«Verteidiger des Glaubens» - Doku über Papst Benedikt

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Deutschland,

Rund sechs Jahre nach dem Rücktritt von Papst Benedikt kommt ein bemerkenswerter Dokumentarfilm über ihn ins Kino. «Verteidiger des Glaubens» zeigt Joseph Ratzinger als beinahe tragische Figur, die so viel wollte für ihre Kirche - und das Gegenteil erreichte.

In «Verteidiger des Glaubens» thematisiert Regisseur Christoph Röhl auch die Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche. Foto: RealFiction Filmverleih/dpa
In «Verteidiger des Glaubens» thematisiert Regisseur Christoph Röhl auch die Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche. Foto: RealFiction Filmverleih/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • «Wir sind Papst», hiess es am 20.

April 2005 in der «Bild»-Zeitung. Einen Tag zuvor war mit Joseph Ratzinger der erste Deutsche seit fast 500 Jahren zum Papst gewählt worden. Ein «Arbeiter im Weinberg des Herrn» sei er, sagte er damals.

Auch wenn Ratzinger als sehr konservativer Vertreter der katholischen Morallehre galt, war der Jubel vor allem in Deutschland gross - damals. Ein Jahrzehnt später steckt die katholische Kirche in ihrer wohl grössten Legitimationskrise. Tausendfacher sexueller Missbrauch von Priestern an Kindern und Jugendlichen auf der ganzen Welt hat das Vertrauen in die Institution massiv erschüttert.

Für den deutsch-britischen Filmemacher Christoph Röhl hängen diese beiden Meilensteine - die Wahl Ratzingers zum Papst Benedikt XVI. und die grosse Kirchenkrise - eng zusammen. In seiner Dokumentation «Verteidiger des Glaubens» zeigt er Ratzinger als regelrecht tragische Figur, die viel wollte und das Gegenteil damit erreichte.

Röhl hat seinem Film ein Zitat des französischen Theologen Blaise Pascal vorangestellt: «Der Mensch ist weder Engel noch Bestie, und sein Unglück ist, dass er um so bestialischer wird, je mehr er ein Engel sein will.» Die zentrale These des Films: Ratzinger war nach dem Liberalisierung versprechenden Zweiten Vatikanischen Konzil massgeblich daran beteiligt, dass die Kirche eine Rolle rückwärts machte. Darum trägt er Verantwortung für die autoritären Strukturen, die Missbrauch begünstigten und Täter schützten.

«Ein Baum, der nicht beschnitten wird, der schiesst», sagt Ratzingers Privatsekretär Georg Gänswein. Er will damit erklären, warum Ratzinger die Reformbewegungen innerhalb der Kirche während seiner 23 Jahre als Präfekt der Glaubenskongregation und danach als Papst unterdrückte. Der Theologe Hermann Häring, ein Mitarbeiter von Ratzingers prominentestem Kritiker Hans Küng, spricht von einem «System der Kontrolle». Die «Augen und Ohren des Vatikan» seien überall gewesen.

Zunächst zeichnet der Film den Aufstieg Ratzingers nach. Es ist die gängige Ratzinger-Interpretation der Entwicklung von einem vergleichsweise progressiven, jungen Theologen zu einem erzkonservativen Kirchenfürsten. Unmittelbar vor seiner Wahl zum Papst erteilte er mit seiner vielbeachteten Predigt zur «Diktatur des Relativismus» jeglicher Liberalisierung der Kirche eine entschiedene Absage. Aus Sicht Röhls wurde er wohl genau darum zum Papst gewählt.

Dann schwenkt Röhl um und zeigt die Opfer dieses Systems, das absolute Wahrheit für sich beansprucht. Die bekannt gewordenen Missbrauchsfälle hätten Ratzinger zutiefst frustriert, sagt Charles Scicluna, der Erzbischof von Malta, der in der Glaubenskongregation eng mit ihm zusammengearbeitet hat. Er habe nicht verstehen können, «wie Leute in der Lage sein könnten, die Priesterschaft und die heilige Berufung zu verraten».

Mit Aussagen wie diesen untermauert Röhl seine These, dass es der katholischen Kirche unter Ratzinger aus seiner Sicht vor allem um die eigene Bedeutung ging, den eigenen Ruf, den Schutz des heiligen Priesteramtes - und weniger um das Leid der Opfer. Eine zentrale Rolle nimmt im Film der Mexikaner Marcial Maciel ein: Er war Gründer der Legionäre Christi, führte ein Doppelleben, zeugte mehrere Kinder und missbrauchte über Jahrzehnte Kinder und Jugendliche. Der Film verschweigt nicht, dass Ratzinger Maciel all seiner Ämter enthob, nachdem er Papst geworden war.

Besonders eindrücklich schildert die Irin Marie Collins ihr Leid, die in der päpstlichen Kinderschutz-Kommission mitgearbeitet hat und als 13-Jährige selbst von einem Priester vergewaltigt wurde: «Abends missbrauchte er mich - körperlich, sexuell, und am nächsten Morgen reichte er mir die Hostie mit der gleichen Hand, mit der er mich missbraucht hatte.» Als sie den Mut fand, das zu melden, seien die Kirchenmenschen nicht so sehr über den Missbrauch schockiert gewesen, sondern davon, dass der Priester mit der sündigen Hand die Hostie berührte. «Aber mein Körper hätte doch ebenso heilig sein müssen.»

Der Regisseur hatte schon zwei Filme über den Missbrauch an der Odenwaldschule gemacht. Er sieht da Parallelen in einer gewissen Überzeugung: «Wir sind die Guten und unsere Mission darf deswegen auf keinen Fall gefährdet werden.»

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