Basler SP-Frauen: Wyss und Marti bangen um Nationalratssitze
Das Wichtigste in Kürze
- Bei den anstehenden Nationalratswahlen müssen zwei SP-Frauen um ihre Wiederwahl bangen.
- Unter Druck steht vor allem Sarah Wyss, da Basel-Stadt diesmal nur vier Sitze zustehen.
- Weniger dramatisch sieht es für Samira Marti aus Binningen aus, dennoch besteht Gefahr.
Sie haben einige Gemeinsamkeiten. Sie sind Frauen, jung und aufstrebend. Sie waren Juso und politisieren nun für die SP im Nationalrat.
Sie müssen am 22. Oktober um ihre Wiederwahl bangen. Die eine mehr, die andere weniger.
Sarah Wyss aus Basel.
Samira Marti aus Binningen.
«Es ist mega hart», sagt Sarah Wyss. Der Druck sei im Moment sehr gross.
Wegen der veränderten Bevölkerungszahl hat Basel-Stadt in der kommenden Legislatur nur noch Anspruch auf vier Sitze. Lange galt vor allem der GLP-Sitz von Katja Christ als stark gefährdet. Doch weil die Grünliberalen schweizweit auf dem Vormarsch sind und die Partei in Basel-Stadt mit viel Kalkül handelt, traut man der gewieften Parteipräsidentin die Wiederwahl zu. Schon 2019 landete die GLP dank einer trickreichen Unterlistenverbindung einen Überraschungscoup.
Wer holt den vierten Sitz?
Rein rechnerisch darf Rot-Grün im Stadtkanton von zwei Sitzen und das bürgerliche Lager von einem ausgehen. Offen ist, wer den vierten Sitz holt. Dass die Grünen leer ausgehen, ist unwahrscheinlich – sie müssten massiv einbrechen und die SP müsste überdurchschnittlich zulegen. Rechts ist die LDP die unangefochtene Leaderin. Für Grünen-Vertreterin Sibel Arslan und LDP-Präsidentin Patricia von Falkenstein dürfte die Sache demnach geritzt sein.
Bleibt die SP. Umfragen sagen der Partei Verluste voraus, was einen ihrer zwei Sitze stark wackeln lässt. Sarah Wyss steht dabei besonders im Fokus. Sie rückte erst 2020 für den aktuellen Regierungspräsidenten Beat Jans in den Nationalrat nach. Mustafa Atici schaffte den Sprung nach Bern dank Eva Herzogs Wahl in den Ständerat schon 2019. Er kann auf eine verlässliche Wählermobilisierung zählen, vor allem innerhalb der kurdischen Gemeinschaft und deren Sympathisanten. Auch hat er sich mit der Ankündigung, für den Bundesrat kandidieren zu wollen, noch vor dem Wahlkampfstart geschickt in Szene gesetzt.
Da hilft Wyss nur eins: Präsenz. In den Sozialen Medien, in Fernseh-Talks, an Quartierfesten, an Vernissagen. Noch mehr als sonst. Lächeln, Selfie, Social-Media-Post: Die 35-Jährige kann Selbstvermarktung, obwohl sie selber findet, dass es ihr Mühe bereite, auf Leute zuzugehen und zu sagen: «Hey, jetzt geht es um mich; ich brauche jede Stimme.» Ihr falle es leichter, «für andere einzustehen».
Seit 17 Jahren, ihr halbes Leben lang, engagiert sich Wyss politisch. Ihr freches Mundwerk und das schrille Outfit, die sie als Präsidentin der Juso noch ausgezeichnet hatten, tauschte sie gegen Deux-Pièces ein. Sie ist eingemitteter, pragmatischer als früher, steht aber immer noch klar links.
Schwerpunkt Gesundheitspolitik
Vor ihrem Wechsel nach Bern gehörte Wyss während 13 Jahren dem Basler Grossen Rat an und machte sich als Gesundheitspolitikerin einen Namen. Als ihr Einzug in den Nationalrat feststand, schrieb Regierungsrat und Parteikollege Kaspar Sutter auf X, ehemals Twitter: «Du wirst die nationale Gesundheitspolitik prägen.»
