Schöneberger vs. Raab: Zweimal Ersatz für den ESC

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Deutschland,

Deutschland muss sich 2020 seinen eigenen ESC basteln - der echte wurde ja abgesagt. Während die ARD die Ersatz-Show in die Hände von Barbara Schöneberger legt, vertraut ProSieben auf Stefan Raab - und lässt Spekulationen um eine Rückkehr des «Raabinators» freien Lauf.

Stefan Raab (l.) und die Barbara Schöneberger konkurrieren am Samstagabend um die Gunsst der Zuschauer. Foto: Matthias Balk/Annette Riedl/dpa
Stefan Raab (l.) und die Barbara Schöneberger konkurrieren am Samstagabend um die Gunsst der Zuschauer. Foto: Matthias Balk/Annette Riedl/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Es gab eine Zeit, in der man Stefan Raab fast alles zugetraut hätte und diese Zeit hatte viel mit dem Eurovision Song Contest zu tun.

Sie war ziemlich genau 2010.

Unter der Ägide des einstigen Metzger-Lehrlings gewann damals eine junge Frau namens Lena Meyer-Landrut den ESC - und rettete die Ehre der jahrelang chronisch gescheiterten Musiknation Deutschland. Für diesen Samstag (16. Mai) hat sich Raab wieder so eine Rettungsmission vorgenommen. Diesmal aber geht es nicht nur um ein Land - sondern gleich um den ganzen Wettbewerb. Und noch schwieriger: um das ESC-Gefühl.

Der Grund: Der Eurovision Song Contest, der an diesem Tag in Rotterdam stattfinden sollte, fällt wegen der Corona-Pandemie aus, was für alle ESC-Fans ein echter Jammer ist. Perlwein und Mettigel waren im Geiste ja schon kaltgestellt. Um den Schmerz zu lindern, nehmen am selben Tag sowohl der ESC-Sender ARD als auch ProSieben - initiiert von Raab - Ersatz ins Programm. Im Ersten wird in einem nationalen Finale ein «Sieger der Herzen» gekürt. ProSieben baut den Wettbewerb in alternativer Form nach, nennt ihn «Free European Song Contest» und spielt mit der Sehnsucht vieler Zuschauer, der echte Raab möge vor die Kamera zurückkehren. Zunächst zu den Fakten.

In der ARD-Show «Eurovision Song Contest 2020 - das deutsche Finale» (20.15 Uhr) treten zehn diesjährige ESC-Teilnehmer gegeneinander an. Drei davon werden sogar live - wenn auch vor leeren Rängen - in der Hamburger Elbphilharmonie auftreten: Ben & Tan (Dänemark), Daði Freyr og Gagnamagnið (Island) und The Roop (Litauen). Auch Ben Dolic, der - manch einer wird es nicht gewusst haben - für Deutschland ins Rennen gegangen wäre, singt sein Lied «Violent Thing». Deutschland selbst kann ihn aber nicht zum «deutschen Sieger der Herzen» wählen - das ist alte ESC-Regel. Barbara Schöneberger (46) moderiert die Show.

Im Anschluss (21.55 Uhr) zeigt das Erste dann die internationale Ersatz-Revue «Europe Shine a Light» aus dem niederländischen Hilversum, die der Florian-Silbereisen-Kollege und Klubbb3-Sänger Jan Smit mitmoderiert. Dabei werden die Künstler geehrt, denen Corona den ESC-Auftritt vermasselt hat. Ein Voting gibt es nicht.

Parallel buhlt ProSieben um die Gunst der ausgehungerten ESC-Fans. Dragqueen Conchita Wurst (31) und Steven Gätjen (47) präsentieren live aus Köln den «Free European Song Contest» (20.15 Uhr), den man aber auch Raab-Contest nennen könnte - der Name des «Raabinators», der sich 2015 vom Bildschirm zurückzog, schwebt über allem. Auch wenn er die Show zunächst mal nur produziert.

Beim «#FreeESC» gehen 15 Länder ins Rennen, vertreten von Künstlern, die einen Bezug zu der jeweiligen Nation haben. Für Italien ist das etwa Sängerin Sarah Lombardi (27). Begründung hier: Ihre Mutter sei Italienerin. Für Kasachstan singt Teenie-Idol Mike Singer (20), für Kroatien Schlagersängerin Vanessa Mai (28). Die Türkei wird von Rapper Eko Fresh zusammen mit seinem Kollegen Umut Timur vertreten, Bulgarien von Sängerin Oonagh, die Schweiz von Stefanie Heinzmann, Spanien von Nico Santos und Israel von Gil Ofarim.

Um den deutschen Beitrag soll offenbar bis zuletzt ein grosses Geheimnis gemacht werden. Stefan Raab höchstpersönlich verkündete vielsagend, es werde sich um «eine echte Legende» handeln. Seither wird gerätselt, ob Raab damit sich selbst gemeint haben könnte - was ein Comeback wäre. ProSieben war aus ersichtlichen Gründen nicht sonderlich bemüht, diese Spekulationen einzufangen. Moderator Gätjen sagte etwa: «Alles kann, nichts muss. Und wir kennen Stefan, wir wissen, er ist für Überraschungen gut.»

Am Ende soll - ganz klassisch - quer durch Europa geschaltet, um die Punkte einzusammeln. In Deutschland, Österreich und der Schweiz werden diese per Zuschauervoting vergeben. In den anderen Ländern vergibt eine Art Jury die Wertung.

Die Idee kam nach Angaben von ProSieben direkt von Raab. Er habe einfach angerufen. «König Lustig» nimmt die Sache nach eigenem Bekunden sehr ernst: «Wenn es als einzige Lösung einer Krise erscheint, aufzugeben, dann ist der beste Zeitpunkt für die Geburtsstunde von etwas Neuem.» Das klingt gross. ProSieben hat schon angekündigt, dass der Sender den «#FreeESC» «nicht nur in diesem Jahr» machen will.

«Stefan sprüht vor Ideen und wir alle wissen, dass er einen ausgezeichneten Musikgeschmack hat und weiss, wie man gutes Fernsehen macht», sagt Conchita Wurst, die den ESC 2014 selbst gewann. «Ausserdem ist er ESC-Spezialist, deshalb war es ja ganz naheliegend, dass er eine Show auf die Beine stellt, als bekannt wurde, dass es dieses Jahr keinen ESC geben würde.» Oder kurz: «Wer, wenn nicht er?»

ARD-Unterhaltungschef Thomas Schreiber sagte dagegen in einem Interview des Portals «ESC kompakt» mit Blick auf Raab: «An und für sich ist die Idee charmant, nur bei der Wahl des Tages frage ich mich, was er geraucht hat. Dass der 16. Mai ESC-Tag ist, ist ja nix Neues. Das ZDF hat nach der ESC-Absage schnell noch einen frischen Krimi auf den Tag gepackt, und deshalb werden die Mainzer wahrscheinlich mit ihrem fiktionalen Angebot gut abschneiden. Und bei zwei Musikshows werden sich die Angebote gegenseitig etwas kannibalisieren, befürchte ich. Wenn’s Stefan Raab um die Musiker gegangen wäre, hätte er es an einem anderen Tag gemacht...»

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