Der Wolf und seine Aufgaben in der Natur
Der Wolf ist weit besser als sein Ruf: er hat eine wichtige Funktion für das Ökosystem und die Biodiversität.
Kaum ein anderes Wildtier hat unsere Fantasie, unsere Ängste und Vorstellungen so geprägt wie der Wolf. Auch wenn der Wolf in der Schweiz im Jahre 1871 ausgerottet wurde, ranken sich immer noch viele Geschichten und Legenden um das Tier.
Diese prägen uns bis heute und sind mit der Rückkehr des Wolfs – das erste Rudel hat sich vor acht Jahren in der Schweiz gebildet – wieder brandaktuell. Entgegen der meist negativen Empfindungen dieser Geschichten ist der Wolf ein wichtiges Tier, um das Gleichgewicht in einem funktionierenden Ökosystem zu wahren.
Die Spitze der Nahrungskette
Der Wolf an der Spitze der Nahrungskette hat einen wichtigen Anteil an der Regulierung der Huftierbestände. Vor allem alte und kranke Tiere gehören zu seinem Beutespektrum.
Er reguliert die Bestände verschiedener Tierarten wie Rehe und Hirsche und beeinflusst durch seine Anwesenheit gleichzeitig deren Verhalten. Hirsche zum Beispiel meiden gewisse Gebiete, die der Wolf bevorzugt zur Jagd aufsucht.
Durch die Regulierung des Bestandes, wie auch durch das Verlagern von Aufenthaltsgebieten der Beutetiere, wird die Vegetation vor übermässigen Verbiss geschützt. So kann die Anwesenheit des Wolfes direkt zu einer Verjüngung des Waldes beitragen.
Die neue Vegetation stützt den Boden und beugt der Erosion vor. Für viele Schweizer Bergwälder ist dies von zentraler Bedeutung, um ihre Funktion als Schutzwald vor Bergstürzen und Lawinen zu gewährleisten. In der Nähe von Gewässern kann sich die Ufervegetation erholen und die Flussläufe stabilisieren sich. Dadurch entstehen neue Lebensräume für verschiedene Amphibien, Reptilien und Fische.
In Nordamerika hat sich gezeigt, dass die Rückkehr von Wölfen ganze Kaskaden von Änderungen in einem Ökosystem auslösen kann. Wölfe regulieren nicht nur den Bestand von Beutetieren, sondern auch jenen von anderen Raubtieren.
Positiver Einfluss auf die Biodiversität
In Nordamerika reduzierte sich der Bestand der Kojoten nach dem Auftauchen der Wölfe, was zu einer Zunahme derer Beutetiere führte, etwa Hasen und andere Nagetiere. Dies wiederum nützte kleineren Räubern wie Füchsen, Eulen und anderen Greifvögeln.
Die Anwesenheit des Wolfes kann daher einen positiven Einfluss auf die Biodiversität haben. Dieser positive Einfluss des Wolfes auf das gesamte Ökosystem als stabilisierender Faktor ist unbestritten.
Die Wolfspopulation selbst wird durch das Nahrungsangebot reguliert. Je weniger Nahrung vorhanden ist, desto grösser sind die Reviere eines Wolfsrudels. Da Jungwölfe das Rudel nach ein bis zwei Jahren verlassen, um ein eigenes Revier zu suchen, müssen sie teilweise grosse Strecken zurücklegen.
Innerhalb von besetzten Revieren werden sie nicht geduldet. Sie werden vertrieben oder sogar getötet. So regulieren sich Wölfe selbstständig, sobald eine gewisse Populationsgrösse erreicht ist und die zur Verfügung stehenden Reviere besetzt sind.
Der Wolf-Mensch-Konflikt
Durch den Schutz von Restpopulation in Italien, Spanien und Osteuropa konnte sich der Wolf in Europa halten und breitet sich inzwischen wieder aus. Dies führt unweigerlich zu Konflikten mit Menschen und Nutztieren.
Vor allem ungeschützte Nutztiere ohne natürlichen Fluchtreflex stellen eine einfache Beute dar. Primär neigen junge, einzelgängerische Wölfe dazu, Nutztiere anzugreifen. Wölfe in Rudeln hingegen jagen erfolgreicher und bevorzugen Wildtiere.
Wird nun ein Individuum aus einem Rudel zur Bestandskontrolle geschossen, kann dies die fragile Sozialstruktur der Wölfe beeinträchtigen und führt dazu, dass das Rudel weniger gut jagen kann und als Folge davon einfachere Beute wie Nutztiere bevorzugt.
Ein stabiles Rudel hingegen ist eine gute Voraussetzung für weniger Nutztierrisse, da das Rudel einerseits bevorzugt Wildtiere jagt und anderseits einzelgängerische Wölfe aus dem Gebiet fernhält. Um die Konflikte zwischen dem Menschen und dem Wolf zu mildern, hat sich in vielen Ländern ein vielschichtiger Ansatz bewährt.
Dieser besteht aus dem Schutz von Nutztieren und einer Kompensation von Rissen sowie einem gezielten Abschuss von Problemwölfen. Gleichzeitig kann man mit Vergrämungsmassnahmen das Verhalten von Einzelwölfen und Rudeln dahingehend beeinflussen, dass sie sich vom Menschen und seinen Siedlungen fernhalten. Unterschiedliche Managementmassnahmen in verschiedenen Gebieten können dabei jedoch kontraproduktiv sein, da Wölfe keine Landes- oder Kantonsgrenzen kennen.
Werden in einem Gebiet mehr Wölfe geschossen, immigrieren vermehrt Wölfe aus besser geschützten Gebieten in diese Regionen, was bei Einzelwölfen wiederum zu vermehrten Übergriffen auf Nutztiere führen kann.
Die Wölfe des Zoo Zürich
Der Zoo Zürich hält Wölfe seit Anfang der 1950er-Jahre. Zurzeit leben fünf Mongolische Wölfe im Zoo: drei Männchen und zwei Weibchen.
Seit den frühen 1980er-Jahren hält der Zoo Zürich eine Unterart aus der Mongolei. Diese Unterart passt in das Konzept des Zoos im Zusammenhang mit der Himalaya Region im oberen Teil des Zoos, wo die Wölfe untergebracht sind.
Der Wolf als Politikum
Der Zoo Zürich steht für die Biodiversität ein. Zusammen mit der Dachorganisation der wissenschaftlich geleiteten Zoos der Schweiz «zooschweiz» empfiehlt er am 27. September ein Nein zum neuen Jagdgesetz (jagdgesetz-nein.ch). Mit dem neuen Gesetz können Kantone ihre Wolfsbestände nach Belieben selbst «kontrollieren» und geschützte Tiere abschiessen, auch wenn sie keinen Schaden verursacht haben.
Es hat sich gezeigt, dass Bejagung in einem Ort und Schutz in einem anderen dazu führt, dass Jungwölfe jeweils vom geschützten ins ungeschützte Gebiet abwandern, was wie vorangehend erwähnt zu mehr Rissen von Nutztieren führen kann. Nur eine einheitliche Regelung über den Bund kann dies verhindern. Der Wolf leistet einen wichtigen Beitrag für das Ökosystem und muss weiterhin streng geschützt bleiben.