Tim Bendzko übers Vatersein: «Weiss jetzt, wofür ich das alles mache»
Tim Bendzko bringt mit «April» ein neues Album auf den Markt. Durch die Geburt seines Sohnes hat sich das Leben des deutschen Singer-Songwriters sehr verändert, wie er im Interview erzählt. «Mit einer Familie fällt es einem deutlich leichter, durchzuhalten.»
Seit seinem Erfolgshit «Nur noch kurz die Welt retten» im Jahr 2011 ist Tim Bendzko (37) ein fester Bestandteil der deutschen Musikwelt. Es folgten zahlreiche Auszeichnungen, vier Alben und weitere Hits wie «Unter die Haut» oder «Hoch». Im Leben des 37-Jährigen hat sich seit seinem Durchbruch einiges verändert. So ist er seit 2020 Vater eines kleinen Sohnes.
Das Vatersein habe auch seine «Motivation verschoben», wie er erzählt. Mit einer Familie falle es ihm auch leichter, durchzuhalten. «Ich weiss jetzt, wofür ich das alles mache», sagt er im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news. Stillstand ist für Bendzko ein Fremdwort, am 31. März erscheint mit «April» sein fünftes Album. Ein besonderer Monat für den Singer-Songwriter, schliesslich feiert er am 9. April seinen Geburtstag.
2019 ist mit «Filter» Ihr bisher letztes Album erschienen. Was ist in der Zwischenzeit bei Ihnen passiert?
Tim Bendzko: Es ist viel passiert. Zum einen der ganze Pandemie-Wahnsinn, der uns alle erwischt hat. Zum anderen bin ich Vater geworden, das hat viel verändert. Das waren die zwei grossen Sachen in meinem Leben. Während der Pandemie habe ich die meiste Zeit damit verbracht, Songs zu schreiben. Das ist eigentlich nicht meine Art, normalerweise schreibe ich alles innerhalb eines halben Jahres. Aber durch die Pandemie musste ich mir die Zeit vertreiben. Dadurch ist ein anderes Album entstanden, als man es vielleicht von mir gewöhnt ist.
Den Song «Für Dich» haben Sie Ihrem Sohn gewidmet. Wie hat das Vatersein Ihr Leben verändert?
Bendzko: Es hat eine grosse Auswirkung auf meine Musik. Es hat meine Motivation verschoben. Ich gehöre nicht zu denen, die immer mehr wollen. Sondern eher zu denen, die gerne mal etwas Neues ausprobieren. Deshalb unterscheiden sich meine Alben auch recht stark voneinander – sowohl musikalisch als auch textlich. Die Motivation ist einfach eine andere, sich dieser Anstrengung hinzugeben. Weil ich es jetzt mehr für meine Familie tue als für mich. Ich weiss jetzt, wofür ich das alles mache. Es macht ja nicht immer alles Spass. Aber mit einer Familie fällt es einem deutlich leichter, durchzuhalten.
Ihr neues Album trägt den Titel «April» – ein wechselhafter, stürmischer und unberechenbarer Monat. Würden Sie sich auch so beschreiben?
Bendzko: Eigentlich nicht. Ich denke häufig darüber nach. Aber ich glaube schon, dass ich eine klare Linie verfolge. Ich kam auf diesen Titel, weil ich auf die letzten Jahre zurückgeblickt habe – auf die Kreisläufe. Nach dem Chaos folgte immer eine Aufbruchstimmung. In der Corona-Pandemie dachte man: Jetzt ist alles vorbei – und dann ging es wieder von vorne los und die Welt wurde erneut ins Chaos gestürzt. Aber so ist das ganze Leben. Immer, wenn man das Gefühl hat, jetzt ist man angekommen, kann man sich sehr sicher sein, dass der nächste Einschlag schon auf einen wartet.
Würden Sie sagen, jede Krise hat auch etwas Gutes?
Bendzko: Das sagt sich immer so leicht. Natürlich war die Pandemie ein grosses Unglück, das uns erwischt hat. Aber die Quintessenz ist, dass es immer so ist. Hin und wieder wird man aus der Bahn geworfen. Das zu wissen hat etwas Beruhigendes. Es ist eine Illusion, zu glauben, dass man irgendwann einen Zustand erreicht, in dem für alle Zeit alles gut ist im Leben. Wenn man aber darauf vorbereitet ist, kann man mit den Ausschlägen nach oben und nach unten besser umgehen.
