Thomas Jordan führt Entscheidung zu Leitzinserhöhung aus
Die Leitzinserhöhung vom Juni war die erste seit 15 Jahren. In einer Rede am Notenbanktreffen in Jackson Hole (USA) geht Thomas Jordan auf die Erhöhung ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Juni wurden die Leitzinsen in der Schweiz erstmals seit 15 Jahren erhöht.
- Hinter der Erhöhung sieht SNB-Chef Thomas Jordan mehrere Ursachen.
- Die Bereitschaft der Unternehmen zu Preisaufschlägen habe einen wichtigen Einfluss.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat im Juni den Leitzins erhöht. Es ist die erste Leitzinserhöhung seit 15 Jahren.
Die höhere Bereitschaft der Unternehmen zu Preisaufschlägen hat laut SNB-Chef Thomas Jordan entscheidend dazu beigetragen. Lange hätten sich die Schweizer Unternehmen zurückgehalten, die Preise zu erhöhen. Diese Zurückhaltung ist laut Notenbank nun weg.
In den letzten Monaten hätten Unternehmen ihre Preispolitik an die gestiegene Inflation angepasst, daraufhin deuten Mikropreisdaten. «So ist der Anteil der Waren und Dienstleistungen mit steigenden Preisen im Landesindex der Konsumentenpreise angewachsen, während der Anteil mit sinkenden Preisen praktisch konstant geblieben ist.» So Jordan am Samstag in einer Rede am viel beachteten Notenbankertreffen im amerikanischen Jackson Hole.
Inflation über Preisstabilität
Das veränderte Verhalten der Unternehmen erleichtere die Ausbreitung der Preissteigerungen auf weitere Güterklassen. «Diese Erkenntnisse machten klar, dass der Inflationsanstieg nicht allein als Folge der durch die Pandemie und den Krieg ausgelösten temporären Angebotsschocks zu verstehen ist. Dies hat uns in unserem Entscheid bestärkt, relativ rasch auf den Anstieg der Inflation zu reagieren», sagte Jordan.
Ohne die Zinserhöhung im Juni würde die Inflation mit grosser Wahrscheinlichkeit mittelfristig deutlich über dem Bereich der Preisstabilität verharren. Diese sieht die SNB bei einer Teuerung der Konsumentenpreise zwischen 0 und 2 Prozent pro Jahr.
«Die Auslöser für den jüngsten Anstieg der Inflation mögen zu einem guten Teil Angebotsschocks mit temporärer Wirkung auf die Inflation sein. Da aber ein Anstieg des anhaltenden Inflationsdrucks im gegenwärtigen Umfeld nur schwer identifizierbar ist, besteht das Risiko, die Hartnäckigkeit der Inflation zu unterschätzen», sagte Jordan.
Ein Zuwarten hätte die Notwendigkeit eines abrupteren und stärkeren Zinsanstiegs zu einem späteren Zeitpunkt nach sich gezogen. Dies hätte das Risiko eines grösseren Wirtschaftseinbruchs mit Gefahren für die Finanzstabilität gebracht.
«So zeigen die Erfahrungen der Nationalbank aus den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren, der letzten Phase mit höherer Inflation in der Schweiz, dass eine ausgesprochen restriktive Geldpolitik mit gravierenden realwirtschaftlichen Folgen nötig sein kann, wenn die Inflation einmal ein bestimmtes Niveau überschreitet», sagte Jordan.
Jordan: Ausblick sei von Unsicherheit geprägt
Der im Bezug zur Inflationsentwicklung vergleichsweise frühe und deutliche Kurswechsel sowie der Ausblick auf eine mögliche weitere Straffung in naher Zukunft hätten somit darauf abgezielt, die mittelfristige Preisstabilität zu gewährleisten, ohne die Konjunktur allzu stark zu belasten, sagte der Präsident des SNB-Direktoriums.
Auch der längerfristige Ausblick für die Geldpolitik sei von hoher Unsicherheit geprägt. Strukturelle Faktoren könnten dafür sorgen, dass das Umfeld längere Zeit inflationär bleibt.
Faktoren wie die Tendenz zur Deglobalisierung oder verstärkte Investitionen in den Klimaschutz und die Verteidigung könnten den Kapitalbedarf und damit das Zinsniveau global nachhaltig erhöhen, sagte Jordan. Gerade ein Rückgang der globalen wirtschaftlichen Integration könnte die Preissetzungsmacht der Unternehmen erhöhen, so dass Preiserhöhungen leichter durchgesetzt werden könnten.
Höheres Inflationsziel nicht vereinbar
Auch in dieser turbulenten Zeit hält die SNB an ihrer Definition von Preisstabilität mit einem Anstieg der Konsumentenpreise zwischen 0 und 2 Prozent pro Jahr fest. Einer Änderung dieser Definition hin zu einem Punktziel für die Teuerung oder hin zu einer höheren Inflation erteilte Jordan eine Absage: «Wir sind der festen Überzeugung, dass sich unsere Definition der Preisstabilität auch unter den schwierigen Umständen der letzten 15 Jahre bewährt hat.»
Ein deutlich höheres Inflationsziel wäre nicht mit dem gesetzlichen Mandat der SNB vereinbar. «Zudem entspräche es nicht der starken Vorliebe der Schweizer Bevölkerung für tiefe Inflation. Höhere Inflationsraten würden hierzulande weder verstanden noch akzeptiert werden», sagte Jordan.
Und ein Punktziel für die Inflation würde die Geldpolitik der SNB unnötig erschweren. Mit der gegenwärtigen Definition von Preisstabilität zwischen 0 und 2 Prozent könne die SNB die Inflation längere Zeit am oberen oder auch am unteren Ende dieses Bereichs verharren lassen, ohne dass die Glaubwürdigkeit der Nationalbank dadurch leide. «Insbesondere können wir so unterschiedliche globale Inflationsregimes besser absorbieren», sagte Jordan.