einen positiven Leistungsausweis bei der CS aufzuweisen, sodass sicherlich weiterhin von ihm gehört wird – nicht in der Schweiz, sondern im Ausland. Ich vermute, er wird nicht mehr als CEO tätig sein, aber in den nächsten Jahren zahlreiche internationale VR-Mandate übernehmen.
Nau.ch: Was wird jetzt aus der Finma-Untersuchung?
Kunz: Diese Untersuchung wird weitergehen, weil nicht Herr Thiam persönlich im Fokus stand, sondern generelle Aspekte struktureller Natur bei der Credit Suisse.