In «Parallelwelten» geht es darum, was passiert, wenn man selbst nicht mehr verstanden wird und alle scheinbar in einer anderen Welt leben. Klingt nach Verschwörungstheoretiker und Corona-Leugner?
Bendzko: Das ist ein gutes Beispiel für das, was ich in dem Song beschreiben möchte. Die denken auch, wir leben in einer Parallelwelt. Ich habe den Begriff häufig im Privaten verwendet. Immer, wenn mir jemand eine absurde Geschichte erzählt hat, die ich nicht nachvollziehen konnte, habe ich das damit abgetan. Da ging es weniger um Querdenker, sondern mehr um Drogengeschichten von Personen aus dem Fernsehgeschäft. Am Ende ist Realität eine Einbildung. Ein Querdenker hat das Gefühl wahrscheinlich ständig, dass alle um ihn herum in einer Parallelwelt leben.
In «Wer rettet die Welt für mich» thematisieren Sie den Klimawandel. Sie sind selbst Vater, wie sehr fürchten Sie die Zukunft? Gerade für die nächste Generation?
Bendzko: Fürchten ist ein grosses Wort. Ich bin niemand, der Angst hat. Denn ich bin der festen Überzeugung, dass die Menschheit immer dann, wenn der Druck am grössten wird, zu Ausserordentlichem imstande ist. In der Corona-Pandemie war es zum Beispiel eine unglaubliche Leistung, in so kurzer Zeit einen Impfstoff zu entwickeln. Der Druck war so gross, dass alle Anstrengungen unternommen wurden und plötzlich ist alles möglich. Das bedeutet leider, dass erst viel Leid notwendig ist, damit sich etwas bewegt. Aber anscheinend sind wir Menschen nicht dafür gemacht, uns jetzt um Dinge zu kümmern, die in zehn Jahren relevant sind. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass auch dieses Problem gelöst wird. Dass in den nächsten Jahren immer mehr passiert. Das sage ich als Weltretter (lacht). Wir wissen alle, was zu tun ist. Es muss nur auch getan werden. Weniger reden, mehr machen.
Was halten Sie von der «Letzten Generation»?
Bendzko: Ich verstehe ihre Motivation. Sie sehen das Problem und haben das Gefühl, dass alle anderen es nicht ernst genug nehmen. Aber ich habe grosse Zweifel daran, dass der Weg der richtige ist. Man versucht, darauf aufmerksam zu machen, indem man eine Sichtbarkeit schafft. Man lässt allerdings ausser Acht, wie Medien funktionieren. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Berichterstattung differenzierter wird. Stattdessen gibt es nur noch Schwarz und Weiss. Sie werfen sich selbst den Haien zum Frass vor. Diese Aktionen schaden der Umweltbewegung eher. Alle, die sich dafür einsetzen, werden mit ihnen in einen Topf geworden. Das ist sehr schade.
Aber jetzt zu fröhlicheren Themen. Sie haben am 9. April Geburtstag. Ist schon etwas geplant?
Bendzko: Ich spiele an dem Tag ein Konzert in Berlin, damit ich meinen Geburtstag nicht feiern muss. Allerdings habe ich im Radio gehört, wie der Sprecher auf meinen Geburtstag hingewiesen hat. Jetzt habe ich das Gegenteil erreicht. Da ich Geburtstage nicht so gerne feiere, ist es ist vielleicht nicht sehr schlau, vor Tausenden von Leuten ein Konzert zu spielen. Die Fans sollen bitte keine Geschenke mitbringen. Ein Geburtstagsständchen würde ich überleben. Das wird wahrscheinlich nicht ausbleiben, aber das reicht auch. Aus irgendeinem Grund habe ich an meinem Geburtstag das Gefühl, dass mir nichts passieren kann. Das ist bei einem Konzert ganz gut.
Sie gehen mit grossen Schritten der 40 entgegen. Macht Ihnen die Zahl Angst? Haben Sie Probleme mit dem Älterwerden?
