SVP: Zürcher Privatheime sollen über Sterbehilfe entscheiden können
Eine Initiative fordert im Kanton Zürich, dass der Freitod in allen Alters- und Pflegeheimen ermöglicht wird. So etwas soll laut SVP nicht aufgezwungen werden.
Das Wichtigste in Kürze
- Private Alters- und Pflegeheime können im Kanton Zürich über Sterbehilfe frei entscheiden.
- Eine Volksinitiative möchte, dass der Freitod künftig in allen Pflegeheimen erlaubt wird.
- Die Zürcher SVP betont aber, wie wichtig die Entscheidungsfreiheit hier ist.
Im Kanton Zürich sind private Alters- und Pflegeheime nicht dazu verpflichtet, Sterbehilfe in ihren Räumlichkeiten zuzulassen. Einzig Alters- und Pflegeheime mit Leistungsauftrag einer Gemeinde müssen ihren Bewohnenden Sterbehilfe ermöglichen. Private Heime, die von der öffentlichen Hand subventioniert werden, können es ebenfalls frei entscheiden.
Im Mai 2022 wurde die parlamentarische Initiative «Selbstbestimmung am Lebensende auch in Alters- und Pflegeheimen» fast angenommen. Ein zusätzlicher Einzelantrag wurde im letzten Moment eingereicht. Demnach hat der Kantonsrat damals die Regelung geändert und die Anpassungen mit 81 zu 80 Stimmen knapp angenommen.
Freitodbegleitung nicht in allen Einrichtungen zugelassen
Ein assistierter Suizid darf demnach in Räumlichkeiten solcher privaten Alters- oder Pflegeheime abgelehnt werden. Nau.ch hat sich bereits mit Jeannette Büsser aus dem Initiativkomitee der Kantonalen Volksinitiative «Selbstbestimmung am Lebensende auch in Alters- und Pflegeheimen» unterhalten. Die Initiative möchte den Freitod in allen Einrichtungen – private oder öffentliche Alters- und Pflegeheime – ermöglichen.
Neben Frau Büsser hat Nau.ch auch mit Stefan Schmid von der SVP gesprochen. Herr Schmid lehnte im März 2019 den damaligen Vorstoss zusammen mit der SVP-Fraktion ab.
Nau.ch: Private Alters- und Pflegeheime im Kanton Zürich sind bis anhin nicht verpflichtet, Sterbehilfe in ihren Räumlichkeiten zuzulassen. Warum soll dies, ihrer Meinung nach, weiterhin so bleiben?
Stefan Schmid: Persönlich unterstütze ich die Möglichkeit für einen assistierten Suizid. Als Gemeindepräsident trage ich die strategische Verantwortung für unser örtliches Heim, in welchem der assistierte Suizid für Personen, welche das Heim dauernd bewohnen, möglich ist. Gleichwohl bin ich dagegen, meine persönliche Befürwortung als Kantonsrat und Gesetzgeber jedem Heim im Kanton Zürich aufzuzwingen. Jede Zürcherin und jeder Zürcher soll aber das Recht auf Transparenz haben, vor dem Eintritt in ein Heim zu wissen, ob im Heim der assistierte Suizid möglich ist oder nicht.
Nau.ch: Was würde es für die Mitarbeitenden bedeuten, wenn alle Pflegeheime künftig dazu verpflichtet sind, die begleitete Sterbehilfe zu ermöglichen?
Stefan Schmid: Angestellte, welche aus grundsätzlichen oder religiösen Gründen gegen die Sterbehilfe sind und auch nicht an einem Ort arbeiten wollen, an welchem der assistierte Freitod stattfinden kann, werden gezwungen sein, Arbeit ausserhalb des Kantons zu suchen. Während Corona wurde an Fenstern und Balkonen für das Pflegepersonal geklatscht. Heute sollen sich alle Beklatschten einem Sterbehilfe-Narrativ unterordnen oder den Arbeitsort in einen anderen Kanton wechseln. Ich finde die politische Gleichmacherei und Bevormundung von Heimen und dem Pflegepersonal beschämend!
Nau.ch: Nicht alle Pflegebedürftige haben die nötige Zeit oder Finanzen, um sich ein passendes Pflegeheim auszusuchen. Wie können bei einer Entscheidung zum Freitod, die richtigen Umstände geschaffen werden, wenn das Pflegeheim den begleiteten Suizid verbietet?
Stefan Schmid: Jede Person ist weitgehend frei in der Wahl des Heims, in welches man eintreten will, unabhängig des Wohnorts und dank den Ergänzungsleistungen auch unabhängig der Einkommensverhältnisse. Notabene stellt sich die Frage der richtigen Umstände in allen Fällen und nicht nur in Heimen. Was macht beispielsweise ein sterbewilliger Mann, wenn dessen Frau nicht will, dass der assistierte Freitod zu Hause erfolgt? Gibt es überhaupt richtige Umstände für einen Freitod?
Nau.ch: Die Sterbehilfe wird von Organisationen wie Exit durchgeführt. Sind Pflegeheime dennoch in den Prozess involviert und wie?
Stefan Schmid: Mindestens die Heimleitung, die Pflegeleitung, sowie der Heim- oder Vertrauensarzt sind in jedem Falle im Vorfeld informiert und damit auch involviert. Eine Mitwirkung des Heimpersonals am assistierten Suizid ist untersagt. Gleichwohl pflegen und betreuen die Angestellten des Heims die sterbewillige Person professionell und unabhängig der eigenen subjektiven Meinung zum assistierten Suizid. Nach dem Freitod erscheint zudem die Polizei, zumal es sich bei einem Freitod um einen „unnatürlichen Tod“ handelt. Dies erfolgt so diskret wie möglich.
Nau.ch: Die Bewohner bekommen es also nicht direkt mit, oder?
Inwieweit das Heim samt Bewohnerinnen und Bewohner involviert ist, ist stark davon abhängig, wie die sterbewillige Person im Vorfeld mit der Information um den eigenen Freitod gegenüber Personal und Mitbewohnenden umgeht. Jeder Freitod in einem Heim, auch wenn er noch so diskret erfolgt, hinterlässt im Heim Betroffene, welche das Ereignis seelisch aufarbeiten müssen.
Nau.ch: Haben Sie Erfahrung mit Freitod in Ihrem Umfeld? Möchten Sie noch etwas zu diesem Thema anführen?
Stefan Schmid: Aus meinem privaten Umfeld habe ich noch keine Erfahrungen damit machen müssen. Dafür bin ich dankbar. In meine fünfjährige Amtszeit als Präsident des Alters- und Pflegeheims Eichi fallen zwei Ereignisse. Diese Ereignisse haben mich tief bewegt. Umso mehr Respekt zolle ich allen direkt oder indirekt involvierten Personen, von den Angehörigen über unser Personal bis zu den Bewohnerinnen und Bewohnern, welche eine solche Situation mittragen oder erdulden.
Zur Person
Stefan Schmid ist Gemeindepräsident von Niederglatt und Zürcher Kantonsrat. Seine Hobbies sind Garten, Wandern und Langlauf.