Fridays for Future demonstriert erneut vor Siemens-Geschäftsstellen
Das Wichtigste in Kürze
- Konzern hält an umstrittener Beteiligung an australischem Kohleprojekt fest.
Am Nachmittag hatten Ortsgruppen in 19 Städten zu Kundgebungen aufgerufen, wie die Bewegung mitteilte. Siemens-Chef Joe Kaeser hatte am Sonntagabend mitgeteilt, der Konzern müsse sich in Australien an seine vertraglichen Verpflichtungen halten.
Dagegen demonstrierten Klimaaktivisten nicht nur vor der Konzernzentrale in München, sondern beispielsweise auch in Dortmund und Freiburg. Weitere Proteste waren für den späten Nachmittag unter anderem in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und Köln geplant.
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) bezeichnete Kaesers Entscheidung als zwingend: «Nachdem der Auftrag unterschrieben wurde, muss sich der Konzern daran halten und vertragstreu bleiben», sagte Vizepräsidentin Daniela Bergdolt der «Rheinischen Post». Der Konzern hätte allerdings bei der Vetragsunterzeichnung «schon eine kritischere Haltung zu den Umweltfragen haben können».
Auch wenn Siemens lediglich Signaltechnik nach Australien liefere, müssten sich alle Betriebe über die Verwendung ihrer Produkte bewusst sein, erklärte sie weiter. Zudem diene der Münchner Konzern den Aktivisten als mahnendes Beispiel: «Die Klimaschutzbewegung hat sich mit Siemens bewusst einen prominenten Namen vorgeknöpft», sagte Bergdolt der Zeitung, «jetzt hat sie die Weltöffentlichkeit.»
Fridays-for-Future-Sprecherin Luisa Neubauer warf Kaeser eine «historische Fehlentscheidung» vor. Er habe sich gegen das Pariser Klimaschutzabkommen, gegen die zukünftigen Generationen und «nicht zuletzt gegen die Klimaschutz-Reputation von Siemens» entschieden. Bereits am Freitag hatte Fridays for Future nach eigenen Angaben in mehr als 30 Städten gegen das Unternehmen demonstriert.
Neubauers Mitstreiter Nick Heubeck erklärte, das Bekenntnis zu dem Auftrag für die Kohlemine «macht die Bestrebungen von Kaeser, den Siemens-Konzern zukunftsgerichtet wirken zu lassen, vollständig zunichte». Fridays for Future werde «hierzu auch auf der Aktionärsversammlung von Siemens Anfang Februar sprechen».
Kaeser schrieb auf Twitter, sein Unternehmen habe im Fall des australischen Projekts alle Optionen geprüft, müsse sich aber an seine vertraglichen Verpflichtungen halten. Es gebe «keinen gesetzlich und ökonomisch verantwortungsvollen Weg», ohne Pflichtverletzung vom Vertrag zurückzutreten.
«Wäre es mein eigenes Unternehmen, hätte ich womöglich anders gehandelt», erklärte der Siemens-Chef. Er müsse aber auch an Kunden und Investoren denken. Er kündigte die Gründung eines Nachhaltigkeitsrates an, um Umweltschutzfragen in der Zukunft besser zu berücksichtigen.
«Die meisten von Ihnen hätten auf mehr gehofft», erklärte Kaeser mit Blick auf die Kritiker weiter. Der Konzern hätte im Vorfeld «weiser» über das Projekt urteilen sollen. Doch die Mine sei von der australischen Regierung unter der Berücksichtigung von Umweltstandards genehmigt worden und werde in jedem Fall kommen, «ob Siemens die Signalanlage bereitstellt oder nicht».
Der deutsche Grosskonzern hatte im Juli 2019 den Auftrag für die Schienensignalanlage der Adani-Mine im australischen Bundesstaat Queensland unterzeichnet. Siemens-Chef Kaeser kündigte Mitte Dezember an, die Beteiligung an dem Projekt auf den Prüfstand zu stellen. Zuvor war er nach eigenen Angaben nicht über den «sehr kleinen» Auftrag mit einem Volumen von 18 Millionen Euro informiert gewesen.
Am Freitag traf sich Kaeser in Berlin mit Neubauer und Heubeck von Fridays for Future. Bei dem Treffen bot er Neubauer überraschend einen Aufsichtsratsposten bei der Unternehmenstochter Siemens Energy an. Sie lehnte das Angebot wenig später ab.
Umweltschützer warnen vor der australischen Carmichael-Mine, die eine der grössten Kohleförderstätten der Welt werden und langfristig bis zu 60 Millionen Tonnen Kohle jährlich produzieren soll. Australien ist der grösste Kohle-Exporteur der Welt.