Und sie kniete sich rein in die komplexen Themen: diagnosebezogene Fallpauschalen, Pflegeinitiative, Krankenkassenprämien. Viele Politiker winken bei diesen Geschäften ab. Zu kompliziert und ungeeignet für simple, plakative Polit-Botschaften. Ein Kollege habe sie einmal gefragt, wieso sie ausgerechnet Gesundheitspolitik mache, damit könne man ja nur verlieren, erzählt Wyss. Das Sorgenbarometer gibt ihr aber recht: Nichts beschäftigt die Schweizer so stark wie die Krankenkassenprämien.
Sehen Sie die Sitze der beiden SP-Frauen im Nationalrat gefährdet?
Wyss ist auch beruflich im Gesundheitsbereich tätig, sie arbeitet als Co-Leiterin der Direktion für Medizin und Pflege der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern. Zuvor war sie Geschäftsführerin der nationalen Stiftung Selbsthilfe Schweiz.
Sie arbeitet viel – im Parlament, wo sie Vizepräsidentin der Finanzkommission ist, im Beruf, in ihrer Freizeit. Ihr Pensum im Job beträgt 60 Prozent, im Nationalrat weit über 50. Viele Parlamentarier verzichten auf eine berufliche Tätigkeit. Das sei nicht möglich, wenn man die Aufgabe ernst nehme, sagen sie.
Wyss aber geht an ihre Grenzen. Das sorgt für Anerkennung, aber auch für Kritik. Dass sie oft betont, wie viel sie arbeite, wirkt auf Kollegen unsympathisch.
Wyss ist stolz auf ihren Leistungsausweis. Nur macht die Wahlarithmetik davor nicht Halt.
Auch nicht vor Renommee.
Von den Juso in den Nationalrat
Samira Marti gehört in Bern nach knapp fünf Jahren schon zu den gewichtigen Stimmen. Am Wochenende wurde die 29-jährige Baselbieterin zur Co-Fraktionschefin der SP gewählt. Die politische Karriere der Ökonomin ist steil; sie liess das kantonale Parlament aus und landete von den Juso praktisch direkt im Nationalrat, als Nachfolgerin von Susanne Leutenegger Oberholzer. Etwas Glück war da auch dabei – sie war zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Marti: «Die Möglichkeit, es nicht zu schaffen, besteht bei einer Wahl immer. Das gehört dazu.»
Nun muss Marti aber zittern, wenn auch weniger stark als ihre Basler Parteikollegin Wyss. Das Bündnis aus Mitte, GLP und EVP im Baselbiet ist zusätzlich zum bisherigen Mandat von Mitte-Politikerin Elisabeth Schneider-Schneiter auf einen der drei rot-grünen Sitze aus. Will die SP ihre beiden Mandate halten, muss sie im Vergleich zu den kantonalen Wahlen noch zulegen. Sollte das nicht klappen, dürfte wohl eher der erfahrene Eric Nussbaumer die Wiederwahl schaffen. Möglich ist aber auch, dass die Grünen den Sitz von Florence Brenzikofer verlieren und die SP somit aus dem Schneider wäre.
Nervös? Vermutlich schon, doch Marti lässt es sich nicht anmerken. Sie sagt: «Die Möglichkeit, es nicht zu schaffen, besteht bei einer Wahl immer. Das gehört dazu.» Aber sie sei zuversichtlich und es gebe viele Leute, die ihr im Wahlkampf helfen. Menschen, die sich an verschiedenen Orten in der Region treffen, um auf Postkarten ihre Wahlempfehlung für Marti zu formulieren.
Auch Sarah Wyss hat eine Postkartenaktion organisiert. Eine weitere Gemeinsamkeit.
Zur Autorin: Dieser Artikel wurde zuerst im Basler Newsportal OnlineReports.ch publiziert. Per 1. Juli haben Alessandra Paone und Jan Amsler übernommen.