GPS-Daten lassen Kunstwerke am Himmel entstehen
Kreative schaffen am Himmel luftige Kunstwerke, die sich aber nicht jedem sofort erschliessen. Per Radaraufzeichnung senden Piloten mit ihrer «Flugkunst» Grüsse oder Liebeserklärungen.
Das Wichtigste in Kürze
- Spritzen, Tannenbäume, Kängurus - die neuen Himmelsstürmer malen nicht mit Pinsel und Farben, sondern mit ihren Flugzeugen.
Die jüngsten Kunstwerke entstanden zum Valentinstag: Herzen über Ostfriesland und dem nahe gelegenen niederländischen Städtchen Kortrijk.
Es sind Piloten-Grüsse, die nicht jeder sofort sehen kann: Möglich macht es die moderne Tracking-Technologie, mit denen Online-Anbieter wie Flightradar24 die Verfolgung der Flugbewegungen von Jets und Propellermaschinen am Himmel ermöglichen.
Schleppten früher mal kleine Flugzeuge Banner mit Werbebotschaften am Himmel, so ist diesmal der Weg die Botschaft. Der Weg ist nicht mehr nur das Ziel - sondern auch eine neue Kunstform, die auch Radler, etwa über die App Strava, nutzen, um per GPS-Technik Routenbilder «zu malen».
«Es gab am Himmel lange Zeit nicht allzu viel Neues mehr - ein bisschen Bannerschlepp, das war's», sagt der deutsche Kunstflugpilot Tim Tibo. Er selbst ist vor zwei Jahren mit seinem «Skytexter»-Team aus Unterwössen (Bayern) angetreten, um mit den digitalen Möglichkeiten von heute die Tradition der Himmelsschreiber zu beleben. Trotz Corona-Restriktionen fiel der Start im Vorjahr positiv aus - es gab sogar am Himmel über München eine erste grosse öffentliche Kostprobe bei einem Fussballspiel von Bayern München.
Während Radarplots auch lange Zeit, nachdem sie geflogen wurden, betrachtet werden können, ist es bei den Himmelsschreibern anders: «Wenn aus dem Nichts am blauen Himmel eine Schrift entsteht, kann man nicht mehr wegschauen, bis die Nachricht zu Ende geschrieben ist», schwärmt Tibo von seinen luftigen Kunstwerken.
Die Himmelsstürmer vom Team «Skytexter» können mit einem Rauchsystem am Rumpf ihrer Kleinflugzeuge Buchstaben an den Himmel zaubern - atemberaubende Showeinlagen für die Zuschauer am Boden inklusive. Geschäftsführer Tibo sieht die Kunst seines Teams daher im krassen Gegensatz zur Radar-Malerei - «die zudem ja auch gefaked sein kann».
Von einer regelrechten Tradition spricht der Online-Dienstleister Flightradar24 bei dieser Kunstform bereits: «Piloten haben immer nach Möglichkeiten gesucht, um fürs Sammeln von Flugstunden oder auch das Testen neuer Instrumente und Technologien spannendere Wege zu finden als immer nur stundenlang im Kreis zu fliegen», schreibt er. Für den bisherigen Höhepunkt hält er «das weltweit grösste Selbstporträt eines Flugzeugs» im August 2017. Damals flog eine einsame Boeing 787 über den USA ihre Runden, um die Eignung neuer Triebwerke für zweistrahlige Transatlantikflüge zu testen.
Als Trendsetter gilt jedoch ein unbekannter deutscher Pilot, der auf dem Weg nach Helgoland mit einem einmotorigen Robin-Propellerflieger am niedersächsischen Himmel ein grosses Transportflugzeug «malte» - und auf dem Rückflug sogar mit seinen Initialen signierte: Schreibübungen der besonderen Art am Himmel.
Bereits zuvor hatte er sich an anderen Symbolen versucht - etwa einer Liebeserklärung in Form eines Herzens über der Elbe, querab von Uetersen. Für Bremervörde gab es per Flugroutenaufzeichnung sogar ein in die Luft gemaltes Blumen-Muster, danach bereicherte der Radar-Schriftzug «Hello» das Portfolio des Pilotenkünstlers. Es sind genau berechnete Flugbilder, die dank GPS-Technik am Himmel abgeflogen werden.
Das Beispiel des Stader Piloten fand zahlreiche Nachahmer weltweit. Selbst Airlines wie die australische Quantas machten mit: Sie verabschiedete ihren letzten Jumbo-Jet mit einer Känguruh-Flugroute auf dem Radarbild.
Ob in den USA oder in Europa: Piloten zeigen sich von ihrer kreativen Seite. Auch bei den Flugzeugherstellern, wo etwa Airbus-Testpiloten über Deutschlands Norden einen Weihnachtsbaum auf den Radar zauberten. Als zwei Mitarbeiter der Airline Malta Air heirateten, zeichneten Mitarbeiter der Gesellschaft mit ihren vom Radar aufgezeichneten Flugrouten zwei Herzen in den Himmel.
Kurz vor Weihnachten flog dann der 20-jährige Pilot einer einmotorigen Katana über Süddeutschland die Silhouette einer 70 Kilometer langen Spritze in den Himmel. Sie sollte die Ankunft der ersten Covid-19-Impfdosen würdigen.