Mehr Entsiegelungs-Verfahren am Basler Zwangsmassnahmengericht
Die Basler Gerichte haben im vergangenen Jahr keine markanten Verschiebungen bei den Fallzahlen registriert. Zu schaffen machten dem Zwangsmassnahmengericht die zunehmenden Gesuche von der Staatsanwaltschaft für die Erteilung von Überwachungsmassnahmen mit Telefon, GPS oder Videokamera.
Es sei ein grosser Aufwand, diese Anträge zu bearbeiten, sagte der Vorsitzende Präsident des Strafgerichts René Ernst am Mittwoch vor den Medien. Teilweise sei auch Rechtshilfe von den Nachbarstaaten erforderlich. Vergangenes Jahr bewilligte das Zwangsmassnahmengericht insgesamt 115 Überwachungen - 46 mehr als im 2020.
Auch haben gemäss Ernst 2021 die sogenannten Entsiegelungs-Verfahren zugenommen. Beschuldigte können eine Siegelung ihrer Smartphones verlangen. Um die Daten durchsuchen zu dürfen, muss die Staatsanwaltschaft beim Zwangsmassnahmengericht ein Gesuch um Entsiegelung stellen.
Strafverteidigerinnen und - verteidiger würden heute mehr von dieser Massnahme Gebrauch machen als früher. «Bis vor ein paar Jahren hatten wir noch 0 bis 2 Fälle. Vergangenes Jahr waren es 37», sagte Ernst. Er rechnet mit einer weiteren Zunahme, was für das Gericht eine hohe Arbeitsbelastung bedeute, da grosse Akten- respektive Datenmengen angeschaut werden müssten.
Letztes Jahr gingen im ordentlichen Verfahren 260 Fälle beim Strafgericht ein - das sind 56 weniger als 2020. Die Einsprache-Verfahren stiegen um 114 auf 798 Fälle. Die Anzahl der unerledigten Fälle nahm beim Strafgericht um 20 auf 232 zu.
Beim Appellationsgericht gingen letztes Jahr 845 Fälle ein - das sind 55 weniger als im Vorjahr. Die Zahl der unerledigten Fälle nahm um 24 auf 521 zu.
Das Zivilgericht führt jährlich rund 6000 Verfahren, darunter sind etwa 2000 betreibungs- und konkursrechtliche Verfahren. 2021 verzeichnete das Gericht knapp 2000 Eingänge bei den familienrechtlichen Verfahren. Zudem wurden beispielsweise etwa 280 mietrechtliche Verfahren geführt.
Die Zahl der Verlustscheine nahm vergangenes Jahr um 276 auf 31’526 leicht zu - auch bei den Konkurseröffnungen registrierte das Zivilgericht eine Zunahme von 53 auf 618.
Wie Anita Heer, Vorsitzende Präsidentin des Zivilgerichts sagte, ist eine Tendenz zu mehr Aggressivität der Betroffenen am Gericht zu erkennen. So habe das Gericht in den vergangenen Jahren mehr Hilfe von der Polizei in Anspruch nehmen müssen. Wenn zudem während einer Verhandlung eine Selbstgefährdung angedroht werde, sei dies eine sehr grosse Herausforderung, sagte Heer.
Beim Sozialversicherungsgericht gingen 2021 insgesamt 384 Fälle ein. Dies entspricht im Vergleich zu 2020 einer Zunahme von rund 11 Prozent. Der grosse Anteil betrifft Fälle der Invalidenversicherung. Insgesamt erledigte das Sozialgericht 396 Fälle.
Das Gerichtsgebäude an der Bäumleingasse 1 bis 5 wird in den kommenden Jahren etappenweise umgebaut. Die Umbauarbeiten haben letzten Sommer 2021 begonnen, ein grosser Teil der Mitarbeitenden des Appellationgsgerichts arbeitet momentan deshalb in der St. Alban-Vorstadt 25.
Die ursprünglich für diesen Frühling 2022 vorgesehene Rückkehr des Appellationsgerichts an die Bäumleingasse wird sich wegen Lieferschwierigkeiten voraussichtlich um rund ein halbes Jahr verzögern.
Bereits Anfang Mai an die Bäumleingasse gezogen ist das Sozialversicherungsgericht, das bisher beim Hallenbad Rialto domestiziert war. Der Umzug sei reibungslos über die Bühne gegangen, sagte der Vorsitzende Präsident Gregor Thomi.
Wie der Vorsitzende Präsident des Appellationsgerichts Stephan Wullschleger zudem bekanntgab, empfiehlt der Gerichtsrat dem Grossen Rat, das Wahlsystem der Gerichte nach Vorbild Kanton Freiburg zu überprüfen. So sollen die Richterinnen und Richter im Kanton Basel-Stadt auf unbestimmte Zeit mit Abberufungsrecht gewählt werden und durch einen Justizrat bestehend aus Mitgliedern der Exekutive, Legislative, Staatsanwaltschaft, Anwaltschaft überwacht werden. Heute wählt das Basler Stimmvolk die Richterinnen und Richter.
Damit solle gemäss Wullschleger die richterliche Unabhängigkeit gewährleistet werden und einzelne von Richterinnen und Richter gefasste Urteile keine Gefahr für eine Wiederwahl darstellen.