«Die Super-8-Jahre»: Annie Ernaux reflektiert ihr Leben
Jahre der Emanzipation: In dem Film blickt die Nobelpreisträgerin auf ihr Leben zwischen 1972 und 1981 zurück. Intime Familienaufnahmen, die gleichzeitig eine französische Gesellschaft widerspiegeln.
Für ihre Werke ist Annie Ernaux dieses Jahr mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet worden. Nun hat die 82-Jährige, die nie aufgehört hat, sich durch ihre Bücher zu erzählen, ihre Geschichte in einem Film umgesetzt. Zusammen mit David Ernaux-Briot, einem ihre beiden Söhne, hat die Schriftstellerin «Die-Super-8-Jahre» realisiert. Darin blickt sie auf die Zeit zwischen 1972 und 1981 zurück. Jahre, die sie zur Emanzipation führten – und zur Bestimmung als Feministin und Schriftstellerin.
Der Film zeigt mit einer Super-8-Kamera gefilmte Bilder von ihr und ihren Kindern: Erinnerungen an Weihnachten, Sommerferien, Geburtstage. Die stummen Sequenzen, die grösstenteils von ihrem Ex-Mann gedreht wurden, kommentiert sie aus dem Off heraus – mit Empathie, manchmal mit Zärtlichkeit und oft beeindruckend selbstkritisch.
Scheidung und Emanzipation
Die Romanautorin ist häufig auf der Leinwand zu sehen, oft mit einem schüchternen Lächeln und mit Unbehagen. «Die Frau auf dem Bild scheint sich immer zu fragen, was sie da macht», resümiert Ernaux die Filmbilder im Voice-Over. Wenn man «Die Jahre» oder «La femme gelée» (dt. etwa «Die Erfrorene») gelesen hat, kann man nicht umhin, darin die Zeichen dessen zu erkennen, was in ihrem Leben folgen wird: Scheidung, Emanzipation, teilweise durch das Schreiben, das sie vor ihrem Mann und ihrer Mutter jahrelang geheim gehalten hat.
«Die Super-8-Jahre» sind ein bittersüsses Dokument, das die Bilder des Familienglücks auf intime Weise einfängt, gleichzeitig die Zerrissenheit einer Ehefrau und Mutter zeigt, die sich in dieser Rolle ebenso wenig ausdrücken kann wie in der der Ehefrau, über die sie 1981 in «La femme gelée» ihre Wahrheit sagt.
Spiegelung der franzöischen Gesellschaft
Der Film illustriert das Streben Ernauxs nach Emanzipation, das stellvertretend für viele Frauen ihrer Generation steht. Gleichzeitig spiegelt er eine französische Gesellschaft wider, die sich nach Mai 1968 im Umbruch befand.
«Die Super-8-Jahre» sind weder wirklich ein Film noch ein Dokumentarfilm, sondern «Fragmente einer Familienautobiografie», wie Ernaux sagt. So wie ihre Literatur: intim, politisch, universell.