«Air - Der grosse Wurf»: Schuhe, Geld und Übergewicht
Ein Schuh ist ein Schuh. Bis Michael Jordan ihn anzieht. Die Verbindung von Sportartikel und Basketball-Star aus den 80ern hat bis heute milliardenschwere Folgen.
Das Wichtigste in Kürze
- Es gibt Sportler, die schreiben weit über ihre körperlichen Leistungen hinaus Menschheitsgeschichte.
Muhammad Ali und Pelé etwa haben das als Boxer und Fussballer erledigt. Steffi Graf oder Serena Williams im Tennis. Der US-Amerikaner Michael Jordan wird nicht nur als wohl bester Basketballer gefeiert, auch als Werbeträger für den Schuhhersteller Nike ist er in milliardenschwere Sphären vorgestossen.
Diese Symbiose nutzt Regisseur Ben Affleck («Argo») als Vorlage für seinen Film «Air – Der grosse Wurf». Das Ende ist zwar bekannt. Und doch kann der Film auf dem Weg dorthin die Spannung halten.
Noch kein Superstar
Die Geschichte spielt in den frühen 80er Jahren. Damals war es noch nicht selbstverständlich, dass Stars welcher Art auch immer ihre eigenen Produkte haben oder gleich ganze Linien prägen. Zudem standen die hier Beteiligten noch am Anfang. Jordan galt zwar als höchst talentiert, spielte aber noch nicht in der obersten US-Liga NBA. Die Basketballsparte von Nike kam nicht recht in die Gänge. Schlimmer noch für die Schuhhersteller in der Provinz von Oregon: Jordan mochte Nike nicht.
Viel Überzeugungsarbeit also für das PR-Team um Sonny Vaccaro (Matt Damon), Howard White (Chris Tucker) und Rob Strasser (Jason Bateman). Es ist eine Prachtrolle für Damon. Er lässt den Basketball-Nerd Vaccaro nächtelang Videokassetten auswerten auf der Suche nach dem Player für eine Werbekampagne, nimmt Anleihen bei Martin Luther King für mehr Überzeugungskraft und stemmt sich dabei – ausgestattet mit reichlich Extra-Pfunden – gegen den Fitness-Wahn der 80er Jahre.
Ein Gegenspieler sitzt im eigenen Haus: Nike-Chef Phil Knight, gespielt von Affleck mit lila Porsche und Atemübung zur Selbstfindung, wehrt sich zunächst dagegen, den kompletten Werbeetat auf einen Spieler zu setzen.
Zudem buhlt ja auch die Konkurrenz um den jungen Sportler. Adidas etwa, im fernen Deutschland. In einem sehenswerten Kurzauftritt verpackt Barbara Sukowa als Käthe Dassler gleich weite Teile der US-Sicht auf den Konzern mit Familienzwist und Nazi-Vergangenheit.
An der Mutter führt kein Weg vorbei
Doch eine andere Frau hält die Fäden in der Hand: Deloris Jordan, die Mutter von Michael. An ihr führt kein Verhandlungsweg vorbei. Viola Davis spielt die Rolle mit der notwendigen Mischung aus professioneller Abgeklärtheit und empathischer Anteilnahme: «Ein Schuh ist nur ein Schuh – bis mein Sohn ihn anzieht.» Dieser Schuh entsteht in den Nike-Katakomben und wird seit Jahrzehnten und bis heute weltweit an unzähligen Füssen zu finden sein – Air Jordan.
Was ist eigentlich mit der Hauptperson in diesem Film? «His Airness» Michael Jeffrey Jordan kommt nicht wirklich vor. Er selbst ist nur kurz zu sehen. In Videosequenzen, die auf Röhrenfernsehern laufen. Historische Spielszenen, mässige Qualität. Seine Filmrolle huscht nur mal am Bildrand entlang. Oder taucht kurz als gesichtslose Gestalt von hinten auf. Viel mehr ist nicht, es ist keine Jordan-Erzählung. Auch das tut dem Film gut.