Alain Berset: Entschuldigung «guter 1. Schritt» – aber nicht genug
Alain Berset relativiert seine Kriegsrausch-Aussagen. Bürgerliche Parteipräsidenten begrüssen den ersten Schritt, sehen aber Diskussionsbedarf im Bundesrat.
Das Wichtigste in Kürze
- Bundespräsident Alain Berset gibt zu: «Kriegsrausch» sei eine schlechte Wortwahl gewesen.
- Die Relativierung kommt im Parlament zwar gut an – reicht aber nicht aus.
- Der Gesamtbundesrat müssen zu einer geschlossenen und gemeinsamen Haltung kommen.
Bundespräsident Alain Berset steht einmal mehr mitten in einem Shitstorm. Grund dafür sind diesmal seine Aussagen in Bezug auf den Ukraine-Krieg. «Ich spüre auch heute diesen Kriegsrausch in gewissen Kreisen», sagte er gegenüber «Le Temps», doch die Schweizer Neutralität verbiete Waffenlieferungen. Man müsse mit Russland verhandeln – «je früher, desto besser», doppelte er in der «NZZ am Sonntag nach».
Mitte-Präsident sieht Diskussionsbedarf im Bundesrat
Nach den negativen Reaktionen relativierte der Innenminister seine Aussagen. Die Wortwahl sei unglücklich gewesen, er habe sich nicht richtig ausgedrückt, so der SP-Magistrat. Ausserdem deutet er an, mit gewissen Kreisen bloss andere Länder gemeint zu haben.
Mitte-Präsident Gerhard Pfister begrüsst diesen ersten Schritt des Bundespräsidenten. «Es zeigt, dass innerhalb des Bundesrats noch Diskussionsbedarf besteht. Der Bundesrat muss zu einer gemeinsamen, geschlossenen Haltung auch bei diesen schwierigen Fragen kommen.»
Mitte-Bundesrätin Viola Amherd äusserte sich am Wochenende ebenfalls zu den Waffenlieferungen. Anders als Alain Berset sieht sie allerdings durchaus Handlungsspielraum. Und genau diese Meinungsunterschiede zeigten den Gesprächs- und Orientierungsbedarf im Bundesrat auf, so Pfister zu Nau.ch.
GLP-Grossen: Besser, aber nicht gut genug
Einsicht sei zwar der erste Schritt zur Besserung, kommentiert GLP-Präsident Jürg Grossen die Entschuldigung Bersets. Diese sei dringend nötig: «Der Bundesrat muss jetzt unbedingt eine Kurskorrektur vornehmen. Und zwar auch inhaltlicher Natur, nicht nur eine bessere Wortwahl finden.»
Mit seiner Wortwahl habe sich Alain Berset total vergriffen, so Grossen weiter. Das Verständnis für die Schweizer Position sei dadurch enorm gesunken – im Ausland und auch im Inland.
Gemäss Grossen dürfe die Neutralität nicht als Vorbehalt genutzt werden: «Der Bundesrat muss seinen Kurs korrigieren und die Weitergabe von Waffen über Drittstaaten zulassen. So kann er dem Ausland auch zeigen, dass die Schweiz ihren Teil zur Behebung des Konflikts beitragen will.»
FDP sieht Wahrnehmung der Schweiz als Problem
FDP-Fraktionspräsident Damien Cottier lobt zunächst Bersets Entschuldigung: «Das passiert nicht so oft in der Politik, dass man sagt, man hätte einen Fehler gemacht.» Auch er sieht eine Schwächung der Schweiz durch die unangebrachte Wortwahl. Daher sei die Präzisierung gut und notwendig.
Die Analyse Bersets zur Situation in Europa teilt der Freisinnige dagegen nicht. «Wir müssen unsere Neutralität bewahren, aber wir müssen auch ganz klar zeigen, dass eine solche Aggression nicht akzeptabel ist.«
International sende jetzt die Schweiz aber eine andere Botschaft aus: «Dass wir relativieren und wir nicht sicher sind, ob es Leute auf beiden Seiten hat, die Krieg wollen. Das ist wirklich ein Problem.»