Amigos zwischen Hass und Fan-Liebe
Die Amigos erleben eine Cinderella-Story: Von Dorffesten in die Musik-Charts. Das Schlager-Duo mit dem Faible für extravagante Anzüge polarisiert das Publikum. Bald bringen sie neue Lieder raus.
Das Wichtigste in Kürze
- Wer Bernd Ulrichs Haus betritt, wird förmlich geblendet von Zeichen des Erfolgs.
Hinter der Eingangstür beginnt es zu funkeln. An den Wänden reihen sich einige von mehr als 100 goldenen und platinfarbenen Schallplatten aneinander - Auszeichnungen für musikalische (Verkaufs-)Erfolge.
«Das macht einen stolz und dankbar», sagt Bernd Ulrich (68), die eine Hälfte des Schlager-Duos Die Amigos aus dem mittelhessischen Hungen. Auch sein in der Nähe wohnender Bruder Karl-Heinz (70), der Maurer gelernt und als Lastwagenfahrer gearbeitet hat, ist froh, wie das Leben gelaufen ist. «Die Musik hat uns zu Millionären gemacht. Wir sind aber normal geblieben und machen keinen Blödsinn», sagt er.
Die Amigos, eines der erfolgreichsten deutschen Schlager-Duos, könnten sich den ganzen Tag in den Garten setzen und die Früchte ihres Erfolges geniessen. Bernd Ulrich hat seine Ruhe-Oase im Grünen so konzipiert, dass sie wenig Arbeit macht - Kunstrasen und Kiesstreifen. Dazu ein Springbrunnen mit einer spärlich bekleideten Frauen-Skulptur, daneben thronen weisse Löwen-Statuen. Die Amigos sitzen auf der Terrasse, trinken Kaffee und rauchen reichlich.
Zuletzt haben sie allerdings viel gearbeitet. Das neue Album namens «Babylon» erscheint am 26. Juli. Es ist das 28. Studio-Album und das 33. insgesamt, das nun im 50. Jahr ihrer Laufbahn veröffentlicht wird. «Für uns ist wichtig, dass es tanzbar und discofähig ist», sagt Bernd Ulrich zum Stil. Freunde des Discofox dürfen sich freuen. «Und bei den Themen und Texten soll die Musik unsere Fans berühren.»
Bei der Musik der Amigos geht es natürlich nicht selten um die Herz-Schmerz-Schmacht-Texte. Aber sie bemühen sich auch immer wieder um Themen mit Tiefgang. «Aber wir machen nichts Künstlerisches, es muss leicht verständlich sein», erklärt Bernd Ulrich. Produziert werden die Amigos von Michael Dorth (Hennef), der auch schon für Party-Sänger Michael Wendler arbeitete. Ihre Texte bekommen sie mittlerweile aus einem Autoren-Pool. «Früher haben wir alles selbst geschrieben, jetzt haben wir unser Team zur Unterstützung.»
Die Botschafter der Opferschutz-Organisation «Weisser Ring» singen auch über Verkehrstote, Umweltverschmutzung, Obdachlosigkeit oder Kindesmissbrauch. «Diese Vielfalt hebt uns von anderen ab. Wir wollen auch mal Zeichen setzen», findet Karl-Heinz Ulrich. Beim Thema Pädophile regt sich sein Bruder heftig auf: «Das ist das Allerletzte. Die Täter gehören weggesperrt.»
Doch wenn die Amigos in der heilen Gute-Laune-Welt der Schlager- und Volksmusik solche Stimmungstöter behandeln, bleibt das nicht unkommentiert. Branchen-Kollegen hätten deswegen schon gemeckert, erzählen sie. «Wie könnt ihr nur über so etwas singen?», hiess es da. Doch das ist Bernd Ulrich egal: «Wir wollen auf Missstände hinweisen.»
Die Amigos, die in Hallen für 2000 bis 3000 Zuschauer singen, haben eine treue Fan-Gemeinde. Ihre Alben erobern in den Hitparaden von Deutschland, Österreich und der Schweiz regelmässig Spitzenplätze. Selbst in der Schweiz gelang es ihnen, fünf Jahre hintereinander Platz eins der Charts zu erreichen.
Bis die Fans ihnen in Scharen zujubelten, hat es allerdings gedauert. Die Mitglieder der 1970 gegründeten Kombo machten Musik lange nur als Hobby. Sie produzierten in einer umgebauten Garage daheim. Auftritte erfolgten auf Dorffesten und in Bierzelten. 2006 erst schafften die Amigos den Durchbruch. Sie belegten Platz eins in der MDR-Musikshow «Achims Hitparade».
Plattenfirmen wurden auf das Duo aufmerksam. «Da waren wir auch für die interessant, die unsere Demo-Tapes zuvor abgelehnt hatten», erinnert sich Bernd Ulrich, der früher als Bierbrauer arbeitete. Dann machten beide hauptberuflich Musik. 2011 glückte mit dem Gewinn des Musikpreises Echo der grösste Erfolg.
Mittlerweile absolvieren sie rund 150 Auftritte pro Jahr, sind viel auf Achse. Doch nicht jeder empfindet Sympathie für die Amigos. Sie erhielten in den vergangenen Jahren schon viele Hass-Botschaften übers Internet. «Wir sind von einigen Vollpfosten übel beleidigt worden, wurden sogar bedroht», berichtet Karl-Heinz Ulrich. Auch TV-Komiker hätten sie schon angefeindet. Ihre Erklärung für die Angriffe: «Wir polarisieren halt. Die Leute reiben sich zum Beispiel extrem an den Klamotten, die wir tragen», sagt er.
Wie lange dauert die Karriere der Amigos noch? «Noch macht es einfach zu viel Spass. Es ist noch nicht die Zeit, die Bühne zu verlassen», sagt Karl-Heinz Ulrich. Im kommenden Jahr wollen sie mal nachdenken, wie es weitergeht. «Dann werden wir sehen, wie es gesundheitlich steht. Dann bin ich 72. Eigentlich langsam Zeit zum Aufhören. Aber wenn wir in guter Verfassung sind, können wir noch ein paar Jahre dranhängen.» Zwar wollen sie ihre Auftritte reduzieren und etwas zur Ruhe kommen. Doch ob das klappt erscheint fraglich: Im Jahr 2020 feiern die Amigos ihr 50-jähriges Jubiläum.