Grüne zur Steuersenkung: Ressourcen lieber für Klimakrise einsetzen
Der Stadtrat von Thun wird am 6. Juli 2023 über eine Steuerfusssenkung entscheiden. Für Thomas Lanz (Grüne) gibt es andere, wichtigere Anliegen.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Steuerfuss der Stadt Thun soll laut einer Motion von 1,72 auf 1,62 gesenkt werden.
- Der Vorstoss wird am 6. Juli 2023 im Stadtrat von Thun diskutiert.
- Thomas Lanz (Grüne) sieht sinnvollere Möglichkeiten, die Thuner Bevölkerung zu entlasten.
Eine Motion der Stadt Thun verlangt, dass der Steuerfuss den umliegenden Gemeinden angeglichen – von 1,72 auf 1,62 – werden soll.
Begründet wird der Vorstoss mit den letztjährigen erfolgreichen Bilanzen.
Der Gemeinderat von Thun lehnt den Vorschlag aber ab: Die Bilanz der letzten Jahre könnte durch die Pandemie verfälscht sein. Dadurch sei nicht einschätzbar, ob eine Steuersenkung zum momentanen Zeitpunkt realistisch ist.
Die Motion kommt nun vor den Thuner Stadtrat. Er wird am 6. Juli 2023 darüber diskutieren.
Wir haben uns bisher mit Franz Schori (SP), Markus van Wijk (FDP) und Nicole Krenger (GLP) über die Motion ausgetauscht. Als Nächstes äussert sich Thomas Lanz (Grüne) zur Steuersenkung.
Nau.ch: Als Begründung für die Senkung des Steuerfusses wird unter anderem die erfolgreiche Bilanz der letzten Jahre, sowie der Ertragsüberschuss von 10,7 Millionen Franken für 2022 genannt. Gibt es alternative, sinnvolle Vorschläge, den Überschuss einzusetzen?
Thomas Lanz: Steuern finanzieren die staatlichen Leistungen zugunsten der Öffentlichkeit und das damit betraute Gemeindepersonal.
Steuern sind auch ein Umverteilungsinstrument und Steuersenkungen kommen wirtschaftlich Privilegierten mehr zugute als einkommens- und vermögensschwächeren Menschen.
Der Überschuss sollte deshalb für bessere Angebote wie gratis ÖV-Benützung im Regionalverkehr für Kinder oder gratis Badi-Eintritte eingesetzt werden, damit auch ärmere Menschen stärker profitieren können.
Es könnte zumindest über eine Vergünstigung für in Thun wohnhafte Menschen bei städtischen Institutionen wie Badis, Bibliothek, Museen, Eishalle und so weiter geprüft werden.
Denn öffentliche Infrastrukturen kommen allen Menschen gleichermassen zugute. Deshalb fordern wir Grünen nun, dass mit Bedacht geeignete Massnahmen getroffen werden, um den lokalen Service public zu stärken.
Denn nur ohne Aufgabenverzicht, sind wir bereit über Steuersenkungen zu diskutieren. Neben dem Service public bedarf es auch dringende Investitionen in den Klimaschutz.
Weil, wenn jetzt nicht die Ressourcen für die Bewältigung der Klimakrise gesprochen werden, wird das den kommenden Generationen teuer zu stehen kommen.
Nau.ch: Der Steuerfuss von Thun ist mit 1,72 deutlich höher als in Nachbargemeinden. Inwiefern ist der höhere Steuerfuss gerechtfertigt?
Thomas Lanz: Ein Vergleich des Steuerfusses mit den benachbarten Gemeinden ist ohne vertiefte Analyse der gemeindespezifischen Situationen nicht sinnvoll.
Denn die benachbarten Gemeinden unterscheiden sich stark in Bezug auf die Steuerkraft, zu erfüllenden Aufgaben, Bilanzen und so weiter.
Die Stadt Thun als drittgrösste Stadt des Kantons Bern hat überdurchschnittlich hohe Lasten in den Aufgabenbereichen privater Verkehr, öffentliche Sicherheit, Gästeinfrastruktur, Sport, soziale Sicherheit, Kultur und Bildung.
In der Konsequenz führt das bei der Stadt Thun tendenziell zu höheren Ausgaben, welche durch den Kanton nicht ganz abgegolten werden und somit auch einen höheren Steuerfuss rechtfertigen.
Allgemein ist jedoch der Steuerwettbewerb aufgrund seiner negativen Auswirkungen zu hinterfragen.
Nau.ch: Der Gemeinderat spricht davon, dass die letztjährigen Finanzergebnisse potenziell durch die Pandemiejahre verfälscht sein könnte – wie ordnen Sie diese Aussage ein?
Thomas Lanz: Das Budget wurde während einer Zeit erarbeitet, in der viele Unsicherheiten aufgrund der Pandemie vorherrschend waren. Dabei konnten auch die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs nicht in die Budgetierung mit einfliessen.
Es kann also sehr davon ausgegangen werden, dass die Krisen des vergangenen Jahres die Finanzergebnisse beeinflusst haben und von einem ausserordentlichen Jahr gesprochen werden muss.
Dass die Steuereinnahmen nicht wie befürchtet eingebrochen sind, ist erfreulich und zeigt, wie wichtig staatliche Hilfe ist.
Nau.ch: Sehen Sie die Senkung des Steuerfusses und den damit verbunden Steuerausfall als Risiko für die finanzielle Situation von Thun?
Thomas Lanz: Ja, denn in der Stadt Thun stehen grosse Investitionen wie Schulanlagen und Sportstätten an, für die Mittel zur Verfügung stehen müssen.
Deren Umfang muss dabei auch die ungewisse Teuerung bei Bauprojekten auffangen können, wie es aktuell die Projektentwicklung der Sanierung der Eishalle Grabengut exemplarisch aufzeigt.
Zudem ist die Finanzierung des Förderfonds Energieeffizienz aufgrund eines hängigen Gerichtsverfahrens nicht längerfristig gesichert, wodurch es je nach Urteil potenziell dringend benötigte Mittel für die Investitionen in den Klimaschutz braucht.
Zusammen mit der Biodiversitätskrise sind das die drängendsten Probleme unserer Zeit und die Stadt Thun muss ihren Beitrag zu deren Bewältigung leisten.
Umso mehr, wenn es die aktuelle finanzielle Situation zulässt. Zu einer Risikoabschätzung gehört denn auch eine generelle Überprüfung der Leistungen, welche die Stadt Thun zu erbringen und bei Bedarf zu verbessern hat.
Die Grünen schliessen eine Steuersenkung jedoch nicht apodiktisch aus. Es muss aber anhand des Aufgaben- und Finanzplanes die langfristige Machbarkeit einer Steuersenkung geprüft werden.
Die jetzt erhobene Forderung nach einer Steuersenkung um ein Steuerzehntel erfolgt ohne genau Analyse und entspringt im Wesentlichen einem Wunschdenken.
Eine Situation wie beispielsweise mit dem Budget in Langenthal gilt es zu vermeiden.
Im Weiteren gilt es den Schuldenabbau im Auge zu behalten, da die Schuldzinsen aktuell und für längere Zeit nun wohl am Steigen sind.
Zur Person
Thomas Lanz ist Stadtrat von Thun und führt die Fraktion der Grünen Stadt Thun im Co-Präsidium.
Der 28-Jährige ist wohnhaft in Thun und berät als Sustainability Consultant die öffentliche Hand und Unternehmen auf ihrem Weg zu Netto-Null.