Streit bei BVB eskaliert: Verwaltungsrat tritt aus Gewerkschaft aus
Eine neue Software verärgert das BVB-Fahrdienstpersonal. Sie fühlen sich von den Personalvertretungen im Stich gelassen und nehmen die Sache selbst in die Hand.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine neue Dienstplan-Software sorgt bei den BVB für Unmut beim Fahrdienstpersonal.
- Nach einer Protest-Aktion verspricht das Unternehmen nun Optimierungen.
- Von den Personalvertretungen fühlen sich die Mitarbeitenden im Stich gelassen.
Bei den Basler Verkehrs-Betrieben (BVB) kämpfen Teile der Belegschaft gegen ihre eigenen Personalvertretungen. Und zwar so intensiv, dass sich die Gewerkschaftsverbände VPOD, FEME und der Personalverband städtischer Verkehrsbetriebe (PSVB) sowie die Personalkommission zu einer gemeinsamen Stellungnahme veranlasst sahen.
Grund für den Disput ist die neue Dienstplan-Software. Für das Fahrdienstpersonal soll sie nachteilig sein, da einzelne Dienste nicht mehr auf einen Blick erkennbar sind, wie «OnlineReports» bereits vor über einem Jahr berichtete. Statt sofort zu erfahren, wann und wo sie welches Tram übernehmen müssen, müssen die Mitarbeitenden diese Informationen im neuen System zusammensuchen. Sie sind teilweise auf umgerechnet fast zwei A4-Seiten verteilt.
Von Hand abschreiben oder auf Update warten
Was aber die Fahrdienstleistenden am meisten stört: Die Daten können nicht in handelsübliche digitale Kalender kopiert werden. Die Drämmlerinnen oder Buschauffeure müssen sie von Hand übertragen. Zwar haben sie ein Tablet erhalten, aber die Software soll laut mehreren unabhängigen Quellen immer wieder abstürzen und müsse ständig aktualisiert werden.
Die BVB weisen die Kritik zurück. «Die Fahrdienstmitarbeitenden erhalten durch das Mitarbeitendenportal alle Angaben, die sie benötigen, um ihre Dienste korrekt und pünktlich ausführen zu können», schreibt BVB-Sprecher Matthias Steiger Anfang Woche. Zudem werde genügend Zeit eingerechnet, um sich damit auseinandersetzen zu können. Auf diese Weise wolle man Fehler minimieren und ausschliessen.
Von Frühjahr 2022 bis vergangene Woche war eine Übergangslösung im Einsatz, die zwei BVB-Mitarbeitende programmiert und gewartet hatten. Ihr wurde Mitte Juli der Stecker gezogen.
Doch die Geschäftsleitung der BVB musste ihren Entscheid am Freitag rückgängig machen und die Übergangslösung wieder aktivieren: Das Fahrdienstpersonal startete ohne gewerkschaftliche Hilfe eine Protest-Aktion und soll innert kürzester Zeit mehrere Hundert Unterschriften gesammelt haben. BVB-Sprecher Steiger sagt auf Anfrage: «Das Arbeitsinstrument funktioniert, aber ein Grossteil des Fahrdienstpersonals empfindet es als nicht benutzerfreundlich.» Deshalb leite man jetzt Optimierungen ein.
Personalverbände beschwichtigen
«Der Entscheid über die Einführung der neuen Dienstplanungssoftware fand zwar unter Mitwirkung der Arbeitnehmenden-Organe statt, lag aber am Ende allein bei den BVB», sagt Joël Lier vom VPOD. Die Verbände hätten beschlossen, gemeinsam schriftlich zu ihrer Rolle Stellung zu nehmen, unter anderem, um bei den Mitarbeitenden Klarheit darüber zu schaffen (Bild).
Laut Informationen von «OnlineReports» sollen mehrere Mitglieder die Gewerkschaften verlassen haben. Lier kann aber zumindest beim VPOD keine negative Mitgliederentwicklung feststellen. «Das Verständnis für unsere Rolle scheint demnach vorhanden zu sein», sagt er.
Auch Josua Studer von FEME beschwichtigt: «Es gibt keinen Knatsch. Vielen Mitarbeitenden ist nicht bewusst, dass wir uns einsetzen.» Zudem seien viele gar nicht einem Verband angeschlossen, erwarteten nun aber Lösungen. «Das ist, wie wenn Sie nicht Mitglied beim TCS sind, aber erwarten, dass er Ihnen bei einer Panne gratis weiterhilft.»
Eine prominente Kündigung muss der VPOD aber hinnehmen: Ihr Vertreter im Verwaltungsrat, Manfred Gloor, hat den Austritt aus der Gewerkschaft bekanntgegeben. «Ich kann nicht mehr dahinterstehen und bekomme täglich den Unmut des Fahrpersonals zu hören», sagt Gloor. Er bleibe aber als unabhängiger Personalvertreter im Verwaltungsrat. Die BVB selber machen dazu keine Angaben. Der PSVB mochte auf Anfrage von «OnlineReports» nichts sagen.
Peinlich für die Gewerkschaften
Dass die BVB nun zum zweiten Mal wegen derselben Dienstplansoftware zurückkrebsen, erstaunt. Es zeigt aber auch, dass der ÖV-Betrieb gewillt ist, die Situation zu verbessern. Für die Gewerkschaften und Personalverbände ist die Angelegenheit indes peinlich. Die BVB lenkten erst ein, als das Personal den Aufstand probte. Die Personalvertretungen hatten das nicht geschafft.
Die Verwerfungen innerhalb der Belegschaft kommen zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Denn zu den bestehenden Personalengpässen kommt noch die Sperrung der Margarethenbrücke dazu, die Änderungen an den Dienstplänen erfordert und damit Personal und Betrieb zusätzlich belastet.
Hinweis: Dieser Artikel wurde zuerst im Basler Newsportal OnlineReports.ch publiziert. Per 1. Juli haben Alessandra Paone und Jan Amsler übernommen.