Die #MeToo-Bewegung hat ein Aus der Bikini-Runden bei «Miss America» und «Miss Germany» gebracht. Der deutsche Schönheitswettbewerb geht nun noch weiter. Um sich zu qualifizieren, müssen junge Frauen nicht mehr auf den Laufsteg. Das Äussere alleine soll nicht entscheiden.
2018 mussten die Kandidatinnen sich noch live qualifizieren (Archivbild). Foto: Sebastian Gollnow
2018 mussten die Kandidatinnen sich noch live qualifizieren (Archivbild). Foto: Sebastian Gollnow - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Schaulaufen auf Stöckelschuhen bekommt weniger Bedeutung, Vorstellungsrunden im Bikini gehören der Vergangenheit an.
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«Miss Germany», laut Veranstalter der älteste und bedeutendste Schönheitswettbewerb in Deutschland, verlässt den Laufsteg und sucht künftig digital nach jungen Frauen.

Statt sich einer Jury zu präsentieren und das Äussere zu betonen, sollen Kandidatinnen künftig per Video und Social Media ihre Persönlichkeit zur Schau stellen. Eine Folge der #MeToo-Bewegung. Und ein Gegenentwurf zu Heidi Klums «Germany’s Next Topmodel», sagen die Veranstalter.

«In der bisherigen Form war die Veranstaltung nicht mehr zeitgemäss», sagt Organisator Max Klemmer (24) am Donnerstag in Rust bei Freiburg der Deutschen Presse-Agentur. «Miss Germany» gibt es seit 1927, der Ablauf hat sich seither in den mehr als 90 Jahren kaum verändert: Junge Frauen qualifizierten sich bei regionalen Wahlen auf Städte-, Regional- und Bundesländerebene. In Einkaufszentren, Hotels und früher auch in Diskotheken stellten sie sich auf dem Laufsteg dem Publikum und einer überwiegend männlichen und oft auch älteren Jury.

Im Wesentlichen wurden die Frauen nach ihrem Aussehen beurteilt, so wie bei anderen Schönheitswettbewerben auch. Dies stiess immer auf Kritik. «Solche Schönheitswettbewerbe sind sexistisch hoch 10», sagt die Soziologin und Geschlechterforscherin Nina Degele von der Universität Freiburg. Frauen würden auf ihr Äusseres und ihre Rolle als «schmückendes Beiwerk» reduziert. Auch die #MeToo-Bewegung sorgte zuletzt dafür, dass Frauenbilder hinterfragt wurden.

«Miss Germany» will nun neue Wege gehen und kooperiert hierfür mit dem Verlag Bauer Media Group («Closer», «Cosmopolitan», «Bravo», «inTouch».) Regionale Vorwahlen auf dem Laufsteg wird es nicht mehr geben, sagt Klemmer. Junge Frauen, die «Miss Germany» werden wollen, könnten sich nun über Social Media und Videopräsentationen bewerben. Influencer sollen die jungen Frauen dabei begleiten. Dabei gehe es um die Persönlichkeit, den Charakter und die Lebensgeschichte der Frauen - und nicht mehr vorrangig um ihr Aussehen.

Bis Ende August laufe diese Bewerbungsphase, die Resonanz sei positiv. Klemmer rechnet deutschlandweit mit mehr als 5000 Bewerberinnen. 16 von ihnen werden es ins Finale schaffen. Dort beschreiten sie dann erstmals den Laufsteg. Fragerunden und Videoporträts der Kandidatinnen sollen dort dann aber im Mittelpunkt stehen. Gewählt wird die «Miss Germany» mit dem neuen Konzept am 15. Februar kommenden Jahres im Europa-Park in Rust bei Freiburg.

Eine wesentliche Änderung hat es bereits in diesem Jahr gegeben. Die Vorstellungsrunde im Bikini oder anderer Bademode wurde ersatzlos gestrichen. Sie soll es auch künftig nicht mehr geben, sagt Klemmer. Ausserdem können im nächsten Jahr neben einer Jury erstmals auch Publikum und Online-Zuschauer abstimmen. «Miss Germany» werde damit komplett neu aufgestellt - und ein Model-Contest fürs digitale Zeitalter. Die Siegerin darf dann auf das Titelbild einer Modezeitschrift.

Um ein anderes Frauenbild in der Öffentlichkeit geht es bei den Neuerungen nicht alleine, sagt Klemmer. Das Rollenverständnis habe sich mit der Zeit verändert. «Junge Frauen von heute sind in einer anderen Lebenswelt unterwegs als früher. Sie kommunizieren, vernetzen sich und präsentieren sich bei Social Media als eigenständige und selbstbewusste Persönlichkeiten.» Der Schönheitswettbewerb reagiere darauf und nähere sich dieser Lebenswelt an - auch aus eigenem Interesse. Ein paar Minuten auf dem Laufsteg reichten heute nicht mehr aus, um junge Frauen für einen Wettbewerb zu gewinnen.

Die Polizistin Nadine Berneis (29) ist amtierende «Miss Germany». Der Wettbewerb entwickle sich weg von einer reinen Fleischbeschau, sagt sie. Die Persönlichkeit der Kandidatinnen sei immer mehr gefragt. «Wenn das nicht so wäre, hätte ich mich auch gar nicht beworben.»

Vor «Miss Germany» hatte 2018 bereits der US-Schönheitswettbewerb «Miss America» auf die Bikini-Runde verzichtet. Andere, wie etwa die Veranstalter der «Miss Deutschland», halten daran noch fest.

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