Rapperswil-Jona: Bürgerspital schliesst per Ende Mai 2024

Rolf Lutz
Rolf Lutz

Rapperswil-Jona,

Mit der Schliessung des Alters- und Pflegeheims Bürgerspital geht eine lange Tradition zu Ende. Dass die Schliessung so schnell kommt, war unerwartet.

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Das Bürgerspital in Rapperswil. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Alters- und Pflegeheim Bürgerspital liegt im Herzen der Rapperswiler Altstadt.
  • Der Personalmangel war nicht mehr verkraftbar. Eine Sofortschliessung war wahrscheinlich.
  • Die Schliessung reisst 24 Bewohnende aus ihrem gewohnten Umfeld, «ihrem Zuhause».

Es ist eine Nachricht, die wohl viele überrascht, bedrückt und erstaunt. Das Bürgerspital in der Altstadt von Rapperswil wird per Mai 2024 geschlossen.

Christoph Sigrist, Geschäftsführer der Ortsgemeinde Rapperswil-Jona, welche das Bürgerspital führt, sagte gegenüber Nau.ch: «Die Verantwortlichen haben sich mit dem Entscheid ausserordentlich schwergetan. Dieser Entscheid beinhaltet eine hohe emotionale Komponente.» «Trotzdem», so bringt es Sigrist auf den Punkt, «führt an der geordneten Schliessung des APH Bürgerspital im Mai 2024 vernünftigerweise kein Weg vorbei.»

24 Betten sind belegt

Das APH Bürgerspital, im Herzen der Altstadt und an schönster Lage in unmittelbarer Nähe des Sees gelegen, bietet betagten Menschen ein Zuhause, umfassende Betreuung und Pflege. Seit 2004 ist es vom Kanton anerkannt, sodass die Bewohnerinnen und Bewohner, wenn sie pflegebedürftig werden, nicht mehr das Heim wechseln müssen, sondern in ihrem Zimmer bleiben und dort gepflegt werden können. Das Bürgerspital bietet seit Ende 2022/ Anfang 2023 insgesamt 28 Betten an. Davon sind derzeit 24 belegt.

Personalmangel hat sich zugespitzt

Der Mangel an Personal ist beim Bürgerspital seit längerer Zeit ein Dauerthema. Es schreibt offene Stellen aus, der Rücklauf ist gering. Der Arbeitsmarkt ist komplett ausgetrocknet. Im Schnitt bewerben sich beim Fachpersonal 1 bis 2 Personen pro Jahr.

Das mag auch trotz aller Vorzüge des Bürgerspitals damit zusammenhängen, dass es längstens bis zur Eröffnung des Pflegezentrums betrieben worden wäre. Dank dem grossen Einsatz des Personals konnten viele Personalengpässe erfolgreich gemeistert werden. In den vergangenen Monaten hat sich der Personalmangel indes deutlich zugespitzt.

Beim Pflegefachpersonal und beim Pflegehilfspersonal sind einige Austritte zu verzeichnen gewesen. Eine Tatsache, die auch bei vielen anderen Pflegeeinrichtungen festzustellen ist.

Der Personalmangel ist hoch und der Stellenplan 28 (28 Betten) kann nicht mehr ausgeschöpft werden. Beim Fachpersonal sieht es derzeit wie folgt aus: 730 Stellenprozente gemäss Stellenplan, davon besetzt sind 590. Beim Hilfspersonal sind es 800 Stellenprozente gemäss Stellenplan – besetzt sind 480.

Mit diesem, eigenen Personal, kann eigentlich nur noch ein Betrieb in der Grössenordnung von rund 15 Betten aufrechterhalten werden. Aus diesem Grund wurde ein Aufnahmestopp in Bezug auf Bewohnende festgelegt. Die Vakanzen beim Hilfspersonal führen auch dazu, dass das Pflegepersonal Aufgaben des Hilfspersonals übernehmen muss. Kommt hinzu, dass der Altersdurchschnitt der Bewohnenden im APH Bürgerspital mit rund 90 Jahren sehr hoch ist – entsprechend hoch ist auch der Betreuungsbedarf.

Anordnung von Mehrzeiten stösst an Grenzen

Die Anordnung von Mehrzeiten beim bestehenden Personal stösst an Grenzen. Es zeigt sich beim Personal eine deutliche Überlastung. Die erwähnten Austritte waren mehrheitlich mit dieser Überlastung begründet worden. Weitere zeitliche Belastungen beim bestehenden Personal sind nicht mehr möglich und zumutbar.

Ob der hohen Belastung der einzelnen Mitarbeitenden ist davon auszugehen, dass weitere Austritte erfolgen werden – Anzeichen gibt es. Dazu kommt, dass das Pflegezentrum Schachen erst Ende 2026 verfügbar sein wird; gemäss ursprünglichem Zeitplan im Rahmen des Architekturwettbewerbs wäre die Eröffnung 2021 gewesen. Klar ist, dass die Zeit bis Ende 2026 – mithin drei volle Jahre – nicht mit der Anordnung von Mehrzeiten überbrückt werden kann.

Täglich auf externes Personal angewiesen

Das Bürgerspital ist, um den Betrieb aufrechterhalten zu können, tagtäglich auf externes Personal angewiesen. Derzeit benötigt das Bürgerspital täglich im Schnitt zwei Personen, und zwar zur Abdeckung der mindestens benötigten Schichtdienste. Das heisst, dass durchschnittlich rund ein Drittel des benötigten Personals in der Pflege durch externes Personal abgedeckt werden muss. Ansonsten müsste der Betrieb sofort eingestellt werden, weil die Pflege nicht mehr sichergestellt werden kann.

