Digiflux: Bei Pestizid-Meldepflicht droht Boykott – Kritik
Bald gibt es neue Meldepflichten bei Pestiziden und Dünger. Doch bereits jetzt gibt es Boykott-Androhungen. Das ruft auch die Politik auf den Plan.

Das Wichtigste in Kürze
- Eine Boykott-Drohung bei der geplanten Pestizid-Meldepflicht sorgt für Kritik.
- Branchenvertreter nennen die neue Digitalplattform «Digiflux» ein «Bürokratiemonster».
- Der Bund geht davon aus, dass sich alle an die Pflicht halten werden.
Der Bund will mehr Transparenz beim Einsatz von Pestiziden und Nährstoffen wie Dünger und Kraftfutter. 2021 hat das Parlament deshalb eine Mitteilungspflicht für den Handel innerhalb und ausserhalb der Landwirtschaft beschlossen.
Dafür wurde mit dem Projekt Digiflux eigens ein Online-Tool ins Leben gerufen. Damit soll die Meldepflicht einfach und effizient erfüllt werden.
Doch die Einführung der Pflichten und der Plattform hat sich wegen Protesten aus der Branche verzögert. Einige Betriebe drohen schon vor der Einführung mit dem Boykott!
Inzwischen haben sich rund 300 Mitglieder dem Verein «Nichts zu melden» angeschlossen. Diese beklagen die zusätzliche Bürokratie.
In einem Aufruf heisst es: «Wir sollen sinnlos und ohne Gegenleistung sämtliche Warenflüsse digital und aktuell melden. Da bereits eine Aufzeichnungspflicht besteht, wäre eine zusätzliche Meldepflicht zusätzlicher Aufwand, unbezahlte Zeit und viel zu viel Bürokratie.»
Der Protest zeigt allerdings noch wenig Wirkung. Vereinspräsident Kilian Zwick, selbst Chef einer Futterfirma, sagt auf Anfrage von Nau.ch: «Wir erhalten keine Signale von Seiten Bund – das haben wir auch nicht erwartet.»
«Bürokratiemonster»
Rückmeldungen gebe es aber aus der Branche.
Einige machten sich Sorgen über den zunehmenden Aufwand. Andere würden sich zwar noch keine Gedanken darüber machen, sich aber wohl bei einer Einführung über den unbezahlten Aufwand beschweren. Und anderen Branchenteilnehmern seien die Entwicklungen egal.
Doch: «Einen Nutzen dieses Bürokratiemonsters und der Datenflut sieht meines Wissens niemand aus der Branche.»
Ganz anders klingt es beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW). Die kürzlich angelaufene Pilotphase habe sich bewährt, heisst es dort.

Sprecherin Florie Marion sagt zu Nau.ch: «Die Pilotphase für den Handel hat wertvolle Erkenntnisse für die Nutzerfreundlichkeit erbracht, die gegenwärtig umgesetzt werden.» Mitte 2025 geht die Plattform dann erstmals live.
Marion sagt: «Diese Anwendung wird im Sommer aufgeschaltet. Und die von der Mitteilungspflicht betroffenen Handelsakteure können während der Pionierphase Erfahrungen mit der Nutzung von Digiflux sammeln.»
Die Einführung der Mitteilungspflicht für den Handel erfolgt planmässig 2026. Heisst: Händler von Pflanzenschutzmitteln, Düngemitteln und Kraftfutter müssen ihre Verkäufe und Weitergaben melden.
Anfang 2027 startet die Erfassung der beruflichen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Verbrauch, Lagerbestand und Lieferungen müssen gemeldet werden. Für Dienstleister wie landwirtschaftliche Lohnunternehmen und Garten- und Landschaftsbau gilt die Mitteilungspflicht dann erst ab 2027.
Bundesamt findet Boykott-Androhung «bedauerlich»
Das Vorhaben soll den Einsatz von Nährstoffen und Pestiziden senken und nimmt explizit auch die Branche in die Verantwortung.
«Daher ist es bedauerlich, dass sich einige Exponenten des Handels, der Futtermittelproduktion, der Lohnunternehmen und aus der Landwirtschaft auf diese Weise gegen diese gesetzliche Anforderung verwahren», sagt die BLW-Sprecherin.
Eine Informationsveranstaltung des BLW habe denn auch ein anderes Bild vermittelt, bei der sich die Teilnehmenden kritisch-konstruktiv beteiligt hätten.
Man habe bereits früh Befürchtungen und Anliegen von Betroffenen ernst genommen und berücksichtigt. Die Meldepflichten wurden im Frühjahr 2024 bereits um ein Jahr verschoben und vereinfacht.
«Das BLW geht deshalb weiterhin davon aus, dass die Verantwortungen wahrgenommen werden. Und dass die rechtlichen Anforderungen der Mitteilungspflicht ab 2026 erfüllt werden.»
Für den Fall, dass die Pflicht nicht oder unvollständig erfüllt würde, sieht das Landwirtschaftsgesetz sogenannte Verwaltungsmassnahmen vor. Das kann eine Verwarnung sei. Aber auch etwa der Entzug von Bewilligungen oder eine Belastung mit einem Betrag von bis zu 10'000 Franken wären möglich.
Branchenvertreter: «Wollen auch künftig Verpflichtungen nachkommen»
Kilian Zwick vom Verein «Nichts zu melden» betont: «Wir kommen allen Verpflichtungen nach, weil sie meistens etwas Sinn ergeben. Und wollen das zukünftig. Darum wollen wir diese wahnsinnig aufwendige und nahezu nutzlos Datenflut nicht auferlegt bekommen.»
Politisch tut sich tatsächlich etwas bei Digiflux. Eine Motion, die Bauern von der Pflicht ausnehmen wollte, scheiterte zwar im Ständerat. In abgeänderter Form berät das Parlament aber, wie die administrative Belastung weiter reduziert werden könnte.
Zwick ist das aber nicht genug: «Wenn jemand politisch über Digiflux spricht, dann geht es immer um die Anwendung in der Landwirtschaft.»
Allerdings seien davon auch nachgelagerte Handels-, Gewerbe- und Industriebetriebe betroffen. «Von einer Abschwächung ausserhalb der Stufe Landwirt habe ich bisher noch nichts vernommen.»