Bendzko: Ich denke darüber nach. Ich sehe zwar immer noch aus wie Anfang 20, aber 40 zu werden ist schon etwas Besonderes. Ich bin stolz, dass ich es bis hierhin geschafft habe. Es fühlt sich an, als würde die zweite Hälfte losgehen. Lange Zeit blickt man in seinem Leben nur nach vorne. Jetzt beginnt die Phase, in der ich immer mehr zurückschaue. Ich bin nebenberuflicher Philosoph (lacht) und finde das sehr spannend. Aber es macht mir keine Angst. Dadurch, dass ich viel jünger aussehe, ist für mich Älterwerden eigentlich eine sehr erstrebenswerte Sache. Wenn ich irgendwann sage, dass ich über 40 bin, glaubt mir das keiner. Früher war mir das sehr unangenehm. Aber wenn du mit 40 aussiehst wie 25, ist das super (lacht).
Sie schreiben Songs, die positiv und motivierend sind. Woher nehmen Sie persönlich Ihre Kraft?
Bendzko: Es ist mir in den letzten Jahren ein Anliegen geworden, positive Songs zu schreiben. Als ich mit dem Songschreiben anfing, neigte ich dazu, nur traurige Texte zu produzieren. Das ist am einfachsten, wenn man emotionale Songs schreiben möchte. Aber irgendwann ging mir das auf den Keks. Denn eigentlich möchte ich den Menschen ein gutes Gefühl geben. Mir fällt es leicht, aus Chaos Kraft zu schöpfen. Ich sehe es als Chance, alles zu sortieren und neu anzufangen. Ich werde immer ein junger Typ sein – auch wenn ich 60 Jahre alt bin. Weil ich einfach Lust auf Neues habe. Aktuell habe ich angefangen zu malen. Es ist wie Songschreiben – nur mit den Händen. Ich arbeite schon an meiner ersten Ausstellung.
Sie sind auch unter die Camper gegangen und lassen sich gerade einen Van ausbauen. Damit wollen Sie unter anderem von Konzert zu Konzert fahren. Wie kam es dazu?
Bendzko: Ich bin früher mit meinen Eltern ständig Zelten gewesen, aber mit einem Camper hatte ich vorher nicht viel zu tun. Der Van ist auch schon fertig umgebaut. Ich schlafe in Hotels sehr schlecht, deshalb kam ich auf die Idee. Dazu kommt noch, dass die Backstage-Räume meistens keine Fenster haben. Man sitzt also in einem dunklen Raum. Dank meines Vans spare ich mir das. Ich muss zudem keinen Koffer ein- und auspacken und habe einen Rückzugsort. Ich habe es im letzten Jahr schon zwei Wochen getestet, ob ich das wirkliche durchziehe oder doch unglamourös finde. Aber nach den zwei Wochen kam ich nach Hause und es war, als hätte ich Urlaub gemacht.
Gibt es Songs, die Sie auf der Bühne nicht spielen wollen?
Bendzko: Nein. Ich würde mich selbst verleugnen, wenn ich manche Songs nicht mehr spiele. Ich bin stolz und glücklich, Lieder geschrieben zu haben, die viele Menschen kennen. Wenn es mal weniger Spass macht, sie zu spielen, kann ich alles in ein neues Gewand packen. Zum Beispiel habe ich «Unter die Haut» nicht mehr gerne gesungen, weil es sich komisch angefühlt hat. Deshalb haben wir eine neue Version gemacht. Jetzt fühlt es sich wie ein neuer Song an.
Wie vereinen Sie Tour- und Familienleben?
Bendzko: Es ist aktuell viel entspannter als es noch vor ein paar Jahren war. Wenn ich beim ersten Album schon eine Familie gehabt hätte, dann können wir davon ausgehen, dass ich die jetzt nicht mehr hätte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Beziehung das überlebt hätte. Ich war zwei Jahre nur unterwegs. Das wäre sehr schwierig gewesen und hätte man nur mit nachreisen lösen können. Jetzt ist alles ein bisschen überschaubarer. Ich bin bis Mitte April unterwegs – was lange genug ist, aber danach bin ich viel zu Hause. Im Sommer stehen vereinzelte Konzerte an. Das werden alle überleben. Ich lass mich während der Tour auch nicht mehr so stressen und kann mich zwischendrin bei meinen Liebsten melden. Vor zwölf Jahren hätte ich zu Hause wahrscheinlich nicht angerufen.