Die Mitte zur Jahresrechnung: «Budgetdebatte ist absurd»
Das Wichtigste in Kürze
- Am 4. Juli 2023 bespricht das Stadtparlament von St. Gallen die Jahresrechnung 2022.
- Die Rechnung schliesst mit einem Defizit von 3,7 Millionen Franken ab.
- Die Mitte fordert Steuersenkungen und mehr Investitionen.
Die Jahresrechnung 2022 der Stadt St. Gallen schliesst mit einem Aufwandsüberschuss von 3,7 Millionen Franken ab.
Dieses Ergebnis liegt 18 Millionen Franken über dem Budget. Dennoch wurden nur wenige Investitionen getätigt.
Das Stadtparlament von St. Gallen bespricht die Jahresrechnung am 4. Juli 2023.
Nau.ch hat sich bereits mit Felix Keller (FDP) über das Geschäft ausgetauscht. Als Nächstes äussert sich Patrik Angehrn (Die Mitte), Präsident der Mitte/EVP-Fraktion, zur Rechnung. Er sieht konkreten Handlungsbedarf.
Nau.ch: Die Stadt St. Gallen schliesst das Jahr 2022 mit einem Defizit von 3,7 Millionen Franken ab. Dennoch liegt das Ergebnis um 18 Millionen Franken über dem Budget. Wie zufrieden sind Sie mit der Jahresrechnung?
Patrik Angehrn: Nach der Publikation der Jahresrechnung stellte die Finanzkontrolle einen Fehler in der Berechnung der neu geschaffenen Reserve «Werterhalt Finanzvermögen» fest.
Nun resultiert noch ein Aufwandsüberschuss von 3,7 Millionen Franken anstatt von 4,7 Millionen Franken. Bei einem «Umsatz» von rund 600 Mio. stellt dies eine ausgeglichene Rechnung dar.
Dieses Gesamtergebnis ist jedoch nicht sehr aussagekräftig. Denn mit der Umstellung auf das Rechnungslegungsmodell der St. Galler Gemeinden (RMSG) wurden grössere einmalige Korrekturen unter der Rubrik «Finanzergebnis» notwendig.
Bedeutender ist das Betriebsergebnis mit dem Aufwandsüberschuss von 15,2 Millionen Franken. Daraus lässt sich das strukturelle Defizit der städtischen Jahresrechnung erkennen.
Der Stadtrat ist gut beraten, wenn er das seit Langem aufgegleiste und in der Umsetzung stockende Projekt fokus25 weiterverfolgt.
Das Optimierungspotential schätzt der Stadtrat bis zum Jahr 2025 auf weiteren 13,4 Millionen Franken.
Wenn wir es schaffen, die Aufwandsseite der Erfolgsrechnung zu entschlacken und gleichzeitig beim Kanton für die gerechte Entschädigung der zentralörtlichen Leistungen der Stadt St. Gallen einzustehen, wird der städtische Finanzhaushalt nachhaltig ausgeglichen sein.
Nau.ch: Insgesamt wurde nur etwa die Hälfte des Investitionsbudgets (70 Millionen Franken), also 33 Millionen Franken verwendet. Welche Konsequenzen sehen Sie dadurch für die Stadt St. Gallen?
Patrik Angehrn: Eine Budgetdebatte, unter anderem über die Investitionen im kommenden Jahr, ist absurd, wenn nicht einmal die Hälfte der vorgesehenen Investitionen umgesetzt werden.
Die städtische Infrastruktur muss unterhalten werden. Als Faustregel sollen 10 % des Umsatzes (Erfolgsrechnung) investiert werden, damit wir unsere Infrastruktur «à jour» halten und neue Aufgaben wie zum Beispiel der Ausbau der Tagesbetreuung in Angriff nehmen können.
Dies wären 60 Millionen Franken pro Jahr. Geringere Investitionen führen schnell zu einem Investitionsstau, welcher irgendwann zu kompensieren ist.
Oder wir lassen es zu, dass unsere Schulhäuser, Strassen, Leitungen, IT, und so weiter marode werden und sinnvolle neue Angebote nicht einführen können.
Nur ein kleiner Teil der vorgesehenen Investitionen werden durch Einsprachen verzögert. Einige Projekte verzögern sich, weil der Fachkräftemangel auch bei der städtischen Verwaltung angekommen sind und dadurch sistiert werden mussten.
Nau.ch: Die finanzielle Situation der Stadt St. Gallen bleibt weiterhin angespannt. Haben Sie konkrete Vorschläge, wie die Situation entschärft werden kann?
Patrik Angehrn: Der Stadtrat muss die Aufgaben- und Leistungsüberprüfung (fokus25) konsequent angehen.
Nur wenn wir die Aufwandsseite bereinigen, können wir gegenüber dem Kanton beziehungsweise gegenüber dem Kantonsrat eine höhere Entschädigung für die zentralörtlichen Leistungen einfordern.
Dabei muss sich auch das Stadtparlament disziplinieren und vermehrt die Kosten-Nutzen-Frage stellen. Die Wunsch-Liste für mehr oder weniger wichtige Anliegen ist deutlich zu lang.
Mit dem neuen Rechnungslegungsmodell RMSG können nun die Aufwandsgruppen konkret mit anderen St. Galler Gemeinden verglichen werden. Dadurch ist zu erkennen, in welchen Bereichen wir uns eine zu grosszügige Aufgabenerfüllung leisten.
Die Ertragsseite ist dank der verschiedenen Steuereinnahmen sehr erfreulich. Punkte Steuerkraft liegt die Stadt St. Gallen auf dem 10 Rang im kantonalen Vergleich.
Nicht so beim Steuerfuss. Bei diesem Vergleich belegt die Stadt den viertletzten Platz! Um die Steuerpflichtigen zu entlasten, sollen die Steuern auf das kommende Jahr gesenkt werden.
Die Mitte/EVP-Fraktion setzt sich die Senkung um 3 × 3 zum Ziel. In den kommenden drei Jahren soll der Steuerfuss jeweils um 3 Steuerprozente sinken.
Zur Person
Patrik Angehrn (49) ist Präsident für Die Mitte/EVP-Fraktion im Stadtparlament von St. Gallen. Er arbeitet als Grundbuchverwalter, und wohnhaft in St. Georgen, St. Gallen.
Für einen Jass ist er immer zu haben.