Chur GR stimmt über Kredit für Drogen-Konsumraum ab
Am 9. Juni wird in Chur GR über die Schaffung eines Drogen-Konsumraums für knapp 4 Millionen Franken abgestimmt. Strittig scheint einzig die Kreditsumme.
Die Churer Stimmberechtigten stimmen am 9. Juni über einen Kredit von 3,88 Millionen Franken für die Schaffung eines Drogen-Konsumraums ab. Der dringende Bedarf einer solchen Möglichkeit scheint unbestritten, jedoch nicht der mehrfache Kostenanstieg des Projekts.
Veränderte Konsum treibt Kosten in die Höhe
Ursprünglich waren für einen dreijährigen Pilotbetrieb 1,08 Millionen Franken vorgesehen. Wegen des veränderten Drogenkonsums in der Stadt, namentlich durch das Aufkommen kokainbasierter Drogen, braucht es gemäss den Verantwortlichen längere Öffnungszeiten, mehr qualifiziertes Fachpersonal und mehr Infrastruktur.
Ausserdem habe man anfänglich zu knapp budgetiert, sagte der zuständige Stadtrat Patrik Degiacomi (SP) bei der Behandlung des Geschäfts im Stadtparlament im Februar 2024. Der ursprüngliche Betrag habe auf Zahlen anderer Städte basiert. Inzwischen hätten aber auch diese Mehrkosten in Millionenhöhe stemmen müssen.
Was im Parlament schliesslich mit 13 zu 0 Stimmen bei 7 Enthaltungen durchgekommen war, kommt nun vors Stimmvolk. Einzig die Mitte empfiehlt ein Nein. Sie befürchtet weitere Kostenanstiege. Aber auch die FDP steht dem Kredit kritisch gegenüber und beschloss Stimmfreigabe.
Massiver Anstieg der Drogenproblematik in Chur
Chur hat eine der grössten offenen Drogenszenen der Schweiz, und das mitten im Zentrum im Stadtpark. Mit einem Konsumraum sollen die suchtkranken Personen ihre gesundheitliche und soziale Situation stabilisieren können. Durch den begleiteten und räumlich geschützten Konsum erhofft sich die Stadt eine drastische Reduzierung der öffentlich sichtbaren Szene.
Wurden in der Stadt im August 2022 noch zehn Spritzen pro Woche aufgefunden, waren es ein Jahr später bereits 90. Auch die Zahl der Obdachlosen in Chur verdreifachte sich seit Januar 2022. Im August 2023 waren es knapp über 40 Personen ohne festen Wohnsitz in der Bündner Kantonshauptstadt.
Das Schweizer Konzept mit Konsumraum und Anlaufstelle funktioniere und werde bereits international kopiert, sagte etwa die Suchtbeauftragte der Stadt Bern Julia Joos. «Wir haben Uhren und Schokolade – und wir haben Kontakt- und Anlaufstellen.»
Hoffnung auf Eröffnung im Sommer
Geplant ist, den Konsumraum bei einem Ja am 9. Juni bereits im Sommer an der Sägenstrasse 75 zu eröffnen. Das 950 Quadratmeter grosse Areal werde eingezäunt und bewacht, kündigte Stadtrat Degiacomi im Vorfeld an.
Neben dem bestehenden Gebäude – einem ehemaligen Kulturhaus – werden acht Container für einen Konsumraum und 17 weitere für die Kontakt- und Anlaufstelle aufgestellt.
Dass der geplante Standort nicht direkt bei der Szene im Churer Stadtpark, sondern in einem Wohnquartier zu liegen kommen soll, sorgte bei Anwohnenden für Kritik. Gegen die Pläne der Stadt wurden über 200 Unterschriften gesammelt. Der Standort ist jedoch nicht Teil der Abstimmungsvorlage am 9. Juni.