Charles Manson: Der Dämon von Hollywood
Der blutige Mord an der Ehefrau von Roman Polanski erschütterte 1969 die Welt. Was führte zu dieser Gräueltat? Der Film «Der Dämon von Hollywood» geht auf Spurensuche in der kalifornischen Plattenindustrie.
Das Wichtigste in Kürze
- Zwei Augen mit einem irren, durchbohrenden Blick, ein Hakenkreuz in die Stirn tätowiert: Das Foto des inhaftierten Verbrechers Charles Manson ging um die Welt.
Sektenführer Manson steht für die dunkle Seite der Hippie-Bewegung.
Der von ihm in Auftrag gegebene Mord an der schwangeren Hollywood-Schönheit Sharon Tate - der Ehefrau von Starregisseur Roman Polanski - und mehreren Zufallsopfern fiel im Jahr 1969 fast auf den Tag genau mit dem Woodstock-Festival zusammen.
Wenigen Leuten dürfte bewusst sein, wie eng die grausigen Morde der «Manson Family» mit der aufstrebenden Musikindustrie in Los Angeles verwoben waren. Die Doku «Charles Manson: Der Dämon von Hollywood» am Freitag auf Arte (21.45 Uhr) zeichnet Linien nach, die bis hin zu Weltstars führen.
Als der Zuhälter und Gewaltverbrecher Charles Manson 1967 nach sieben Jahren Haft auf freien Fuss kommt, umgibt ihn eine völlig veränderte Welt. Der «Summer of Love» ist ausgebrochen. Der gut gelaunte Popsound der Beach Boys und Byrds beherrscht die Jugendkultur Kaliforniens, Epizentrum der Bewegung. Drogen überall. Für den in Manipulationen geübten Manson ist das ein Paradies.
«Alle waren auf der Suche nach einer Erleuchtung, aber LSD war eine Art Abkürzung», erinnert sich Manson-Family-Mitglied Dianne Lake. «Es öffnete einem den Geist und liess Dich eine andere Lebensweise sehen. Oder zumindest dachtest Du das. Aber es machte uns auch sehr angreifbar für Menschen, die uns ausnutzen wollten.» Manson macht sich junge Ausreisserinnen mit Charme und Drogen gefügig. Er benutzt die Mädchen, um Kontakt zu Männern aus der Plattenindustrie zu finden.
Denn der Gewohnheitsverbrecher hat hinter Gittern seine Ambitionen als Musiker entdeckt. Er will Rockstar werden, ein Mithäftling vermittelt ihm sogar eine Aufnahmesession in einem Studio. «Erstaunlicherweise existert das Band noch», erzählt Manson-Biograf Simon Wells. «Darauf zu hören ist ein ungeschliffener, ungeschulter Strassenmusiker, der etwa 20 Songs vorstellt. Ohne jede Anleitung, Form oder Struktur.» Das Plattenprojekt versickert - wie so viele andere danach.
Mansons Songs würde man heute als Singer-Songwriter-Musik bezeichnen. Die Wurzeln liegen im Swing der 40er, doch sein Sound passt gut in den Zeitgeist von 1969. «Er hatte durchaus Talent», erinnert sich Toningenieur Stephen Desper. Doch wann immer es ans Aufnehmen ging, blieb von Mansons Charisma nichts übrig. Da half es auch nicht, dass er eine Reihe Popgrössen kennenlernte wie Neil Diamond und Glen Campbell. «Neil Young, der gerade bei Buffalo Springfield ausgestiegen war, war begeistert von Mansons Musik.»
Der wichtigste Kontakt, den sich der Sektenführer über den Sex Appeal seines wachsenden Harems erschleicht, ist Dennis Wilson von den Beach Boys. Der Sänger ist in einer Sinnkrise, sein Surfer-Sound ist nicht mehr gefragt. Die Beach Boys nehmen schliesslich einen Manson-Song auf - ohne ihn als Autor zu nennen.
Immer wieder ist Wilson mit dem Sonderling über Projekte im Gespräch. Als der Produzent Terry Melcher Manson aber zum wiederholten Mal einen Korb gibt, beginnt eine verhängnisvolle Spirale aus Frust und bedrohter Machtposition in der Sekte. Sie endet in einem Blutrausch, der Amerika schockiert. Die Tat findet nicht aus Zufall im früheren Haus des Musikproduzenten Melcher statt.
Der Arte-Film besticht durch die Fülle von Archivmaterial und die lange Reihe von Augenzeugen. Sie haben zum Teil auch im Manson-Prozess ausgesagt. Mithäftlinge kommen zu Wort. Die Gesprächspartner beleuchten auch eines der gruseligsten Details: Wie die Beatles mit «Helter Skelter» eigentlich nur einen Vergnügungspark in England besingen wollten - und Manson darin das Signal zum Bürgerkrieg der Rassen sah, in dem es nichts mehr zu verlieren gab. Sein erstes Album erschien nach seiner Verhaftung, er starb 2017 im Gefängnis.