Die Bestsellermaschine - Sebastian Fitzek wird 50
Das Wichtigste in Kürze
- Mit Psychothrillern ist Sebastian Fitzek bekanntgeworden - und der Ort, an dem die grausamen Geschichten entstehen, ist ein ziemlich schöner.
Fitzeks Büro liegt zwischen Villen im Berliner Südwesten, die Äste wippen an diesem Herbstnachmittag ein wenig im Wind. Gerade kommt er von einem Termin, eine seiner Ideen wird verfilmt.
Fitzek gehört zu den erfolgreichsten deutschen Autoren. Rund 14 Millionen Exemplare hat er nach Angaben seiner Sprecherin bisher verkauft. Und wenn ein neuer Titel erscheint, stehen die Chancen gut, dass er damit vorne in den Verkaufslisten landet. An diesem Mittwoch (13. Oktober) wird Fitzek nun 50 Jahre alt.
Zum Interview setzt er sich an einen Bürotisch. In Sichtweite steht eine Box, in der die Fanpost landet. Manche Menschen wollen von ihm gerne ein Autogramm haben. Oder ein Grussvideo, das sie jemandem zur Hochzeit schenken können. Fitzek, das ist für manche eine Garantie für Ablenkung. Und fürs Kennenlernen menschlicher Abgründe.
Wenn man vom Büroflur zu seinem Arbeitszimmer kommt, liegt da eine Fussmatte. «Rein darf hier jeder», steht darauf, «aber nicht lebend wieder raus!» Seit Fitzeks erstem Thriller «Die Therapie» sind viele andere erschienen. «Das Paket» und «Der Heimweg» zum Beispiel, aber auch «Der erste letzte Tag» (das Buch war «kein Thriller», wie eigens auf dem Cover vermerkt ist).
Fitzeks Weg hätte auch ganz anders aussehen können. Früher wollte er mal Musiker werden, Schlagzeuger. Er studierte kurze Zeit Tiermedizin, aber der Frontalunterricht lag ihm nicht. «Was ich schon in der Schule nicht konnte: Ruhig sitzen, dem Lehrer oder der Lehrerin folgen und es danach wirklich verstanden haben», sagt Fitzek. Dann studierte er Jura und arbeitete beim Radio.
Dass er das Radiomachen gelernt hat, merkt man ihm an. Er hat die passende Stimme und kann ziemlich schlagfertig antworten. Blut sehen? Kein Problem. «Tatort»? Guckt er eher nicht. Macht ihn die Veröffentlichung eines neuen Buchs noch nervös? Ja, sagt Fitzek, und auch seine Presseagentin nickt. Bald erscheint sein neuer Roman «Playlist», zudem moderiert er nun die Sendung «Riverboat» mit.
Natürlich verfolgt auch Fitzek echte Kriminalfälle, er will sie aber nicht einfach abbilden. Für ihn seien reale Schicksalsschläge die Grundlage, um eine Ausnahme zu schildern, um sich mit den Auswirkungen von Gewalt auf die Opfer zu beschäftigen. «Es geht mir immer um das Leben und die Frage, wenn mein Leben bedroht wird, was sind dann die Werte, für die ich einstehen muss?»
Er wolle keine echten Geschichten benutzen, um Nervenkitzel zu erzeugen. «Oft sind es die Fragezeichen, die mir nachhängen, die in der Nachrichten-Schlagzeile nicht beleuchtet werden, weil dafür kein Raum ist», sagt Fitzek. Er könne in seinen Büchern auch die Realität verändern und abmildern. Verschwundene Menschen auftauchen lassen oder Verbrechen lösen. Manche finden seine Geschichten trotzdem zu brutal. Und nicht jeder mag seine Bücher.
Literaturkritiker Denis Scheck beispielsweise nannte ihn mal den «Grobmotoriker» unter den deutschen Thrillerautoren. Über Menschen, die freiwillig zu einem seiner Romane griffen, sagte der 56-Jährige in einem Video: «Nur, wer sich ganz und gar aufgegeben und Abschied von der literarischen Welt genommen hat, sollte sich zu so einem unbesonnenen Schritt hinreissen lassen.»
Fitzek kennt solche Stimmen. Und er hat einen interessanten Umgang damit gefunden. «Meine Lebensaufgabe ist es nicht, irgendjemandem zu gefallen», sagt er. Aber wie schaffe man es an der Stelle, die Spreu vom Weizen zu trennen? «Da gibt es für mich eine ganz einfache Massgabe: die Intention des Kritikers.»
«Tritt jemand wie ein Mentor auf, wie ein Trainer, im besten Fall ein Freund, eine Freundin, die sagt: «Ich will, dass du besser wirst.» Dann muss ich mir die Kritik anhören, finde ich», sagt Fitzek. «Ist die Kritik aber von jemandem, der nur seine eigene Einschaltquote oder Klickrate nach oben treiben will, dann habe ich einen eingebauten Spamfilter im Ohr oder vor den Augen.»
Vielleicht wüssten manche Kritikerinnen und Kritiker auch nicht, warum gelesen werde, sagt Fitzek. «Ich meine das nicht anmassend - ich wusste es tatsächlich auch nicht. Aber ich bekomme inzwischen viele Leserbriefe, da bekommt man schon einen guten Eindruck davon.»
Einige der Leserbriefe hat er in «Das Paket» abgedruckt. Am Ende des Buchs erzählt Fitzek nicht nur wie üblich etwas Persönliches («Ich war der klassische Bücher-Nerd, den man beim Völkerball nicht in seiner Mannschaft haben wollte, es sei denn als Kanonenfutter»). Sondern er druckt auch Fanpost. Da wird etwa eine Frau zitiert, deren Sohn im Krankenhaus lag und die sich mit Fitzeks Literatur von Sorgen ablenken konnte. Oder jemand, der nun erst die Liebe am Lesen entdeckt.
Bei Fitzek gibt es längst Ideen für neue Geschichten. «Ein Thema, das mich schon seit Jahren umtreibt, ist digitale Überwachung bei Kindern», sagt Fitzek, der selbst Vater ist. Das Dilemma sei natürlich, ob man ein Kind überwachen solle, um es zu beschützen. Dazu spinne er dann eine Geschichte. «Ich habe schon Rechtsmediziner angesprochen, ob es theoretisch möglich wäre, dass man mit den Frühstücksflocken jeden Morgen einen GPS-Sender verschluckt.»