Johano Strasser wird 80 Jahre alt
Habilitiert als Politologe, bekannt als Querdenker, gefragt als kritischer Geist: Johano Strasser sieht trotz aller Krisen einige hoffnungsvolle Entwicklungen in der Welt. Nun wird der Publizist 80 Jahre alt.
Das Wichtigste in Kürze
- In den 1960ern schmähten ihn Gegner als «Bürgerschreck», als Vordenker prägte er in den 1970ern die Jusos, als Publizist und Schriftsteller stritt er für humanistische Ideale.
Auch zu seinem 80. Geburtstag bewegen Johano Strasser Fragen der Zukunft - und die betrachtet er keineswegs pessimistisch: Er freut sich über den zivilen Ungehorsam der Schüler, die für die Klimademos auch Regeln brechen und Schule schwänzen.
Er setzt auf mehr Einfluss der Frauen in der Welt. Noch immer sieht er Perspektiven für «seine» SPD. Und er fürchtet trotz Internets und E-Books kein Ende des gedruckten Buches.
Am 1. Mai wird der langjährige Präsident des deutschen PEN-Zentrums, der mit seiner Frau in Berg am Starnberger See lebt, 80 Jahre alt. Feiern will er im engen Familienkreis, in Frankreich.
Strasser, 1939 im niederländischen Leeuwarden geboren, stammt aus einer kosmopolitischen Familie. Sein Vater, Sohn einer Französin und eines Österreichers, und seine niederländische Mutter lernten sich auf einem Esperanto-Kongress kennen. Sie tauften den Sohn nach der Schreibweise der Kunstsprache, die erfunden wurde, um die Völker zu einen.
Demokratie, Humanismus und Ökologie beschäftigen Strasser zeitlebens. Gelegentlich habe er bei Vorträgen in Schulen die Jugendlichen, wenn es auf politische Fragen kam, «angestachelt, sich selbst zu kümmern - denn sie müssen es ja ausbaden, was jetzt versäumt wird». Viel Erfolg habe er damit nicht gehabt. Um so mehr sieht er die «Fridays for Future» als hoffnungsvolle Wende.
«Ich bin sehr, sehr froh, dass jetzt die jungen Leute an diesen Freitagen auf die Strasse gehen und sehr deutlich machen, dass in ihrem Interesse Wandel notwendig ist. Denn so, wie die Richtung unseres Fortschritts jetzt läuft, wird die Welt in einer absehbaren Zeit ein nicht sehr angenehmer Ort sein», sagt Strasser, der in den 1960er Jahren selbst gegen das Establishment auf die Strasse ging.
Noch wichtiger als der Freitagsprotest ist für ihn die Frauenbewegung - die «wichtigste Bewegung weltweit»: «Ich glaube, dass in Asien, in Afrika und in Lateinamerika nahezu alles davon abhängt, ob die Frauen sich stärker engagieren.» Frauen zeigten sich weltweit als «Träger der Erneuerung, Träger der demokratischen Entwicklung und des sozialen Zusammenhalts».
Dass vielerorts die Rechten erstarken und deren Protagonisten an der Spitze von Staaten stehen, macht ihm nur bedingt Sorgen. «Man darf nicht vorschnell einen globalen Trend sehen.» Es habe solche Strömungen immer gegeben. In Deutschland hätten noch bei jeder Pegida-Kundgebung mehr Menschen dagegen demonstriert.
Strasser sieht kein Ende der grossen Volksparteien - trotz steter Stimmenverluste. Die SPD müsse wieder eine Fortschrittspartei werden, sagt Strasser, der in der SPD-Grundwertekommission sitzt. «Die SPD muss endlich begreifen, dass das Soziale und Ökologische eng zusammengehören.»
1967 Strasser promovierte in Philosophie und habilitierte sich 1977 in Politologie. In Gesellschaft und Politik mischte er sich als Redakteur und Mitherausgeber der politisch-literarischen Zeitschrift «L'80» von 1980 bis 1988 ein, damals arbeitete er unter anderem mit Heinrich Böll und Günter Grass zusammen.
Er veröffentlichte zahlreiche Schriften und Romane; 2007 erschien seine Autobiografie «Als wir noch Götter waren im Mai». Seine jüngste Veröffentlichung, das 50-seitige Gedicht «Der Wind», hat er vielfach von Bluesmusikern begleitet vortragen - und er plant mit dem Schauspieler Helmfried von Lüttichau, bekannt aus der ARD-Serie «Hubert und Staller», demnächst einen weiteren Robert-Gernhardt-Abend. Titel: «Strasser und Staller».
Sein Hauptengagement aber gilt verfolgten Schriftstellern aus aller Welt. Über ein Stipendien-Programm des PEN könnten ihnen Wohnungen in mehreren Städten angeboten werden. «Wenn wir sie frei bekommen - das gelingt gelegentlich mit diplomatischer Hilfe - dann können wir ihnen die Möglichkeit geben, als Schriftsteller hier zu leben.» Gerade diese Arbeit ist ihm eine Herzensangelegenheit: «Die Betreuung dieser Menschen ist eine unglaubliche Bereicherung für uns selbst.»