Tamy Glauser

Tamy Glauser: Ich sollte für die Schweiz an Olympia!

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Zürich,

Tamy Glauser überquerte kürzlich den Zürichsee in einer starken Zeit. Am Ende gabs sogar eine Goldmedaille. Aber lesen Sie selbst.

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Tamy Glauser schwimmt im Zürisee. - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Tamy Glauser schreibt regelmässig Kolumnen für Nau.ch.
  • Das ehemalige Model war früher im Schwimmnationalteam.
  • Tamy überquerte kürzlich den Zürichsee – und gewann die Goldmedaille!

Früher war ich im Spitzensport tätig und Mitglied der Schweizer Nationalmannschaft im Schwimmen. Ich sollte für die Schweiz an den Olympischen Spielen in Sydney 2000 über 400 m Freistil an den Start gehen. Das war zumindest der Plan. Es kam anders.

Tägliches Training und Schweisstropfen im Kraftraum

Mit 14 Jahren stellte sich bei mir die Frage: Will ich das wirklich? In meinem noch kurzen Leben drehte sich alles ums Schwimmen: tägliches Training im Wasser, oft auch mehrmals. Hinzu kommen Krafttraining, Wettkämpfe an den Wochenenden und in den Schulferien ab ins Trainingslager.

Als Teenager war ich mir eines Tages sicher, dass Schwimmen auf diesem Level, verbunden mit einem solchen Aufwand, nicht alles sein kann. Die logische Konsequenz war, dass ich damit aufhörte.

«Seeüberqueerung» in Zürich – ich bin dabei

Heute, 24 Jahre später, werde ich gefragt, ob ich Lust habe, an einer Seeüberquerung für Queers teilzunehmen. Der Anlass nennt sich «Seeüberqueerung». Ich melde mich spontan an, stelle aber fest, dass ich nur zehn Tage Zeit habe, um mich vorzubereiten. Das ist knapp.

Fragen über Fragen gehen durch meinen Kopf: Wie lange ist die Strecke? Schaffe ich das wirklich noch? Wie gut ist meine Kondition? Panik macht sich kurz breit. Mut macht mir, dass meine Schwimmtechnik noch halbwegs da ist. Das weiss ich vom «Bädele». Da macht man schon mal ein, zwei Züge. Aber eine knapp zwei Kilometer lange Strecke mit Wellengang zu schwimmen, ist dann doch eine andere Dimension.

Hallenbäder erinnern mich an die Kindheit

Ich nehme die Herausforderung in Angriff und stehe am nächsten Tag im Hallenbad. Sofort sind sie da, die Kindheitserinnerungen! Es ist der Geruch, denn Hallenbäder riechen alle gleich. Wow, das war mal mein Zuhause, denke ich.

Ich schwimme zwei Kilometer in 90 Minuten. Das ist mies. Zudem bin ich nach 50 Metern schon komplett ausser Atem, muss ständig Pausen einlegen. Kleiner Trost: Am nächsten Tag geht es schon ein wenig besser, auch wenn mein Puls immer noch viel zu hoch ist.

Tamy Glauser
Tamy Glauser mit Badekappe. - zvg

Kampfgeist erwacht im kalten Wasser

Dann kommt auch noch Pech dazu: Nach meinem dritten Training geht das Hallenbad in Revision und wird geschlossen. Die Alternative an diesem frühen Morgen ist der Zürichsee. Dabei sind die Temperaturen viel zu kalt für den Juli.

Beim Schwimmen merke ich, wie mein Kampfgeist vom kalten Wasser aus dem Dornröschenschlaf wach geküsst wird. Denn: Ich will bei der «Seeüberqueerung» ja nicht nur ankommen, sondern auch schnell sein. Olympischer Gedanken hin oder her: Mein Ziel ist das obere Drittel der Rangliste.

Der Startpfiff im Strandbad Wollishofen ertönt. Los gehts! Die ersten 200 Meter schwimme ich ganz vorne mit – in einer Reihe mit gefühlt sieben Männern auf derselben Höhe. Ich weiss aus Erfahrung, dass ich mein Tempo «eingrooven» muss, statt mit den Typen mitzuhalten. Sonst müssen sie mich in der Mitte des Sees noch rausfischen ... Mein Plan: Zügig crawlen, aber im Flow. Anstrengend, aber nicht überfordernd.

Wo sind denn plötzlich alle hin, geht mir durch den Kopf? Ah, da drüben sehe ich gelbe Badekappen. Es ist gar nicht so einfach, geradeaus zu schwimmen, ohne Linien unter sich zu haben. Ein paar Mal verliere ich im See die Orientierung.

Das Ziel ist in Sicht und kommt immer näher. Auf Kopfhöhe taucht plötzlich eine gelbe Badekappe auf. Will mich da jemand auf den letzten 200 Metern noch überholen? Nicht mit mir! Ich gebe alles. Zug um Zug, meine Arme fallen gleich ab. Wo ist das Ziel? Weiter, Tamy!

Schwimmst du gut?

Ich warte die Siegerehrung ab – es lohnt sich!

Eine knappe Körperlänge vor meiner Mitstreiterin komme ich an. Geschafft. Ich bin so erschöpft, dass ich kaum aus dem Wasser laufen kann.

Mit einer Zeit von 36:09 Minuten schaffe ich die 1,9 Kilometer von Wollishofen bis zur Tiefenbrunnen-Badi. Ich solle doch noch auf die Siegerehrung warten, sagt meine Freundin. «Wer weiss, vielleicht hast du ja sogar gewonnen?» Ich lache über den Witz, finde es aber eine schöne Idee.

«Kategorie Divers: 35- bis 44-Jährige. Der erste Platz geht an ... Tamy Glauser!» Was? Gewonnen? Ich kann es fast nicht glauben. Eine Goldmedaille. Wie früher. Nur diesmal schätze ich sie wirklich.

Jetzt will ich mehr: 2028 an die Olympischen Spiele in Los Angeles?! Ach, ich liebe das Leben.

Zur Person: Tamy Glauser (39) wuchs in Stettlen BE bei Pflegeeltern auf. Das Berner Model ist für seinen androgynen Look bekannt. 2021 outete sich Tamy als nonbinär und gab an, für sich keine geschlechtsspezifischen Pronomen verwenden zu wollen. Tamy interessiert sich für spirituelle Themen – das Model hat sich zum Reiki-Meister ausbilden lassen.

Tamy Glauser
Tamy Glauser freut sich über die Goldmedaille. - zvg

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