Was taugt der Image-Wandel von Nestlé?
Nestlé baut um: Der Lebensmittelmulti macht vermehrt auf umweltbewusst und sozial. NGOs sehen noch viel Luft nach oben, aber auch positive Entwicklungen.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Nahrungsmittelmulti Nestlé steht seit Jahren in der Kritik.
- Der Konzern passt sich dem Zeitgeist an, doch die Kritik der NGOs bleibt.
Hinter den Kulissen wurde diese Woche heftig um die Konzernverantwortungsinitiative gerungen. Mit im Spiel war auch Nestlé.
Anders als die meisten Grosskonzerne, stellt sich der Nahrungsmittelgigant nicht komplett quer. Wie die «Republik» berichtete, präsentierte das Westschweizer Unternehmen kurzfristig einen eigenen Gegenvorschlag.
Es hat für viele einen schalen Beigeschmack, wenn ein Konzern sich direkt in die Politik einmischt. Allerdings muss man dem Lebensmittelmulti zugutehalten, dass der eingebrachte Gegenvorschlag merklich weiter als jener der Landesregierung ging. Die Initianten hätten ihre Initiative zurückgezogen, wäre der Nestlé-Vorschlag durchgekommen.
Dass der Konzern das Anliegen nicht komplett versenken wollte, passt zum aktuellen Auftritt. Wöchentlich verschickt der Lebensmittelmulti Medienmitteilungen, mit denen Umwelt- oder soziale Bemühungen hervorgehoben werden.
Bis 2025 Verpackungen wiederverwendbar
So hat Nestlé im Frühjahr angekündigt, bis 2025 alle Verpackungen wiederverwendbar oder rezyklierbar zu machen und eine 18-wöchige Elternzeit einzuführen. Und während der Corona-Krise hat der Konzern verkündet, der Elfenbeinküste Ventilatoren zu spenden. Das sind nur drei von vielen Beispielen.
Auch beim Sortiment zeigt sich ein Wandel. Schoggi-Tochter Cailler setzt auf UTZ-zertifizierte Schokolade und verwendet Milch mit dem IP-Suisse-Label. Gewiss gibt es strengere Labels, doch für einen Grosskonzern ist dieser Schritt bemerkenswert.
Ob das dem Image des Weltkonzerns nützt? Fakt ist: Seit Jahrzehnten muss der Lebensmittelmulti immer wieder Kritik einstecken.
Zu den prominenten Kritikern gehört Greenpeace. Campaigner Matthias Wüthrich sagt heute: «Teilweise hat sich Nestlé bezüglich Umweltschutz verbessert, doch häufig ist das immer noch ungenügend.» Verbessert habe sich in gewissen Märkten das Stakeholder-Management und die öffentliche Kommunikation. Letzteres ginge allerdings bis hin zu Greenwashing, findet Wüthrich.
Ein wichtiger Kritikpunkt bleibt der Plastikverbrauch, trotz jüngstem Bekenntnis. «Wir fordern von Nestlé ein radikales Umdenken und klare Ziele zur Gesamtreduktion von Plastik- und Einwegverpackungen», sagt Wüthrich.
Keine Fortschritte beim Palmöl
Auch beim Palmöl kriegt der Westschweizer Konzern von Greenpeace ein schlechtes Zeugnis: «Nestlé und weitere Konzerne haben mit ihren Versprechen, kein Palmöl aus Regenwaldzerstörung mehr zu verwenden, versagt.» Alle Bemühungen des Konzerns hätten nicht zu einer Abnahme der Regenwaldzerstörung geführt.
Immerhin: «Wir stellen fest, dass Nestlé bei verschiedenen Themen entgegenkommender ist als Konkurrenten», sagt Wüthrich. «Hinsichtlich der Herausforderungen unserer Zeit ist das aber immer noch sehr ungenügend.»
Nestlé sei in vielen Bereichen tätig, in denen es regelmässig Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen gebe, sagt Oliver Classen von Public Eye. Als Beispiel nennt der Sprecher der Nichtregierungsorganisation den Kakaoanbau, wo Kinderarbeit verbreitet ist. Oder das Flaschenwasser, wo der Lokalbevölkerung das Wasser abgegrabt wird.
Auch Classen beobachtet, dass der Konzern sehr professionell kommuniziert, um seine «punktuellen Bemühungen um verantwortungsvolles Handeln» hervorzuheben. «Das ändert nichts an der Tatsache, dass wir und unseren internationalen Netzwerkpartner weiterhin auf viele Fälle von Menschenrechtsverstössen durch Nestlé stossen.»
Nestlé will Mehrwert schaffen
Und wie sieht sich Nestlé? Der Nahrungsmittelkonzern verfolgt laut eigenen Angaben seit rund 12 Jahren den Ansatz, als Unternehmen einen Mehrwert zu schaffen. Dabei handle es sich weder um eine wohltätige Idee noch um eine Zusatzleistung, sondern um einen wesentlichen Bestandteil der Geschäftsstrategie, sagt ein Firmensprecher.
Dazu hat sich der Konzern 36 Verpflichtungen selbst auferlegt. Darunter ist etwa die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation von Bauern und deren Zugang zu Nahrungsmittel. Dazu kommen Umweltbekenntnisse, aber auch Punkte, welche die Kundschaft betreffen.
Jährlich prüft der Konzern, wie es um die Ziele steht. Auch Nestlé weiss, dass es noch Nachholbedarf gibt. «Wir arbeiten jedoch hart daran, unseren positiven Einfluss auf die Menschen und den Planeten laufend zu verbessern.»