Wer bezahlt Europa?
Die Europawahl wirft schon länger ihre Schatten voraus. Eine Arte-Dokumentation rollt nun das Thema von EU und Geld auf.
Das Wichtigste in Kürze
- Es geht um das grosse Ganze, aber es geht auch um das grosse Geld: Viele Millionen Menschen sind am kommenden Wochenende zur Europawahl aufgerufen.
Die Wähler bestimmen über die künftigen Abgeordneten für das Europäische Parlament in Strassburg, aber auch um die künftige EU-Kommission in Brüssel. Die finanzielle Seite zeigt die Dokumentation «Wer bezahlt Europa?», die am kommenden Dienstag (21.05 Uhr, Arte) zu sehen ist.
Der Film von Tom Kühne macht von Anfang an klar, dass es gerade bei dieser Wahl um verbindliche Regeln, Pflichten, Rechte und Werte geht, die es zu verteidigen gilt, was insbesondere an zunehmenden nationalen Interessen zu scheitern droht, wie sie beispielsweise in Polen und Ungarn ganz offen vor europäische Belange gestellt werden. Und das vor dem Hintergrund, dass die EU etwa für Infrastruktur viel Geld in die Länder Süd- und Osteuropas investiert hat, welche immer mehr die Zusammenarbeit verweigern.
Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot erklärt im Film: «Wir haben die Vorstellung, dass ein Land nach dem anderen in den Populismus gleitet, und weitere Länder wie Dominosteine in den Nationalismus kippen.»
Hendrik Enderlein ist Wirtschaftswissenschaftler. Er meint, dass ein Land, das sich nicht an die Grundregeln halte, nicht nur kein Geld, sondern auch keinen Platz bekommen solle in den politischen Familien, die die EU gestalteten. Schliesslich solle der EU-Haushalt auch das wirtschaftliche Lebensniveau der Mitgliedsländer angleichen, wie Ingeborg Grässle, die Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses im Europäischen Parlament, erläutert. Das wird in manchen Ländern durch Korruption und Behinderung der Justiz immer problematischer.
Grafiken zeigen, wie der grösste gemeinsame Wirtschaftsraum der Welt funktioniert. Vom EU-Haushalt wandert das meiste Geld in den Agrarsektor. Für aktuelle Themen wie Asyl, Migration, Verteidigung und Grenzschutz bleibt da nur ein Notfallposten übrig. Einzahlen müssen alle Mitglieder, neben Deutschland gelten Italien, Frankreich und Schweden als Geberländer, da sie mehr einzahlen als sie zurückbekommen, wohingegen für Polen, Rumänien, Ungarn, Tschechien und Griechenland als Nehmerländer am meisten Geld übrig bleibt.
Der Autor erläutert ebenso informativ wie kritisch den Kampf ums Geld am Beispiel von Firmen in Ungarn und Polen, an denen auch deutsche Unternehmen beteiligt sind. Ein Bürgerverein in abgelegenen bulgarischen Dörfern wartet schon länger vergeblich auf dringend benötigte Fördergelder, weil es keine klare Steuerung gibt und Ausschreibungen ein unnötig komplexer Vorgang sind.
Der Grundtenor aller Äusserungen im Film ist, dass die EU in einem Wust von Sonderregelungen, Nischenmöglichkeiten und Rabattvereinbarungen verstrickt ist und sich an den zementierten Strukturen auch deshalb nichts ändert, weil kein Regierungschef mehr Macht an die EU abgeben will. Nach der kommenden Wahl vermutlich auch nicht.