Bei den Temporär-Büros gibt es im Wesentlichen zwei Arten von Vermittlungen: Langzeitvermittlung mit der Möglichkeit zur Übernahme und den Notfallpool. Das Bürgerspital hat seit Mai 2023 kein Personal mehr aus der Langzeitvermittlung rekrutieren können. Selbstverständlich wäre das Bürgerspital daran interessiert, Mitarbeitende aus der Langzeitvermittlung zu erhalten, um sie allenfalls «übernehmen» zu können.

Das Bürgerspital muss auf den Notfallpool zur eingangs erwähnten Abdeckung der Schichtdienste zurückgreifen. Indes können, aus verschiedenen Gründen, diese Personen regelmässig nur für 5 bis 15 Tage angebunden werden.

Aufgrund der kurzen Einsatzdauer von 5 bis 15 Tagen ist die Erstellung eines Dienstplans (1 Monat) kaum mehr möglich. Eine Verbesserung der Situation ist nicht in Sicht. Auch hier gilt: Ein solcher Zustand kann vernünftigerweise nicht bis Ende 2026 aufrechterhalten werden.

Sofortschliessung vermeiden

Die aktuelle Situation ist für die Beteiligten belastend. Eine ordentliche Dienstplanung ist kaum mehr möglich. Kann kein externes Personal rekrutiert werden oder fallen Mitarbeitende aus oder gibt es weitere Austritte von Mitarbeitenden, kann eine sofortige Schliessung des Betriebs nicht ausgeschlossen werden, da die Pflegeleistungen nicht mehr sichergestellt werden können. Das gesundheitliche Wohl der Bewohnenden wäre gefährdet.

Wohl ist davon auszugehen, dass in einer solchen Situation andere Pflegeheime, namentlich RaJoVita, unterstützend helfen würden. Indes ist dies kein Dauerzustand: Für keinen der Akteure, zumal bis zur Eröffnung des Pflegezentrums Schachen noch drei Jahre vergehen werden.

Um die Gesundheit und das Wohlergehen der Bewohnenden nicht zu gefährden und um eine Sofortschliessung zu vermeiden, hat der Ortsverwaltungsrat schweren Herzens beschlossen, den Betrieb des Bürgerspitals geordnet per Ende Mai 2024 zu schliessen. Für die geordnete Schliessung stehen insgesamt sieben Monate zur Verfügung.

Auswirkungen auf Bewohnende

Die Bewohnenden haben in den vergangenen Monaten festgestellt, dass in zunehmenden Massen externes Personal eingesetzt wird. Aufgrund des Umstands, dass es externes Personal aus dem Notfallpool ist, gibt es häufig Wechsel. Das ist für viele Bewohnende unangenehm, und sie haben sich dahingehend mehrfach geäussert.

Es ist höchst bedauerlich, wenn mit der Schliessung des Bürgerspitals Bewohnende aus ihrem gewohnten Umfeld, «ihrem Zuhause», in ein anderes Umfeld wechseln müssen. Der Ortsverwaltungsrat hat sich daher mit dem Entscheid zu schliessen, ausserordentlich schwergetan, ihn indes trotzdem fällen müssen. Es laufen Gespräche zwischen der Ortsgemeinde und RaJoVita, dass die Bewohnenden eine Anschlusslösung erhalten.

Kündigung der Leistungsvereinbarung

In Bezug auf den Betrieb besteht eine Leistungsvereinbarung zwischen dem Ortsverwaltungsrat und der Stadt Rapperswil. Die Leistungsvereinbarung sieht eine Kündigungsfrist von einem Jahr auf Ende eines Jahres vor. Der Ortsverwaltungsrat hat diese Leistungsvereinbarung per Ende 2024 gekündigt, allerdings mit dem Hinweis, dass ein Betrieb nur noch bis Ende Mai 2024 möglich ist.

Das Bürgerspital ist in der Gemeindeordnung der Ortsgemeinde Rapperswil-Jona als Aufgabe erwähnt. Die Anpassung der Gemeindeordnung ist an der Bürgerversammlung vom Dezember 2023 vorgesehen.

Weiterbetrieb bis Ende Mai 2024 gesichert

Die Mitarbeitenden sind über den Schritt der Schliessung des Betriebs informiert worden. In den vergangenen Wochen wurden diverse Gespräche mit dem Kader und Mitarbeitenden der Pflege geführt. Das Verständnis für diesen Schritt ist vorhanden, zumal die Mitarbeitenden in der Pflege die Auswirkungen der Situation tagtäglich miterleben. Die geführten Gespräche sind so weit gediehen, dass ein Betrieb bis Ende Mai 2024 nach heutigem Kenntnisstand sichergestellt ist.

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Kommentare

User #1205 (nicht angemeldet)

Was geschieht dann an Juni 2024 mit dem dannzumal leeren und ehemaligen Bürgerspital?

User #1351 (nicht angemeldet)

Tja wer zulange an der Effizienzschraube im Lohnbereich rumschraubt hat plötzlich keine Arbeitskräfte mehr. Wer hätte das gedacht.

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Leber
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