«Kopfplatzen»: Max Riemelt in höchst mutiger Rolle
In dem Film «Kopfplatzen» übernimmt der Schauspieler Max Riemelt eine mutige Rolle. Der Streifen behandelt ein schwieriges Thema.

Das Wichtigste in Kürze
- «Kopfplatzen» nimmt sich eines schwierigen Themas an: Es geht um Pädophilie.
Anders als in vielen Kinowerken zum Thema aber, geht es hier fast ausnahmslos um die Gefühlswelt des Pädophilen selbst, kaum um potenzielle Missbrauchsopfer.
Die von Max Riemelt («Freier Fall», «Die Welle») mit so reduzierten wie zugleich sehr eindringlichen darstellerischen Mitteln verkörperte Hauptfigur ringt über die gesamte Länge des Dramas mit ihrer Sexualität.
Markus ist ein allein stehender Endzwanziger, attraktiv, Architekt, seine Wohnung stilvoll eingerichtet. Markus aber, das verbirgt der Film keine Minute lang, Markus steht auf kleine Jungen: Eine riesige Regalschublade hat er, randvoll gefüllt mit selbst aufgenommenen Bildern teils leicht bekleideter Jungen. Er schaut sich nicht nur regelmässig im Netz entsprechende Filme an, im Hallenbad fotografiert er Jungs in Badehose. Markus hat keine Freundin, vermittelt nach Aussen aber den Eindruck, in einer durchschnittlichen Heterobeziehung zu stecken. Dann lernt er eine neu hinzugezogene Nachbarin kennen. Markus interessiert sich allerdings nicht für Jessica. Seine Blicke gelten ihrem Sohn, dem achtjährigen Arthur.
Für Angehörige von Missbrauchsopfern oder direkt Betroffene dürfte manch ein Moment in diesem beeindruckenden Spielfilmdebüt von Regisseur Savaş Ceviz schier unerträglich sein. Auch als Nicht-Betroffener ist man zuweilen geneigt, den Blick abzuwenden: wenn der Architekt vor dem Computer onaniert, er beim gemeinsamen Baden Arthur einseift. Es kommt zu keinem wirklichen Übergriff in diesem Film. Immer wieder aber steht Markus, der zunächst beim Hausarzt, dann beim Therapeuten Hilfe sucht, kurz davor.
Grossartig, wie der 36-jährige Riemelt den Kampf, den Markus in seinem Kopf auszutragen hat, mit knappen Gesten auf die Leinwand bringt. Regisseur Ceviz gelingt es, Mitleid, ja Sympathie für Markus zu erzeugen, ohne die Schwere eines möglichen Missbrauchs je auch nur ansatzweise zu verharmlosen. «Was soll das heissen», fragt Markus seinen Therapeuten voller Verzweiflung, «dass ich ein Leben lang keinen Sex habe?». Riemelts Figur scheint innerlich zu kollabieren in diesem Augenblick der Erkenntnis. Derweil nimmt man als Zuseher eine weitere Kurve in dieser Achterbahn von einem Film. Es ist diese Ambivalenz, die «Kopfplatzen» trägt, das Werk so schwer erträglich und auf besondere Art mutig macht.
Kopfplatzen, Deutschland 2019, 99 Min., FSK ab 16, von Savaş Ceviz, mit Max Riemelt, Oskar Netzel, Isabell Gerschke