Weg frei für selbstfahrende Busse
Selbstfahrende Busse in Arbon sind technisch machbar. Das Projekt soll deshalb weiterverfolgt werden. Die Finanzierung ist noch sicherzustellen.
Am 22. Januar 2019 startete die Technische Gesellschaft Arbon (TGA) anlässlich ihres 100-Jahr-Jubiläums die Machbarkeitsstudie SCCL (Self-Controlled City Liner) Arbon als zukunftsorientiertes Innovationsprojekt. Ausgangspunkt war das Anliegen, die Arboner Altstadt wieder an den öffentlichen Verkehr anzuschliessen. Der Innovationscharakter des Projekts liegt darin, dass die Fahrweise ohne Buschauffeur technisch noch nicht vollständig gelöst und gesetzlich noch nicht geregelt ist.
Es geht dabei um «Intelligente Mobilität» im Sinne des ETH-Forschungsschwerpunkts SCCER, angetrieben durch die Digitalisierung, und um Künstliche Intelligenz KI. Die Machbarkeitsstudie wurde von der AMoTech GmbH, Neuhausen, ausgeführt und von der TGA mit den Projektpartnern Medizinisches Zentrum Arbon, FPT Motorenforschung Arbon, Arbon Energie AG, Aequator AG Arbon, Arbeitgebervereinigung Region Arbon und Raiffeisen Regio Arbon ohne Steuergelder finanziert.
Auf Einladung der TGA begleiteten Fachspezialisten aus Stadt, Kanton und öffentlichem Verkehr die Studie. Beigezogen wurden auch weitere Instanzen wie etwa die FH Ostschweiz oder der Fahrzeughersteller e.Go Moove.
Umfassende Studie
Die Studie beschäftigt sich mit der Beurteilung möglicher Routen für selbstfahrende Busse in Arbon, dem Erkennen kritischer Stellen, der Anbindung an das bestehende ÖV-Angebot, den Anforderungen an die Fahrzeuge, den Voraussetzungen für eine behördliche Zulassung, der Abschätzung der Betriebskosten und dem weiteren Vorgehen bis hin zur Inbetriebnahme. Realisierbar ist gemäss der Studie ein Rundkurs vom Bahnhof via Hafen durch die Altstadt, am ZIK vorbei Richtung Saurer-Museum, dann zum Lindenhof, weiter zum Rathaus und schliesslich zurück zum Bahnhof.
Diverse Fahrzeughersteller bezeichnen diese Strecke als attraktiven Anwendungsfall. Die Platzverhältnisse sind ausreichend, auch für die Realisierung von Haltestellen. Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit auf der Strecke ist optimal.
Der Bus soll täglich von 07.30 bis 18.30 Uhr im Halbstundentakt verkehren.
Betrieb konstant überwacht
Vorgeschrieben ist, dass sich jederzeit eine Begleitperson an Bord des Fahrzeugs befindet. Ein Leitstellencomputer zur permanenten Überwachung des Fahrbetriebs soll in einem Büro der Eurobus AG installiert werden, welche auf ihrem Gelände auch einen Abstellplatz für das Fahrzeug zur Verfügung stellt.
Im Rahmen des Projekts soll vorerst ein einzelnes selbstfahrendes Fahrzeug beschafft werden. Als geeignet haben sich die Fahrzeuge der Hersteller e.Go, EasyMile und Navya erwiesen. In der nun folgenden Umsetzungsphase wird alles für den Betrieb Notwendige vorbereitet.
So werden auch die für das ASTRA-Gesuch relevanten Dokumente erstellt. Dies wird rund neun Monate in Anspruch nehmen und Kosten von rund 325‘000 Franken verursachen.
Der eigentliche Betrieb des selbstfahrenden Fahrzeugs in Arbon ist vom ASTRA vorerst auf drei Jahre beschränkt. Pro Jahr müssen ca. 720‘000 Franken investiert werden. Die gesamten Projektkosten belaufen sich auf rund 2,5 Millionen Franken.
Finanzierungsantrag beim Kanton gestellt
Da es sich um ein Innovationsprojekt handelt und das ASTRA wegen der fehlenden Gesetzesgrundlage eine Sondergenehmigung ausstellen muss, erfolgt die Finanzierung weitgehend neben den normalen Etats. So ist z. B. ein Antrag an das Departement für Finanzen und Soziales des Kantons Thurgau betreffend die Verwendung Erlös Partizipationsscheine der TKB eingereicht worden.
Sobald die Finanzierung sichergestellt ist, soll die konkrete Umsetzung starten. Konzeption und Vorarbeiten sollen durch die Stadt Arbon, SBB, Eurobus und TGA erfolgen.
Für die dreijährige Betriebsphase sind dann Eurobus, ArbonEnergie, TGA und der ausgewählte Fahrzeughersteller verantwortlich. Flankierend zur Realisierung sollen interessierte Kreise und Schulen in geeigneter Weise informiert werden, begleitet von einer wissenschaftlichen Studie der FH Ostschweiz.
Stadtrat begrüsst das Projekt
Im Herbst 2019 hat das Projektteam SCCL dem Arboner Stadtrat das Projekt vorgestellt. Dieser begrüsste das Projekt und ersuchte die TGA, bei der Realisierung massgebend mitzuarbeiten.
Nicht zuletzt vor einem touristischen Hintergrund steht der Stadtrat dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs in Arbon positiv gegenüber – nicht nur in der Altstadt, sondern auch entlang des Sees.
Das Projekt SCCL Arbon hat Pilotcharakter. Es ermöglicht wertvolle Erkenntnisse über Elektromobilität und autonome Fahrzeuge, welche den ÖV der Zukunft prägen werden. Dank der Digitalisierung sind weitere Optionen einer hochgradigen Flexibilisierung in Richtung eines «on demand»-Betriebs denkbar.