Auch ohne Bundesrat: Arslan will binäres Geschlechtermodell auflösen
Der Bundesrat ist gegen die Einführung einer dritten Geschlechtsoption. Nationalrätin Sibel Arslan (Grüne/BS) sieht jetzt das Parlament in der Pflicht.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundesrat hat sich gegen die Einführung eines dritten Geschlechts ausgesprochen.
- Nationalrätin Sibel Arslan (Grüne/BS) ist mit seinen Einschätzungen nicht einverstanden.
- Die Landesregierung unterschätze die Bevölkerung. Jetzt sei halt das Parlament am Zug.
Der Bundesrat hat heute mit einem Bericht zwei Vorstösse aus dem Parlament beantwortet. Darin hält die Landesregierung fest: Die Voraussetzungen für die Einführung eines dritten Geschlechts oder den gänzlichen Verzicht auf den Geschlechtseintrag seien nicht erfüllt.
Die Landesregierung begründet den Entscheid mit Verweis auf das binäre Geschlechtermodell, auf welchem die eidgenössische Rechtslage abgestützt ist. Denn an den Geschlechtseintrag sind zahlreiche rechtliche Konsequenzen geknüpft. Eine Änderung des binären Modells wäre deshalb mit erheblichem administrativem Aufwand auf allen Ebenen der Rechtsordnung verbunden.
Sibel Arslan ist nicht einverstanden
Die Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan ist mit der Einschätzung des Bundes nicht einverstanden. Die Baslerin glaubt, die Landesregierung habe die Begründung lediglich vorgeschoben. Gegenüber Nau.ch gibt die Juristin zu bedenken: «Es ist normal, dass bei wichtigen Veränderungen auch wichtige Gesetzesanpassungen erfolgen müssen.»
Arslan würde sich eine Regelung wünschen, welche die Gesetzeslage in Deutschland widerspiegelt. In unserem nördlichen Nachbarland ist es heute nämlich erlaubt, den Eintrag im Personenstandregister ganz wegzulassen. Überdies kann der Eintrag neben den Kategorien «männlich» oder «weiblich» auch in der Kategorie «X» erfolgen.
Bundesrat wünscht Lösung aus der Gesellschaft
Der Bundesrat vertritt die Ansicht, dass die Weichen für das Wegfallen des binären Geschlechtermodells innerhalb der Gesellschaft gestellt werden müssten. Ein alternatives Modell sei allerdings auf gesellschaftlicher Ebene noch nicht zur Genüge diskutiert worden.
Dass die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik noch nicht in ausreichendem Masse stattgefunden habe, erachtet Arslan als Affront. Der Bundesrat unterstelle der Schweizer Bevölkerung damit indirekt eine antiquierte Weltanschauung.
Schon mitbekommen?
— 𝗦𝗶𝗯𝗲𝗹 𝗔𝗿𝘀𝗹𝗮𝗻 (@SibelArslanBS) December 21, 2022
Unser #Bundesrat hat ein #Weihnachtsgeschenk für uns und sagt: die Schweizer:innen seien rückständiger als die Deutschen & Österreicher. Die Schweizer Gesellschaft sei noch nicht reif für ein #DrittesGeschlecht.
So einen BR muss man sich erst verdienen! @ParlCH
Arslan hält die Ausführungen im Bericht für «absurd» – gegenüber Nau.ch betont die grüne Nationalrätin: «Wir sind in der Diskussion mit Sicherheit nicht weniger weit als die Deutschen oder die Österreicherinnen und Österreicher.»
Sibel Arslan ist überzeugt: Die Politik sei in der Pflicht, um den Betroffenen zu einer Lösung zu verhelfen. Von dem Bericht des Bundesrats lässt sich die Baslerin allerdings nicht entmutigen: «Nun muss halt das Parlament das Heft selbst in die Hand nehmen.»
«Transgender Network Switzerland» spricht von «Ohrfeige»
Auch das «Transgender Network Switzerland» (TGNS) ist über den Entscheid der Landesregierung sichtlich enttäuscht. Die Dachorganisation von und für Transgender spricht in einer Medienmitteilung von einer «Ohrfeige gegen nicht-binäre Menschen».
Die Aktivisten sind frustriert, offenbar kenne der Bundesrat die Haltung der Schweizer Bevölkerung zur Thematik nicht. Gemäss einer Erhebung von «Sotomo» hätten sich 53 Prozent der Befragten für einen zusätzlichen Eintrag für nicht-binäre Menschen ausgesprochen. Doch der Bundesrat ist anderer Ansicht: Das binäre Modell sei in der Schweiz nach wie vor stark verankert: «Eine Änderung müsste sorgfältig geplant und umgesetzt werden, damit keine Rechtsunsicherheiten entstehen.»