«Lindenberg! Mach dein Ding»: Udos Anfänge als Künstler

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Deutschland,

Von Gronau nach St. Pauli: Udo Lindenbergs erste Schritte gen Show-Business stehen im Fokus einer Rockbiografie von Hermine Huntgeburth, die mit manch ernstem Moment überrascht und mit viel guter Musik unterhält.

Jan Bülow spielt die Hauptrolle im Biopic über Udo Lindenberg. Foto: Gordon Timpen/DCM/dpa
Jan Bülow spielt die Hauptrolle im Biopic über Udo Lindenberg. Foto: Gordon Timpen/DCM/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Zum Jahreswechsel veröffentlichte «Die Zeit» ein Interview mit Roland Kaiser, in dem der Schlager-Sänger auch von den Jahren spricht, «in denen die junge Generation keine deutschsprachige Musik gehört hat.

Aber das hat sich komplett gewandelt...».

Dass heute Deutsch als Medium auch im Rock und Pop und nicht nur im Schlagerbereich ziemlich selbstverständlich ist, liegt auch an einem Musiker wie Udo Lindenberg und seinen Songs wie «Andrea Doria», «Cello», «Daumen im Wind» und «Durch die schweren Zeiten». Dass Lindenbergs Absicht, auf Deutsch zu singen, zu Beginn seiner Karriere aber kaum auf Gegenliebe stiess - Deutsch galt als Sprache der Täter, der Nazis -, auch davon berichtet Hermine Huntgeburth in ihrer bewegenden, filmischen Rockbiografie «Lindenberg! Mach dein Ding».

Für diese ziemlich prominent besetzte Entstehungsgeschichte eines deutschen Rock-Mythos gewann sie Jan Bülow für die Hauptrolle sowie Charly Hübner, Detlev Buck, Julia Jentsch, Max von der Groeben und Ruby O. Fee. Regisseurin Huntgeburth («Die weisse Massai») fokussiert in 135 Minuten auf Lindenbergs westfälische Herkunft, erste Auftritte, Rückschläge und erste Hits.

«Es ist ganz wichtig, dass du eine Sache ganz schnell kapierst», bläut Udos Vater ihm in diesem Film ein, «wir Lindenbergs werden Klempner und sonst nichts!». Zu seinem Geburtstag aber, wir schreiben die frühen 50er Jahre und befinden uns in der westdeutschen Provinz, bekommt der kleine Udo dann doch von eben diesem, viel zu häufig besoffenen und nicht immer sonderlich einfühlsamen Vater ein goldenes Schlagzeug. Darauf übt Udo fortan fleissig.

Regisseurin Huntgeburth findet hübsche, wunderbar ausgestattete Bilder für Udos Schwärmerei für eine ältere Turmspringerin und für den erdrückenden und doch anheimelnden Alltag in Gronau, Westfalen (manch Film-Bild erinnert an «Der Junge muss an die frische Luft», dessen famoser Hauptdarsteller Julius Weckauf auch hier mitspielt). Sie zeigt uns wie schnell Lindenberg eine Kellnerlehre an den Nagel hängt, erzählt von missratenen Auftritten vor US-Truppen in Libyen, nimmt uns schliesslich mit nach Hamburg, St. Pauli, wo die Karriere des Udo Lindenberg mehr schleppend denn flott in die Gänge kommt.

Immer wieder geht es um die deutsche Sprache, die nicht popkompatibel sei und zudem die Sprache der Täter. Hin und her gerissen zwischen Selbstzweifeln und Grössenwahn («Ich bin Udo, das nächste grosse Ding!») gerät er schliesslich an einen, leicht überzeichneten, Plattenmanager (Buck). Die erste Single erscheint, noch auf Englisch.

Erfrischend an diesem Film, ja ein wenig unerwartet ist, dass er uns nicht den Udo der Jetztzeit präsentiert, den ewig coolen, den ewig vor sich hin nuschelnden, den so unendlich sympathischen wie nie ganz durchschaubaren Udo. Dieses Gesamtkunstwerk ist hinlänglich bekannt, die Sonnenbrille, die Hüte, die ganzen Storys rund um Udos Leben im Hotel. In den vergangenen Jahren scheint die Udo-Manie, die Udo-Verehrung noch zugenommen zu haben, man denke an das eindringliche Buch von Benjamin von Stuckrad-Barre («Panikherz»), das ja in Teilen auch ein Udo-Buch ist.

Gut aber, dass Regisseurin Huntgeburth so weit zurückblickt, uns einen noch gänzlich unfertigen, einen immer wieder unsicher, ja kindlich agierenden Künstler zeigt. Einen Künstler nicht nur, der sich immens schwer damit tut, sich von seinem dominanten Vater zu emanzipieren. Einen Künstler vielmehr, der durchaus bereit ist, fragwürdige Kompromisse einzugehen und auch mal willens, Bekanntschaften zu instrumentalisieren, auszunutzen. Der aber, und das bringt Jan Bülow mit seinem verpeilt-traurigen, immer etwas verhangenen Hundeblick auch wunderbar zum Ausdruck, als angehender Rockstar trotz allem sein Herz stets auf dem rechten Platz trägt.

Nein, «Lindenberg! Mach dein Ding» ist kein deutsches «Walk the Line» (die Johnny Cash-Biografie mit Joaquin Phoenix gehört zu den stärksten, einem Musiker gewidmeten Biopics der zurückliegenden 25 Jahre). «Lindenberg» aber ist unterhaltend, wartet mit überraschend vielen traurig-ernsten Momenten auf und ist gut besetzt - zu nennen sind etwa auch: Lindenbergs erste grosse Liebe, verkörpert von der tollen Ella Rumpf («Gut gegen Nordwind») sowie das legendäre, von Lindenberg so eindringlich besungene «Mädchen aus Ost-Berlin», hier dargestellt von einer starken Saskia Rosendahl («Werk ohne Autor»).

Darüber hinaus erzählt der Film ziemlich überzeugend von der wirklich sehr beeindruckenden Fähigkeit eines Menschen, eines Künstlers, sich gegen alle Widerstände, gegen alle Wahrscheinlichkeit und auch alle Einwände durchzusetzen, sich als wandelndes Gesamtkunstwerk zu etablieren. Von der mutigen Absicht auch, von Gronau aus, wenn vielleicht nicht die ganze Welt, so doch ganz Deutschland zu erobern. Wirklich berührend ist schliesslich der Schluss: Über 130 Filmminuten war Jan Bülow (ein ziemlich überzeugender) Udo - für einen kurzen Moment aber ist nun der echte Lindenberg zu sehen: Mit einem Auftritt, der dazu angetan ist, nicht nur Fans Tränen der Rührung in die Augen zu treiben.

- Lindenberg! Mach dein Ding, Deutschland 2019, 135 Min., FSK ab 12, von Hermine Huntgeburth, mit Jan Bülow, Detlev Buck, Max von der Groeben

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