Hanspeter Zbinden, Steffisburg: «Reisen ist ein Grundbedürfnis»

Der Filialleiter von Nova Reisen in Steffisburg erklärt im Gespräch, warum sich die Reisebranche Krisen gewohnt ist und er auf ein neues Reiseverhalten hofft.

Nova Reisen Steffisburg
Hanspeter Zbinden im Büro von Nova Reisen in Steffisburg. - nau.ch

Im Moment ist das Büro von Nova Reisen in Steffisburg noch dunkel und geschlossen. Filialleiter Hanspeter Zbinden sitzt an seinem Schreibtisch und bearbeitet Stapel über Stapel an Reiseannullationen.

«Es ist einfacher, die hängigen Dossiers in aller Ruhe zu bearbeiten», erklärt Zbinden. Jedoch steht er seinen Kunden telefonisch und nach Absprache auch persönlich zur Verfügung. Zbinden schätzt, dass er und sein Team die Filiale auch bald wieder für Laufkundschaft öffnen können.

Krisen gewohnt

Hanspeter Zbinden arbeitet seit rund 40 Jahren in der Reisebranche. In dieser sei man sich Krisen gewöhnt, erklärt er. «Bei Terroranschlägen, Naturkatastrophen oder Krankheiten ist die Reisebranche immer sofort betroffen. Aber einen Ausnahmezustand in dieser Grössenordnung hatten wir doch noch nie.»

Auch die Auswirkungen des Coronavirus bemerkten Zbinden und sein Team relativ früh. «Es fing mit dem Wegfall der Flüge nach China an», erinnert sich der Filialleiter. Auch vor dem Lockdown erhielt Nova Reisen viele Anfragen von Kunden zu gebuchten Reisen in den Osten.

«Dann kam Italien und für mich war klar, dass wir das Virus nun bei uns akzeptieren müssen.» Mit der Ankunft des Virus in Europa und dem Lockdown wurde klar, dass keine Reisen mehr verkauft werden können. «Zu diesem Zeitpunkt haben wir nur noch Annullationen bearbeitet», sagt Zbinden. Für Nova Reisen und andere Reisebüros hiess das, dass sie bereits verdientes Geld wieder verloren.

Doch Existenzängste kamen auch in der schwierigen Situation bei Nova Reisen nicht auf. «Wir haben hier zum Glück die Möglichkeit der Kurzarbeit und müssen nicht die vollen Löhne bezahlen», gibt Zbinden zu bedenken. In anderen Ländern sehe die Situation da ganz anders aus, fügt er an.

Kampf für die Kunden

Während des Lockdowns bearbeiteten Hanspeter Zbinden und sein Team etliche Annullationsdossiers und organsierten Rückreisen. Auch mussten sie dafür kämpfen, dass ihre Kundschaft ihr Geld zurückerhält. «Viele Fluggesellschaften haben uns noch kein Geld rückerstattet. Zum Glück haben wir sehr verständnisvolle Kunden.»

Das Team von Nova Reisen berät im Moment viele Leute zu bereits gebuchten Ferien im Spätsommer und Herbst. «Generell muss man sich da noch nicht Sorgen machen und kann mit einer Annullation noch etwas zuwarten», erklärt Zbinden. Doch gibt es auch Kunden, die ihre Ferien definitiv absagen wollen. «Hier stellt sich die Frage, ob man annullieren und die Kosten tragen will, oder ob man es darauf abkommen lässt und hofft, dass der Veranstalter die Reise absagt.»

Die Infrastruktur muss gegeben sein

Nova Reisen konnte bereits ein paar neue Buchungen für Winterferien in Skandinavien verzeichnen. Dies bestätigt auch einen Trend, den Hanspeter Zbinden voraussagt. «Ich denke, dass Individualreisen jetzt sehr beliebt sein werden. Dies aber vor allem im nahen Ausland und auch in der Schweiz.»

Der Reiseexperte denkt, dass manche Leute aber bald erst recht in die Ferne reisen wollen. Dazu müssen aber zuerst die Grenzen geöffnet und die Infrastruktur wiederaufgebaut werden. «Für Touristen muss es vor Ort einigermassen angenehm und uneingeschränkt sein», schätzt Zbinden. «Gerade im Urlaub sind uns Freiheiten und Entspannung sehr wichtig.»

Längerfristige Auswirkungen auf das Reiseverhalten

Hanspeter Zbinden kann sich durchaus vorstellen, dass die Nachwirkungen des Coronavirus noch bis 2021 spürbar sein werden. «Dies bei einem normalen Verlauf und ohne zweite Welle», fügt er an. Es wird eine Weile dauern, bis sich die Mehrheit der Personen sicher genug fühlt, um ausserhalb von Europa zu verreisen.

Obwohl Fernreisen sein Job sind, hofft Zbinden auf eine nachhaltige Veränderung des Reiseverhaltens durch Corona. «Es wäre vernünftig, etwas an der viel zu billigen Mobilität zu ändern. Wir müssen die Umwelt miteinbeziehen, ob wir wollen oder nicht», erklärt er.

Solange Billigflüge auf dem Markt seien, würden sie auch genutzt. «Vor 30 Jahren flog eine Familie vielleicht einmal im Jahr in die Ferien. Heute macht man noch zwei, drei Städtetrips, weil es ja so günstig ist.»

Zbinden ist überzeugt, dass Touristen auch bereit wären, mehr für Flüge zu zahlen. «Reisen ist ein Grundbedürfnis. Daher waren die ganzen Restriktionen um Corona auch ein derartiger Schlag ins Gesicht für viele», fügt er an.

Zur Person

Hanspeter Zbinden wohnt in Steffisburg. Er hat drei Kinder und vier Enkelkinder. Auch er reist gerne, besonders in fremde Kulturen in Asien oder Afrika.

Zbinden wäre eigentlich pensioniert, arbeitet aber noch zu 40 Prozent im Reisebüro. «Ich will meinem Team jetzt noch durch die Krise helfen, dann werde ich bald gehen. Irgendwann ist man zu alt, um Reisen zu verkaufen», lacht er.

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