Der Mittelstand soll in Zürich preisgünstig wohnen können
Die linke Mehrheit im Stadtzürcher Parlament hat am Mittwoch beschlossen, dass auch der Mittelstand das Recht auf günstigen Wohnraum haben sollte.
Auch der Mittelstand soll in günstigen Wohnungen leben dürfen: Dies hat die linke Mehrheit im Stadtzürcher Parlament am Mittwoch in erster Lesung entschieden.
Sie strich die Einkommenslimite aus den neuen Belegungsvorschriften, die für jene Neubauwohnungen gelten werden, die bei höherer Ausnutzung entstehen.
Der Grüne Finanzvorsteher Daniel Leupi war ganz offensichtlich ratlos. «Ich weiss nicht, was Rot-Grün hier reitet», sagte er. «Ohne Einkommenslimite schaffen wir keine Wohnungen für jene, die sie wirklich brauchen.» Das Ziel der ganzen Verordnung werde verfehlt.
Gegenstimmen und Befürworter
Gleicher Ansicht waren GLP, EVP und FDP. «Wir brauchen eine Verordnung mit einer engen Definition, sonst haben die Bedürftigen keine Chance», sagte Nicolas Cavalli (GLP). SP, Grüne und AL setzten sich jedoch durch und strichen die Limite aus der neuen Verordnung.
«Auch der Mittelstand hat auf dem Wohnungsmarkt keinen Spielraum mehr und leidet unter den hohen Mieten», begründete Marco Denoth (SP) das Streichen der Einkommenslimite.
Die günstigen Wohnungen müssten der ganzen Bevölkerung offenstehen, nicht nur den Bedürftigen. «Niemand soll dazu gezwungen werden, die überhöhten Renditen der Immobilienfirmen zu finanzieren.»
Belegungsvorschriften und Superreiche
Dass nun Superreiche in die günstigen Wohnungen ziehen, glaubt die linke Ratsmehrheit nicht. Schliesslich gebe es auch noch Belegungsvorschriften.
Diese besagen, dass die Zahl der Bewohner mindestens der Zimmerzahl minus 1 entsprechen muss.
Wer alleine wohnt, kann also maximal eine Zweizimmerwohnung beziehen. Dreizimmerwohnungen gibt es erst ab zwei Personen. «Roger Federer wird mit seiner Familie deshalb sicher nicht in eine solche Wohnung ziehen», sagte Denoth weiter.
Weiteres Vorgehen und Referendum
Die Vorlage geht nun in die Redaktionskommission und kommt in etwa vier Wochen erneut in den Rat. Wegen der gestrichenen Einkommenslimiten prüfen die Bürgerlichen aber das Referendum. Es ist somit wahrscheinlich, dass die Verordnung noch vors Volk kommt.
Auslöser für das neue Regelwerk war eine kantonale Abstimmung im Jahr 2014. Die Stimmberechtigten sagten damals Ja zu einer Änderung des Planungs- und Baugesetzes, die mehr günstige Wohnungen schaffen soll.
Gesetzliche Grundlagen und Kritik
Diese Gesetzesänderung erlaubt es Städten und Gemeinden, bei Bauprojekten einen Mindestanteil an preisgünstigen Wohnungen vorzuschreiben – auch wenn die Investoren privat sind.
Die Stadt Zürich kündigte als erste Stadt im Kanton an, diesen neuen Paragrafen 49b anzuwenden.
Dazu gehören auch Kontrollen, etwa der Belegungsvorschriften. Diese Kontrollen sind der Hauptgrund dafür, dass die SVP die ganze Verordnung ablehnt.
Das blähe nur die Verwaltung weiter auf. Zudem würden private Investoren vom Wohnungsbau abgeschreckt. Für Jean-Marc Jung ist die Verordnung deshalb «eine weitere Bau-Bremse».