Das heikle Geschäft mit den Zusatzversicherungen
Renato Ramseier ist Senior Consultant & Partner bei FINA Finanzplanung AG. Er erklärt, warum ein Wechsel der Zusatzversicherung gut überlegt werden soll.
Wie jedes Jahr sind auch in diesem Herbst die Krankenkassenprämien ein viel diskutiertes Thema. Die Prämien im Kanton Bern werden 2021 um 0,8 Prozent ansteigen. Der Kanton Bern liegt somit leicht über dem schweizweiten Durchschnitt.
Viele erwägen in dieser Zeit einen Wechsel der Versicherung oder der Franchise. Finanzplaner Renato Ramseier erklärt, worauf man achten sollte und warnt vor voreiligen Entschlüssen.
Mittlere Franchisen lohnen sich nicht
Sparpotenzial besteht laut Renato Ramseier vorwiegend bei der Franchise der Grundversicherung und dem gewählten Modell, wie Hausarzt- oder Telemedizinischem Modell. «Übersteigen die jährlichen Gesundheitskosten einen Betrag von 1'800 Franken nicht, ist man mit der höchsten Franchise gut beraten», erklärt er. Bei höheren Kosten profitieren Versicherte von der tiefsten Franchise.
Beim Thema Franchise räumt der Finanzplaner mit eidg. Fachausweis auch gleich mit einem verbreiteten Irrglauben auf: «Die mittleren Franchisen rentieren sich so gut wie nie! Nur in seltenen Einzelfällen profitiert man von diesen.» So sollte man sich entweder für die niedrigste oder aber gleich die höchste Franchise entscheiden.
Vorsicht bei den Zusatzversicherungen
Während ein Wechsel der Grundversicherung oft relativ unkompliziert ist, sieht dies bei den Zusatzversicherungen anders aus. Bei diesen rät Renato Ramseier zu besonderer Vorsicht. «Der Beratungsmarkt arbeitet gerade hier oft gegen das Interesse der Kunden, da teils hohe Provisionen im Spiel sind», warnt er.
«Gleichzeitig sind bei Zusatzversicherungen weniger Einsparungen für den Kunden möglich. Ein Wechsel sollte hier nicht wegen tieferen Prämien, sondern aufgrund von besseren Leistungen gemacht werden.»
So werden gerade am Telefon häufig falsche Versprechen gemacht. Renato Ramseier hat oft Kunden, die schlecht beraten wurden und voreilig die Zusatzversicherung gewechselt haben. «Die Leute haben dann plötzlich mit Mehrkosten und Versicherungslücken zu kämpfen.»
Denn Zusatzversicherungen können heikel sein. «Will man die Zusatzversicherung wechseln, muss man einen Gesundheitsfragebogen der letzten fünf Jahre ausfüllen. Bei diesen wird aber oft gelogen.» Sobald die Versicherung dies herausfindet, kündigt sie den Vertrag.
Grosszügige Fitnessbeiträge und Kinderrabatte
Doch auch die Versicherungen haben ihre Tricks. So empfiehlt Renato Ramseier, sich nicht von Beiträgen zum Fitness-Abo oder von scheinbar grosszügigen Kinderrabatten blenden zu lassen.
«Manche Versicherungen versprechen beim Abschluss hohe Rabatte auf Kinderprämien», erzählt der Finanzplaner. «Wenn man nur kurz recherchiert, sieht man, dass die Kinderprämien so oder so nur einen Bruchteil der Kosten ausmachen.»
«Auch sind es nicht die Kosten für ein Fitness-Abo, die jemanden potenziell ruinieren können.» Vielmehr sollte man darauf achten, dass in einer Zusatzversicherung beispielsweise die Kosten für zusätzliche Medikamente angemessen gedeckt sind. «Braucht jemand über längere Zeit teure Medikamente, kann das horrende Kosten mit sich tragen.»
Neue Branchenvereinbarung soll ab 2021 Beratungsqualität verbessern
«Ich würde mir wünschen, dass die Leute Berater mehr hinterfragen, um unseriöse Vermittler von seriösen zu unterscheiden», sagt Renato Ramseier. Oftmals wird von den Versicherungen keine anerkannte Aus- oder Weiterbildung gefordert, um als Berater tätig zu sein. «Meiner Meinung muss sich die Branche strenger regulieren.»
Ein Schritt in diese Richtung soll die neue Branchenvereinbarung der Verbände santésuisse und curafutura darstellen. Mit dieser verpflichten sich die unterzeichnenden Versicherungen, die Qualität der Beratung zu verbessern.
Unter anderem soll auf die telefonische Kaltakquise verzichtet und gleichzeitig die Qualität der telefonischen Beratungsgespräche erhöht werden. «Die Branchenvereinbarung sollte wirklich eine Verbesserung bringen und seriöse Berater in ihrer Arbeit unterstützen», erhofft sich Renato Ramseier. Er fügt aber an: «Jedoch wurde diese bisher nicht von allen Krankenkassen unterzeichnet.»