Der Horror zu Hause: «Der Unsichtbare» von Leigh Whannel
Der Mörder ist kein Unbekannter: In Leigh Whannels «Der Unsichtbare» geht die Bedrohung vom Ex-Partner aus. Das sorgt für viel Identifikationspotenzial. Nur: So einfach ist die Sache nicht.
Das Wichtigste in Kürze
- Die #MeToo-Debatte hat den Horrorfilm erreicht.
Während der ehemalige Hollywood-Mogul Harvey Weinstein wegen Sexualverbrechen gerade schuldig gesprochen wurde, kommt mit «Der Unsichtbare» ein Film in die Kinos, der eine nicht ganz unähnliche Geschichte erzählt.
In Leigh Whannels Science-Fiction-Horrorfilm manipuliert ein erfolgreicher Mann sein Umfeld und missbraucht seine Frau psychisch und physisch.
In Wahrheit geht es aber eigentlich um sie - Cecilia, gespielt von der herausragenden Elisabeth Moss («The Handmaid's Tale», «Mad Men»). In einer stürmischen Nacht flieht die junge Frau vor ihrem gewalttätigen Partner - natürlich nicht ohne ihn am Ende doch noch zu wecken und erst in letzter Sekunde im Wagen ihrer Schwester entkommen zu können. Obwohl man als Zuschauer ahnt, dass die Flucht gelingen muss, ist die Szene eine der spannendsten des Films. Dabei helfen die vielen gut platzierten, düsteren musikalischen Effekte und das hohe Identifikationspotenzial mit der Protagonistin.
Als sich ihr Ex Adrien (sehr charismatisch: Oliver Jackson-Cohen) danach das Leben nimmt, könnte für Cecilia Frieden einkehren. Aber im Haus eines Freundes, in dem sie Zuflucht gefunden hat, mehren sich die unheimlichen Geschehnisse. Denn Cecilias Ex ist nicht wirklich tot. Vielmehr hat er einen neuen Weg gefunden, um sie zu terrorisieren. Seine unsichtbare Omnipräsenz in ihrem Leben zeichnet für den Zuschauer sehr anschaulich nach, wie es sich anfühlen muss, in Angst vor dem eigenen (Ex-)Partner zu leben.
Während sich Cecilia nach ihrer Flucht nicht mal mehr auf die Strasse traut, muss sie im Angesicht der Gefahr bald ihre Ohnmacht überwinden. Man könnte dem Film vorwerfen, dass es erst die Gewalt des Mannes braucht, damit die Frau zu ihrer Stärke findet. Doch der Film windet sich geschickt heraus aus solchen Zuschreibungen: Die zunächst so stringente Horrorgeschichte über das Opfer von männlicher Gewalt gerät nach spannenden Twists der Handlung ins Wanken.
Wie der unsichtbare Mann, so ist auch die Erzählung schwer zu fassen. In dieser Uneindeutigkeit liegt die grosse Stärke des Films - denn er lässt sich nicht auf eine Erzählvariante festlegen, hinterfragt Stereotype und Narrative.
Der Film, eine moderne Version der gleichnamigen Buchvorlage von H.G. Wells aus dem Jahr 1897, reisst viele Themen an: Psychische Krankheiten und die Übermacht der Technik etwa. So akribisch Cecilia in einer Szene aber auch die Kamera ihres Laptops abkleben mag, sie wird aus allen Winkeln beobachtet. Zunächst in der einsamen High-Tech-Festung ihres Mannes, der sie entflieht, später schier überall. Die Technik wird durch die Erfindungen des diabolischen Wissenschaftlers Adrien zur Waffe und Bedrohung. Die Auseinandersetzung mit dem Thema bleibt aber eher oberflächlich und kommt wenig innovativ daher.
Eine weitere Schwachstelle des Films sind die zum Teil trashigen und oft unnötig brutalen Gewaltszenen. Die hat «Der Unsichtbare» nicht nötig: Der Film erzeugt dank der spannenden Erzählung auch so sehr viel Gruselfaktor.