In seinem jüngsten Roman vermischt James Ellroy einmal mehr Fakt und Fiktion. Mit «Die Bezauberer» liefert er einen literarischen Hardboiled-Fieberalbtraum.
James Ellroy
Der Autor James Ellroy lässt seinen neuen Kriminalroman in Los Angeles zu Beginn des Zweiten Weltkriegs spielen. Foto: Matt Crossick/PA Wire/dpa - dpa-infocom GmbH

Der US-amerikanische Autor James Ellroy hat den «Hollywood Fixer» zu einer Romanfigur gemacht. Zuletzt liess er seinen Ex-Polizisten und nun Privatdetektiv Otash in «Allgemeine Panik» in der Hölle schmoren. Im Nachfolger «Die Bezauberer» schnüffelt der schmierige Ex-Cop rund um Monroes Tod – ein literarischer Hardboiled-Noir-Fieberalbtraum.

Fred Otash war Polizist in Los Angeles, als Privatdetektiv lieferte er dann dem Schmuddelblatt «Confidential» Intimes aus dem Privatleben der Filmstars. Unter anderem soll er Marilyn Monroe überwacht haben.

In seinem jüngsten Roman vermischt James Ellroy einmal mehr Fakt und Fiktion. «Historische Fiktion zu kreieren, bedeutet für mich 75 Prozent Verdrehung der Tatsachen und 25 Prozent Wahrheit», sagte der 76-Jährige im Interview mit der US-TV-Sendung «CBS Saturday Morning».

Er habe Otash, «Ich-Erzähler der Bezauberer», wie es im Personenregister im Angang des Buches heisst, «Drogen-Liebhaber» und «freischaffender Erpresser», zu einer Person gemacht, «die er nicht war». John F. und Robert Kennedy, Monroe und Liz Taylor sowie deren Kollegen Eddie Fisher, Peter Lawford und Roddy McDowell wird die gleiche zweifelhafte Ehre zuteil.

Auf Papier mit Stift geschrieben

Sex, Suchtmittel, Mord – darum dreht sich Ellroys Kosmos, niedergeschrieben übrigens auf Papier mit Stift. Der Schriftsteller betonte mehrfach in Interviews, nie einen Computer benützt oder gar besessen zu haben.

Otash soll im Auftrag von Jimmy Hoffa, Gewerkschaftsführer mit Verbindungen zur amerikanischen Cosa Nostra, Monroe ausspionieren. Als er Wanzen in Haus der Diva installiert, merkt Otash, dass deren Bleibe bereits einmal verwanzt gewesen ist. Nach dem Tod der Schauspielerin überträgt ihm Polizeichef Bill Parker, ebenfalls ein Dauergast in Ellroys Welten, die Aufgabe, Material zu finden (oder zu schaffen), dass den US-Präsidenten von Gerüchten über eine Affäre mit dem Starlet entlastet.

In «Die Bezauberer» entfalten sich eine wahnwitzige Story um Einbrüche, sexuellen Missbrauch, eine Kindestötung, eine mysteriöse Entführung und Polizei-Brutalitäten. Es ist «feucht-heiss und stickig» mitten im August in L.A. Diese Hitze überträgt sich auf die Handlung und die Atmosphäre der Geschichte.

An deren lassen Anfang Otash und Ermittler in einer gemeinsamen Aktion einen Verdächtigen zu Todes stürzen. «Was wir taten, war absolut illegal und improvisiert», bekennt Otash. Bevor es richtig rasant wird, lässt Ellroy seine Leserinnen und Leser über viele Seiten an Abhör- und Beschattungsaktionen teilhaben. Man hat oft das Gefühl, sich bei 40 Grad im Schatten lethargisch fortzubewegen.

Fans wissen, dass man vom «Demon dog of American crime fiction» keinen Mainstream-Krimi vorgesetzt bekommt. Die Sätze sind oft kurz und schnell wie Gewehrsalven, die Erzählweisen unkonventionell, die Charaktere überwiegend fies, die Sprache explizit.

Klein wenig Platz auch für Liebe

Im Sonnenstaat der Fünfziger und Sechziger gehören bei Ellroy Affären und Drogen zum guten Ton der High Society und Möchtegernstars. Letztere, aber auch jene, die den Sprung zu Ruhm geschafft haben, verstricken sich mit Vorliebe in kriminelle Machenschaften.

Otash wirft sich Dexedrin ein und spült mit Rum nach, es plagen ihn Gewissensbisse – und doch schreckt er vor wenig zurück. Politische Intrigen entfalten sich in «Die Bezauberer». Zugleich zieht Ellroy genüsslich die Welt der Reichen und Schönen durch den Schmutz.

Auch für Liebe und die Suche nach dieser bleibt in den 665 Seiten ein klein wenig Platz. Mehr Raum nehmen Gewaltausbrüche ein: «Schläge mit dem Telefonbuch hallen nach», sagt Otash trocken nach einem Verhör. Am Ende ist «Ratzfatz-Bob», wie Ellroy den US-Innenminister Robert Kennedy bezeichnet, zufrieden. Und Otash zeigt überraschend sogar einen Anflug von Edelmut – mehr sei nicht verraten.

Der echte Otash starb 1992. Ellroy, bekennender Konservativer, der aber seit Ronald Reagan nicht mehr zur Wahl gegangen sein will, kannte ihn flüchtig und verabscheute ihn angeblich. Als Inspiration diente der Mann im Übrigen nicht nur dem Autor James Ellroy, sondern auch für die Rolle von Jack Nicholson in Roman Polanskis Filmklassiker «Chinatown» (1974).

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