Alain Berset: Longchamp-Talk zur bevorstehenden Bundesratswahl
Nach dem Rücktritt von Alain Berset ist der Kampf um seinen Bundesratssitz in vollem Gange: Politologe Claude Longchamp wagt einen Blick in die Zukunft.
Das Wichtigste in Kürze
- Bundespräsident Alain Berset hat verkündet, dass er nicht zur Wiederwahl antreten wird.
- Claude Longchamp ordnet ein, wer die besten Chancen hat, seine Nachfolge anzutreten.
- Alles deute auf ein Zweierticket um Daniel Jositsch – noch sei aber nichts entschieden.
Bundespräsident Alain Berset nimmt den Hut: Nach zwölf Jahren im Amt hat der Sozialdemokrat vergangene Woche verkündet, dass er im Dezember nicht zur Wiederwahl antreten wird.
Mit dem Rücktritt des Freiburgers verliert die Schweizer Sozialdemokratie – so formuliert es die NZZ – «ihren Sonnenkönig». Für die Linkspartei beginnt ein verbitterter Verteidigungskampf um den zweiten Sitz im Bundesrat.
«Es muss ein Mensch sein», beantwortet Alain Berset die Frage nach der Wunschkandidatur für seine Nachfolge. Schon kurz nach der Ankündigung bringen sich denn auch erste Hoffnungsträger in Stellung – allesamt Menschen. Doch wie steht es um die Chancen dieser Menschen?
Rücktritt von Alain Berset macht Wahl unvorhersehbarer
Für Politologe Claude Longchamp steht fest: Mit dem Rücktritt des Freiburgers verändert sich nicht nur die Chronologie der bevorstehenden Bundesratswahl, sondern auch deren Vorhersehbarkeit.
Als amtsältester Bundesrat hätte Alain Berset seinen Sitz in der Landesregierung nämlich als Erster verteidigen müssen. Diese Reihenfolge hätte wenig Spielraum für allfällige Angriffe auf den SP-Sitz übrig gelassen, erklärt der Politologe. Die Ersatzwahl hingegen findet als letztes statt – «danach gibt es für Retourkutschen praktisch keine Möglichkeiten mehr.»
Ausschlaggebend sind die eidgenössischen Wahlen 2023
Gleichzeitig betont Longchamp: Die eidgenössischen Wahlen am 22. Oktober werden auch die Nachfolge von Alain Berset massgebend beeinflussen.
«Wenn sich SP und FDP halten können, dann ist das ‹Szenario Stabilität› – alles wie bisher – das Wahrscheinlichste.» Aktuell stünden die Vorzeichen gut, dass eben dieser Wahlausgang eintreffen werde, erklärt der Experte.
Falls die Grünen aber zulegen sollten, hätten sie zweifelsohne legitimen Anspruch auf Einsitz in der Landesregierung. Und auch die Grünliberalen würden ins Spiel einsteigen, falls sie die Zehn-Prozent-Hürde überwinden sollten, so der Politologe.
Vorausgesetzt, es kommt zu keinen grossen Verschiebungen im Parlament, liegt der Ball damit bei der SP: Sie müsste ein Ticket mit mindestens zwei Kandidaturen vorschlagen.
Ein Ticket mit zwei Menschen?
Unabhängig davon, wen die SP nominiere, würden sich die Parteien wohl ans Ticket halten. An valablen Namen fehlt es denn auch nicht: Der Basler Regierungsrat Beat Jans, der Bündner Nationalrat Jon Pult, die Berner Regierungsrätin Evi Allemann – oder auch der im letzten Herbst als Mann für das Frauenticket angetretene Ständerat Daniel Jositsch.
Auch wenn Jositsch nicht berücksichtigt würde – aus Sicht der Sozialdemokraten nicht völlig unverständlich – komme er als wahrscheinlichste wilde Kandidatur ins Gespräch: Ausgehend von der SVP könnte nämlich die Idee aufkommen, dass die Sozialdemokraten den Bundesratssitz nur in seiner Person erhalten sollten.
Grosse Fragezeichen bleiben
Trotzdem verbleiben auch in diesem Szenario grosse Fragezeichen: «Ich kann mir gut vorstellen, dass die SVP dieses Spiel spielt. Nicht aber, dass FDP und Mitte – die auf Stabilität ausgerichtet sind – allzu weit Hand reichen werden», erklärt Longchamp.
Abschliessend dürften die parlamentarischen Kräfteverhältnisse nach den Wahlen im Herbst also in jedem Fall das Zünglein an der Waage bleiben. Derzeit deutet gemäss Experteneinschätzung aber vieles auf besagtes Zweierticket hin: Ein Ticket mit zwei Menschen, wovon einer den Namen Daniel Jositsch trägt.