«Nicht mal Hallo oder Tschüss» - Alltag an der Kasse

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Deutschland,

Sie behalten die Nerven, auch wenn Kunden lieber ins Handy quatschen, trödeln oder ausfallend werden. Sonja, Miguel und Katharina arbeiten als Verkäufer. Die «37 Grad»-Reportage zeigt ihren Alltag.

Miguel leidet in seinem Job besonders unter den unfreundlichen Kunden. Foto: Tina Radke-Gerlach/ZDF/dpa
Miguel leidet in seinem Job besonders unter den unfreundlichen Kunden. Foto: Tina Radke-Gerlach/ZDF/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Tausende Artikel zieht Miguel an einem Tag im Supermarkt über den Scanner an der Kasse.

Bis zu 8000, schätzt der 20-Jährige.

Wenn viel los ist, fertigt er auch mal 900 Kunden an einem Tag ab - und jeden fragt er nach Kassenzettel und Kundenkarte, das stete «piep, piep, piep» des Scanners im Ohr. Wertschätzung bekommt er dafür nicht gerade: «Es gibt viele Kunden, die schaffen es nicht mal, Hallo oder Tschüss zu sagen, die haben so gar keine Anstandsformen», erzählt er.

Dazwischen füllt er in dem Laden in Leipzig das Gemüse auf, räumt die Flaschen aus dem Leergut-Automaten in Kästen ein, bereitet Snacks vor. Die ZDF-Reportage «Da kannst du einpacken - Verkäufer*innen im Einsatz» (Dienstag, 14. Dezember, 22.15 Uhr) aus der Reihe «37 Grad» zeigt den Alltag von den Menschen, denen zu verdanken ist, dass die Regale und Auslagen gut gefüllt sind und die Kundschaft gut beraten wird.

Katharina ist in einem Modehaus in Fulda acht Stunden pro Arbeitstag auf den Beinen. Sich hinzusetzen und die Beine auszuruhen, ist nicht erlaubt. «Am Tag kommen manchmal zehn, elf, zwölf Kilometer zusammen, dann ist das schon ein kleines Work-out, was man da täglich ablegt», sagt die 22-Jährige. Mit Kundinnen sucht sie nach dem passenden Kleid für die nächste Feier. «Das Schönste an meinem Beruf ist, glaub ich, Frauen glücklich zu machen.» Mode ist ihre Passion.

Trotzdem: «Man wird oftmals abgestempelt, ach, die Verkäuferin, die kann eh nichts», beschreibt sie. «Ich hab mich früher wie ein Mensch zweiter Klasse gefühlt, in meiner Ausbildung.» Heute aber sei sie überzeugt: «Mein Job ist genauso wichtig wie jeder andere.» Auch wenn am Ende des Monats nur 1300 Euro auf ihrem Konto eingehen. Dazu kommt ein Bonus, wenn Katharina einen bestimmten Umsatz erzielt. Um zu sparen, lebt sie weiter bei ihren Eltern.

Für Bäckereifachverkäuferin Sonja und ihren Sohn ist bei 1200 Euro kein Urlaub drin. Die alleinerziehende Mutter aus Wiesbaden hat ein versteiftes Sprunggelenk, leidet unter Arthrose und hat oft Schmerzen. Trotzdem öffnet die 46-Jährige morgens pünktlich um halb sieben die Bäckerei, legt ein Brot nach dem anderen in die Auslage, geht beim Einräumen in die Knie, kehrt den Boden.

Was auch sie ärgert: «Man wird nicht mehr so respektvoll behandelt. Die Leute gehen rein, kaufen ihre Sachen, stehen manchmal auch am Handy vor einem, telefonieren, das war früher sehr anders - dass die Leute einfach auch mal mit einem gesprochen haben.» Stattdessen bekommt sie von manchen das Gefühl vermittelt, «ein Mensch zweiter Klasse» zu sein. «Aber für mich ist das ein sehr, sehr schöner Beruf», sagt Sonja.

Die Doku gibt einen einfühlsamen Einblick in das Leben der drei Verkäufer. So unterschiedlich die Produkte sind, mit denen sie täglich zu tun haben, so sehr ähneln sich doch finanzielle Sorgen und der Frust über unfreundliche oder gedankenlose Kunden. Der Film von Tina Radke-Gerlach führt so auch vor Augen, was jeder einzelne durch sein Verhalten auslösen kann. Für Miguel ist schon jetzt klar: «Ich weiss selber, dass ich den Beruf nicht immer machen werde, weil er einfach viel zu anstrengend ist, und einfach mit der Psyche zu viel macht. Und das ist zu wenig Geld.»

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