Kreuzfahrtschiffe und kein Ende in Venedig
Kritiker sehen sich bestätigt: Kreuzfahrtschiffe haben in der Lagune in Venedig nichts zu suchen. Nach einem Schiffsunfall wird in Italien wieder heftig diskutiert. Doch es gibt Zweifel, dass sich etwas ändern wird.
Das Wichtigste in Kürze
- Früher oder später musste es passieren.
Ein Unglück mit einem Kreuzfahrtschiff. In Venedig. Vor atemberaubender Kulisse. Die Stadt ist knapp an einer Katastrophe vorbeigeschrammt, als am Sonntag ein 275 Meter langes Schiff unkontrolliert in eine Anlegestelle und ein Touristenboot donnerte.
Vier Menschen wurden verletzt. Der Unfall hat eine erbitterte Debatte über die Riesenschiffe in einer der bedeutendsten Kulturerbestätten der Welt neu entfacht. Am Montag sind die Rufe nach einem Bann der Riesen aus der Lagune nicht verstummt, im Gegenteil.
Von «Schiffen ausser Kontrolle» und einer «Wunde im Herzen von Venedig» ist am Montag in Italien zu lesen - und von einer «Prophezeiung»: Nicht mal einen Monat ist es her, dass der britische Street-Art-Künstler Banksy mit einem Kunstwerk ein Schlaglicht auf die Kreuzfahrtschiffe in Venedig warf. Seine Kritik in Form mehrerer Gemälde, die sich zu einem Kreuzfahrtschiff zusammensetzen, erregte weltweit Aufsehen.
Die Kolosse inmitten der fragilen Lagune sind Dauerstreitthema. Venedig lebt vom Tourismus und die Kreuzfahrtschiffe tragen einen wichtigen Teil dazu bei. Im vergangenen Jahr brachten sie mehr als 1,5 Millionen Reisende in die Stadt. Gleichzeitig sind die Schiffe, die sich gefährlich nah an den Häusern vorbeischieben, ein enormes Risiko für das ökologische Gleichgewicht in der Lagune und für die historischen Gebäude. Der Vorfall am Sonntag beweist das. Unternehmer dagegen sehen ihr Geschäft in Gefahr.
Ein Aus für die Kreuzfahrtschiffe kam erstmals 2012 nach dem tödlichen Unglück mit der «Costa Concordia» auf den Tisch. Das Schiff hatte damals nahe der Insel Giglio einen Felsen gerammt und war auf die Seite gekippt. Noch immer streiten Politiker auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene, welche alternativen Wege besonders grosse Kreuzfahrtschiffe in Venedig abseits der spektakulären Route nehmen könnten. Eine mögliche Anlegestelle ist die Industriegegend Marghera. Andere Vorschläge sehen Offshore-Anlegestellen ausserhalb der Lagune vor.
Doch in sieben Jahren und fünf Regierungen habe es «nur Worte und null Fakten» gegeben, klagte die Tageszeitung «La Repubblica» am Montag. Transportminister Danilo Toninelli ist bemüht, Tatendrang zu zeigen. Bis Ende Juni will er ein Projekt präsentieren, das langfristig die grossen Schiffe aus der Lagune verbannen soll. Auch werde an einer provisorischen Lösung gearbeitet, «die einige Monate braucht, um sie einzusetzen», sagte er «La Stampa».
Doch Bürgermeister Luigi Brugnaro und Regionalpräsident Luca Zaia machen den Minister dafür verantwortlich, einen 2017 aufgestellten Plan zu behindern, der die Schiffe aus dem Giudecca-Kanal verbannen soll - aus dem Kanal, wo das Unglück passierte. Der Unfall sei nun der Beweis dafür, was passiere, wenn es keinen Willen zum Handeln gebe, kritisierte Brugnaro im «Corriere della Sera». «Wir wollen jetzt eine Lösung» - nicht in zehn Jahren, sagte er.
Nach dem Unfall sind die Gemüter erhitzt - nicht auszumalen, was alles hätte passieren können. Die «MSC Opera», die am Sonntag nach Angaben der Kreuzfahrtgesellschaft MSC Cruises ein technisches Problem hatte, ist längst nicht das grösste Schiff, das den Giudecca-Kanal passieren kann. Gegen die Kreuzfahrtschiffe wirken die Fähren, Taxi-Boote und die noch kleineren Gondeln wie Spielzeug.
«Wir sind alle sauer über diese Industrie, auf die diese Stadt nicht angewiesen ist», sagt Giuseppe Tattara, der sich beim Komitee Nograndinavi engagiert, das für den kompletten Bann der Kreuzfahrtschiffe in der Lagune kämpft. Er wohnt nicht weit entfernt von der Unfallstelle, habe den Lärm gehört und die Verletzten gesehen. Das Unglück könne nun vielleicht die Suche nach einer provisorischen Lösung für die Kreuzfahrtschiffe beschleunigen, sagt Tattara. Den einzig denkbaren Weg, den man sofort realisieren könnte, wäre aber die Schliessung der Lagune - und die Umleitung in grössere Häfen wie Triest. Dass diese Forderung durchkommt, hält aber selbst Tattara nicht für realistisch. «Es wird also alles so weitergehen wie bisher.»