Später Nobel-Triumph für zornigen Peter Handke

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Österreich,

Handke polarisiert seit Jahrzehnten mit seinen Werken und sorgte mit seiner Pro-Serbien-Haltung immer wieder für Kopfschütteln und Proteste. Der Literaturnobelpreis 2019 geht an einen zornigen Autor.

Peter Handke auf dem Grundstück seines Hauses in Chaville bei Paris. Foto: Francois Mori/AP/dpa
Peter Handke auf dem Grundstück seines Hauses in Chaville bei Paris. Foto: Francois Mori/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Zorn findet Peter Handke besser als Wut.

Zorn wecke die kreativen Geister, Wut liesse sie nur kurz aufflammen, bekannte der 76-Jährige einmal in einem Interview der Wochenzeitung «Die Zeit».

Der Literaturnobelpreis 2019 ist ein später Triumph für den ebenso streitbaren wie umstrittenen Autor. Handke habe «sehr, sehr gerührt» auf die Nachricht reagiert, berichtete der Vorsitzende des Nobelkomitees der Akademie, Anders Olsson, am Donnerstag. Auf Deutsch habe er gefragt: «Ist das wahr?»

Nach dem Anruf der Akademie hat sich Handke erstmal einen vier Stunden langen Spaziergang in der Natur gegönnt. «Ich bin durch die Wälder geeiert, wie ich es eigentlich vorhatte», sagte er der österreichischen Nachrichtenagentur APA. «Es ist schon so, als ob das, was man gemacht hat, nun Licht bekommt. Auch wenn alles trügerisch ist: Es ist doch eine Art von Zusatz-Licht, das einem nur willkommen sein kann und für das man dankbar sein muss.»

Handke, 1942 in einem kleinen Ort im österreichischen Bundesland Kärnten geboren, war selbst Ziel wütender Attacken. Bei der Vergabe des Ibsen-Preises in Norwegen wurde er vor einigen Jahren von Bosniern und Albanern wüst beschimpft. Seine Kritiker haben ihm seine Haltung im Balkan-Konflikt nicht verziehen. Handke stand auf der Seite Serbiens, verurteilte die Nato für ihre Luftschläge und hielt 2006 bei der Beerdigung des jugoslawischen Ex-Diktators Slobodan Milosevic eine Rede.

2006 lehnte Handke den Heinrich-Heine-Preis ab, weil die Verleihung an ihn Diskussionen ausgelöst hatte, ob er durch seine proserbische Haltung den Preis überhaupt verdiene. Schon 1996 sorgte sein Reisebericht «Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien» für heftige Debatten.

Mit seiner poetischen Sprache und angesichts des Umfangs seines Werks ist Handke, der in der Nähe von Paris lebt, wohl der wichtigste und prominenteste lebende österreichische Schriftsteller. Über 11.400 Seiten enthält die vom Suhrkamp Verlag herausgegebene «Handke Bibliothek», in der alles enthalten ist, was er jemals in Buchform veröffentlicht hat.

Von der Üppigkeit serbischer Märkte schwärmte der oft gescholtene Handke und schrieb: «... von den «walddunklen massigen Honigtöpfen, den truthahngrossen Suppenhühnern, den andersgelben Nudelnestern oder -kronen, den oft raubtierspitzmäuligen, oft märchendicken Flussfischen weiss ich den Geschmack.»

Nach einem abgebrochenen Jura-Studium startete Handke, dessen Mutter eine Kärntner Slowenin war, mit Verve ins Autorenleben. 1966 erschien sein Debütroman «Die Hornissen». Im selben Jahr wurde er fast über Nacht bekannt: In einer Schmährede warf er dem legendären Literatenzirkel Gruppe 47 «Beschreibungsimpotenz» vor. Die einen sahen es als furiose Selbstinszenierung, andere als Beginn einer kometenhaften Karriere.

Seine Bekanntheit festigte Handke mit der Uraufführung von «Publikumsbeschimpfung» in Frankfurt. Die damals sehr elegant gekleideten Theaterbesucher wurden darin von den Schauspielern provokativ als «Glotzaugen», «Rotzlecker» und «Nichtsnutze» bezeichnet.

Mit seinen Theaterwerken - etwa mit «Kaspar», «Die Reise zum sonoren Land» oder «Untertagblues» - blieb Handke präsent. 2011 sorgte die fünfstündige Uraufführung von «Immer noch Sturm» bei den Salzburger Festspielen über den Freiheitskampf der Kärntner Slowenen für Aufsehen. Weggefährte Claus Peymann inszenierte 2016 am Wiener Burgtheater Handkes «Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstrasse». Handke, der gern mit sich und der Welt haderte, verstörte und forderte sein Publikum. Letztlich sei er jemand «aus der Kategorie Einzelgänger, eine autonome Person im Literarischen», sagte der österreichische Autor Gerhard Ruiss am Donnerstag.

Seine mehr als 20 Stücke hätten Theatergeschichte geschrieben, urteilte die Jury des österreichischen Nestroy-Preises, die ihn 2018 für sein Lebenswerk ehrte. «Du bist im wahrsten Sinn des Wortes ein Unvergleichlicher, und manchmal sind deine Texte einfach zu gross für das Theater - aber von Dauer», sagte Schauspieler Klaus Maria Brandauer in seiner Laudatio. Das Geheimnis der Schauspielkunst beschrieb Handke bei der Verleihung des Iffland-Preises an Jens Harzer so: «Es ist nicht Menschenkenntnis, sondern es ist Menschenerkenntnis im Moment des Spiels.»

Sein literarisches Schaffen wurde von Experten verfolgt, erreichte aber zuletzt kaum mehr breite Leserkreise. Für das Theater forderte Handke, es möge sich auf seine eigentlichen Stärken besinnen. «Dass man vertraut auf Sprache, auf Konfrontation, auf Rhythmus, auf Gegeneinander, auf Akzentuieren.»

Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen lobte Handke: «In einem Ton, der schnörkellos und doch einzigartig ist, lässt er uns, die Leserinnen und Leser, an seiner Welt und Sprache teilhaben», so Van der Bellen bei Twitter. «Wir haben Peter #Handke viel zu verdanken. Ich hoffe, er weiss das.» Handke polarisiert in seiner Heimat Österreich ähnlich wie Elfriede Jelinek, die 2004 den Literaturnobelpreis bekommen hatte.

Vertraut ist vielen Schülern das später von Wim Wenders verfilmte Werk «Die Angst des Tormanns beim Elfmeter» (1970) über das Schicksal eines entwurzelten Ex-Sportlers. Das Buch avancierte zum klassischen Lesestoff für Oberstufen-Schüler. 2012 nahm er im Buch «Versuch über den Stillen Ort» die Toilette zum Gegenstand philosophischer Betrachtungen.

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