Ex-Bassist der Rolling Stones: Bill Wyman wird 85
Er galt als das unauffällige, stille Mitglied der Band. 30 Jahre lang spielte Bill Wyman den Bass für die Rolling Stones. Für wilde Exzesse war er nicht bekannt. Dennoch geriet er in die Schlagzeilen.
Das Wichtigste in Kürze
- Böse Zungen behaupten, es sei erst aufgefallen, dass Bill Wyman drei Jahrzehnte lang Bassist der Rolling Stones war, als er die legendäre Rock'n'Roll-Band 1993 verliess.
Wyman galt als der Stille, der angeblich nie etwas sagt.
«Tja, niemand hat mich jemals etwas gefragt», erklärte Wyman sein ungewolltes Image im Interview der «Variety». Schliesslich hätten alle lieber mit seinen Bandkollegen gesprochen. Am 24. Oktober wird der Musiker 85 Jahre alt.
Die Tantiemen reichen nicht
Von den Erfolgen seiner Ex-Band profitiert Wyman seinen Aussagen nach kaum noch. «Ich kann gut leben, aber ich kann mich nicht auf die Stones-Tantiemen verlassen, um davon zu leben», sagte er dem «Telegraph». «Ich muss arbeiten und bin nicht in derselben Liga wie die Jungs, die dabei geblieben sind.» Dafür kam sein Abschied offenbar zu früh. «Das grosse Geld war noch nicht da», erklärte er 2008. Ausserdem wird er nur bei zwei Songs als Songwriter gelistet, obwohl nach seiner Aussage auch das Riff von «Jumpin' Jack Flash» von ihm stammt. Seit den 90er Jahren musiziert er mit seiner Band Bill Wyman's Rhythm Kings.
Wyman wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. 1936 wird er in Lewisham, einem damals rauen Bezirk von London geboren. Der Vater ist Maurer, die Mutter kümmert sich um Bill und seine vier Geschwister. Schon als Kind schreibt er regelmässig Tagebuch, was ihn viele Jahre später quasi zum Archivar der Stones werden lässt. Als Kind nimmt er Klavierunterricht und lernt verschiedene Instrumente. Während seines Wehrdienstes auf dem Fliegerhorst in Oldenburg entdeckt er seine Leidenschaft für den Rock'n'Roll. 1962 spielt er bei den Stones vor.
Er hatte viele Affären
Als er der Band als mit Abstand ältestes Mitglied beitritt, lautet sein Name noch William George Perks. Er ändert ihn zwei Jahre später in Wyman. Der Bassist ist bereits verheiratet und hat einen Sohn. Damit ist Wyman, der anschliessend 31 Jahre mit Schlagzeuger Charlie Watts den Rhythmus der Stones bestimmt, fast zu bürgerlich für die wilden Jungs aus Chelsea. Das ändert sich später allerdings.
Mit Alkohol und Drogen hält sich Wyman im Vergleich zu Jagger und Richards zwar zurück, dafür aber nicht mit Frauengeschichten. In den ersten zwei Jahren, nachdem die Stones berühmt wurden, will er schon mit Hunderten Frauen geschlafen haben. Kein Wunder, dass seine erste Ehe bald zerbricht.
1989 heiratet Wyman erneut und macht damit ein besonders unrühmliches Kapitel seines Liebeslebens öffentlich. Seine Frau Mandy Smith ist nämlich erst 18. Sie berichtet später, die Affäre habe begonnen, als sie 14 und er 48 gewesen sei. Kaum zu glauben: Die britische Presse sieht damals keinen Skandal, sondern berichtet fröhlich von einer Traumhochzeit. Die Ehe hält jedoch nur zwei Jahre. 2019 spricht Wyman in der Dokumentation «The Quiet One» von einem Fehler. Zugleich betont er: Es war Liebe, nicht Lust. Seit 1993 ist er wieder verheiratet. Mit seiner dritten Frau Suzanne hat er drei Töchter.
1993 endete die Ehe mit den Stones
Im selben Jahr endet die Ehe mit den Stones friedlich, wie Wyman gern betont. Ab und zu steht er heute noch als Gast mit den Ex-Kollegen auf der Bühne. Damals hat er die Nase voll vom Rock'n'Roll-Zirkus und der Arbeitsweise der anderen Stones. «Es gab immer so viel Druck. Das nächste Album oder die Single musste immer am besten werden», erklärte er dem «Telegraph». «Wenn wir zusammen gespielt haben, war es immer toll. Aber wenn wir auf Tour gegangen sind, mussten wir einen Monat all diese Songs proben, die wir doch schon seit 30 Jahren spielen. Mit den Rhythm Kings machen wir das alles in zwei Tagen.»
Innerlich hatte sich der fanatische Fussballfan schon vorher verabschiedet. Auf der «Urban Jungle»-Europa-Tournee 1990 soll er Zahnschmerzen vorgetäuscht haben, um angeblich nach London zum Arzt zu fliegen. Tatsächlich sah er sich im Wembleystadion das Pokalfinale seines Lieblingsvereins Crystal Palace an. Weitere Hobbys sind Fotografie und Archäologie. Der akribische Sammler und Archivar hat sogar einen eigenen Metalldetektor entwickelt, den man kaufen kann.
Bis vor kurzem betrieb der Musiker, der 2016 Prostatakrebs überstand, in London das Restaurant «Sticky Fingers» - natürlich benannt nach dem Stones-Album. In Folge der Corona-Pandemie musste es im Sommer nach 32 Jahren schliessen. Wyman hatte es 1989 als eine Art Hard Rock Café für Stones-Fans im schicken Stadtteil Kensington eröffnet. An den Wänden hing Stones-Memorabilia, aus den Boxen dröhnte Rockmusik, auf den Tellern lagen Spareribs und deftige Burger.
Als Solokünstler und mit den Rhythm Kings hat Wyman, der im Londoner Stadtteil Chelsea lebt, ein gutes Dutzend Alben veröffentlicht. Zudem brachte er mehrere Bücher und Fotobände heraus. Die Rolling Stones bleiben aber fester Bestandteil seines Lebens. «Bill Wyman - Ex-Bassist der Rolling Stones» heisst es auch auf seiner Website.
Im vergangenen Jahr versteigerte er aus seiner persönlichen Sammlung viele Stones-Erinnerungsstücke, darunter neben Bassgitarre und Verstärker einen Polsterbezug für Toilettendeckel mit dem berühmten Zungen-Logo, der für umgerechnet knapp 1000 Euro verkauft wurde. Den Gesamterlös der Auktion in Millionenhöhe kassierte Wyman nicht selbst, sondern spendete ihn für wohltätige Zwecke. Er scheint also auch ohne die Rolling-Stones-Tantiemen ganz gut auszukommen.