Wie pensioniert man sich von einer Leidenschaft?
Auf das neue Jahr schliesst sich der Verein Jugendarbeit Region Schwarzenburg (VJRS) mit der Regionalen Jugendkommission Riggisberg (RJK) zusammen. «Dieser Zusammenschluss ist eine grosse Bereicherung», ist Vereinspräsident René H. Bartl überzeugt. «Die Fachstelle wird so professioneller und der Austausch grösser.»
Per Ende Jahr werden René Bartl und der gesamte Vereinsvorstand zurücktreten. «Es wäre sehr schwer, für uns alle einen passenden Ersatz zu finden. Auch daher haben wir uns zur Fusion mit der RJK entschieden.»
So wird bei der Jugendarbeit in Schwarzenburg auf das neue Jahr vieles anders werden. Vieles wird sich aber auch gleich bleiben, verspricht Bartl. «Am Angebot in Schwarzenburg wird es keine Änderungen geben. Auch die Angestellten und die finanziellen Reserven des Vereins bleiben in Schwarzenburg.»
Die Kinder- und Jugendfachstelle Region Gantrisch
Ab dem 1. Januar heisst die neue regionale Jugendarbeit dann Kinder- und Jugendfachstelle Region Gantrisch. Ab dann wird es auch zwei Standorte geben, einen in Riggisberg und einen in Schwarzenburg.
Besonders freut sich der abtretende Präsident über den künftigen Standort der Fachstelle in Schwarzenburg. «Sobald die Umbauarbeiten abgeschlossen sind, wird die Jugendarbeit ins ‹Generationehuus› ziehen», verrät er. «Dort wird dann ein schöner Austausch zwischen den Generationen stattfinden können.»
René H. Bartl stand dem VJRS seit 2016 vor. Doch bereits vorher machte er sich in der Region einen Namen mit seiner Arbeit mit Jugendlichen. Anfang der 2000er-Jahre gründete er die WG Guggisberg. Dort nahm er Jugendliche auf, «mit denen man sonst nicht mehr wusste, wohin».
Mancher in Guggisberg, doch ein sehr ländliches und eher konservatives Dorf, tat sich mit der WG am Anfang etwas schwer. «Doch die Eingliederung lief sehr gut», erinnert sich Bartl. «Die Leute wussten auch, dass sie immer zu mir kommen können, wenn es ein Problem gab.»
Reuige Weindiebe
So kam es auch einmal vor, dass der Dorfpolizist sich beim Sozialpädagogen beschwerte, weil ihm eine Flasche Wein entwendet wurde. «Er war an einen Geburtstag in einem Restaurant eingeladen und stellte die Flasche kurz draussen ab. Als er zurückkam, war sie weg.»
Doch René H. Bartl wusste, wo seine Schützlinge sich gerne aufhielten und schnell waren die beiden Langfinger gefunden. Der Polizist erhielt seine Flasche zurück und machte sich wieder auf den Weg ins Restaurant.
«Für mich war die Geschichte da aber noch nicht fertig», sagt Bartl schmunzelnd. Er erklärte den beiden Jugendlichen, dass sie nun zusammen ins Restaurant gehen würden, um sich bei der Gesellschaft zu entschuldigen. Die beiden taten dies dann auch leicht beschämt und die Welt in Guggisberg war wieder in Ordnung.
«Ich denke, dass ich einen realitätspädagogischen Ansatz habe», sinniert Bartl. «Man darf Fehler machen und Mist bauen, muss dann aber auch dafür geradestehen.»
Die Macht der Geschichten
Bei der Arbeit mit Jugendlichen gibt es für René H. Bartl zwei zentrale Aspekte. «Ein guter Pädagoge muss sich in sein Gegenüber hineinversetzen können», ist er überzeugt. Neben dieser Empathie sind für ihn Geschichten ein wichtiges Hilfsmittel.
«Ich erzähle gerne Geschichten. Auch in Konfliktsituationen mit Jugendlichen greife ich oft auf das Geschichtenerzählen zurück», erzählt Bartl. «Dabei ist der Wahrheitsfaktor oft sekundär, was zählt, ist die Wirkung.»
Geschichten helfen uns, uns selbst zu verstehen und uns in andere hineinzuversetzen. «Als Kleinkinder lieber wir es, wenn man uns Geschichten erzählt. Ich glaube, diese Eigenschaft bleibt auch bis ins Erwachsenenalter erhalten», ergänzt Bartl.
Zur Person
René Bartl stammt ursprünglich aus Basel und war im ersten Beruf gelernter Möbel- und Bauschreiner. Diese Ausbildung kommt ihm auch heute noch oft zugute. So hat er ein kleines Holzhäuschen in seinem Garten für seine Frau als Bibliothek neu zurechtgemacht.
Seit er 25 ist, arbeitet der heute 71-Jährige mit Jugendlichen. Zuerst in Heimen, dann in einer eigenen Praxis in Münchenbuchsee. In dieser spezialisierte er sich auf Krisensituationen. Schliesslich kam er durch Verwandte in die Gantrisch-Region und gründete die WG Guggisberg.
Ende Jahr tritt Bartl nun als Präsident des VJRS zurück und will es allgemein etwas gemütlicher nehmen. «Ich glaube es ist Zeit für ein neues Projekt», meint er. «Ich könnte mir gut vorstellen, ein Buch mit meinen persönlichen Geschichten zu schreiben.»
Auch seine Frau frage ihn immer, wenn er den endlich in den Ruhestand gehe. Darauf erwidert René H. Bartl nur Schultern zuckend: «Wie pensioniert man sich von einer Leidenschaft?»