Endlich: Verwandte der Flugsaurier gefunden

Die Lagerpetiden (Lagerpetidae) sind die neue Familie der Flugsaurier.

Ganzkörperrekunstruktion eines Lagerpetiden (Ixalerpeton polesinensis) des Künstlers Rodolfo Nogueira. - Universität Freiburg

Pterosaurier, auch Flugsaurier genannt, beherrschten die Lüfte im Zeitalter der Dinosaurier für nahezu 150 Millionen Jahre. Ihr Ursprung sowie die Frühphase ihrer Evolution ist seit der Entdeckung erster Fossilien in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein Thema von herausragendem wissenschaftlichem Interesse.

Die frühesten Flugsaurier-Überreste im Fossilbericht zeugen bereits von der kompletten Anpassung für den Flug und die damit verbundenen Änderungen im Körperbau unterscheiden frühe Flugsaurier stark von anderen Reptiliengruppen. In der jüngeren Vergangenheit wurden Flugsaurier meist als nahe Verwandte der Dinosaurier innerhalb der Archosaurier verstanden (einer Gruppe, zu der Krokodile, Vögel und ihre jeweiligen ausgestorbenen Verwandten gehören) – aber ihre frühe evolutionäre Entwicklungsgeschichte und die Entstehung der Fähigkeit zum aktiven Flug blieben weiterhin ein Mysterium und eine der grossen offenen Fragen der Paläontologie der letzten 200 Jahre.

Neue Verwandte liefern neue Erkenntnisse

Vieles deutet darauf hin, dass sogenannte Lagerpetiden die nächsten Verwandten der um einiges bekannteren Flugsaurier sind, wie eine soeben in Nature veröffentlichte Studie belegt. Bislang wurden Lagerpetiden ganz generell als Dinosaurier-Vorgänger bezeichnet.

Die Gruppe dieser noch wenig bekannten Tiere lebte während der erdgeschichtlichen Periode der Trias, circa zwischen 237 und 210 Millionen Jahren vor unserer Zeit. Somit sind die ältesten Lagerpetiden-Fossilien etwa 18 Millionen Jahre älter als die ältesten Flugsaurier.

Während man bisherige Erkenntnisse fast ausschliesslich auf Funde von Knochen der Hinterbeine und des Beckens stützte, helfen nun neu entdeckte Teilskelette von Lagerpetiden (Schädel, Vorderarme, Wirbel) Ähnlichkeiten zwischen Skeletten von Flugsauriern und Lagerpetiden zu belegen. Technologische Innovationen wie etwa micro-computertomographische Untersuchungen erlauben die Rekonstruktion des Gehirns und der sensorischen Systeme des Schädels, beispielsweise des Innenohrs. Sowohl das Gehirn und das Innenohr von Flugsauriern und Lagerpetiden weisen grosse Ähnlichkeiten auf.

Ein Hinweis, dass die Spezialisierung der sensorischen Fähigkeiten der Flugsaurier bereits vor der Entstehung des aktiven Flugs begann. «Aktiver Flug ist ein faszinierendes Verhalten, das mehrfach in der Erdgeschichte entstand», erklärt Serjoscha Evers, Ko-Autor der Studie und Paläontologe am Departement für Geowissenschaften der Universität Freiburg.

«Flugsaurier waren die frühesten Wirbeltiere, die aktives Flugvermögen entwickelt haben. Die neue Hypothese zur Verwandtschaft von Flugsauriern zu anderen ausgestorbenen Tiergruppen ist ein grosser Schritt, um die Evolution des Pterosaurier-Flugs zu verstehen.»

Flugsaurier-Vorfahre ohne Flügel

Die kürzlich entdeckten evolutionären Verwandtschaftsverhältnisse bedeuten einen Paradigmenwechsel in der Erforschung der Flugsaurierentstehung, da damit auch die Entstehung ihres Skeletts und ihrer Flugfähigkeit aus einem neuen Blickwinkel betrachtet werden kann. Lagerpetiden als nahe Verwandte helfen, die ursprüngliche Anatomie der Flugsauriervorfahren zu rekonstruieren – obwohl ihnen selber wichtige Schlüsselmerkmale fehlen, die Flugsaurier ausmachen – insbesondere die Flügel.

Ohne Lagerpetiden als Zwischenformen müsste man von sehr hohen Raten der Evolution ausgehen – also starke Veränderungen des Skeletts über einen relativ kurzen Zeitraum –, um die Entstehung des Körperbaus der Flugsaurier zu erklären. Jüngste Analysen hingegen zeigen, dass die Evolution der Flugsaurier unter Berücksichtigung der Lagerpetiden mit Evolutionsraten erklärt werden kann, die nicht höher sind, als diejenigen anderer Reptilien. Fest steht: Weder Flugsaurier noch Lagerpetiden gehören zu den Dinosauriern – sie sind lediglich nahe Verwandte.

Mit vereinten Kräften

Die neuen Lagerpetiden-Knochen sind in den letzten fünfzehn Jahren in Nordamerika, Brasilien, Argentinien und Madagaskar gefunden worden. Allerdings erlaubten die jeweiligen Einzelfunde keine robuste Evaluierung der Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Flugsauriern und Lagerpetiden.

Es war notwendig, die Informationen von fünf Forschergruppen mit Menschen aus sechs Ländern und drei Kontinenten zu bündeln, um dieses Thema vollumfassend zu erforschen. Serjoscha Evers ist überzeugt: «Dieses Projekt war ein ausgezeichnetes Beispiel paläontologischer Arbeit des 21sten Jahrhunderts: Wir arbeiteten in einem grossen Team zusammen, um ein Thema von grosser Bedeutung durch die Kombination unterschiedlicher Expertisen und Methoden zu verstehen.»

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