BAG-Chefin Anne Lévy will sich im «SRF-Club» nicht entschuldigen
Das Wichtigste in Kürze
- Das BAG kommt in letzter Zeit nicht aus den Negativschlagzeilen heraus.
- Direktorin Anne Lévy versuchte sich davon im «SRF-Club» nichts anmerken zu lassen.
Anne Lévy ist seit knapp einem halben Jahr Direktorin des Bundesamtes für Gesundheit (BAG). Die Bernerin übernahm inmitten einer Pandemie – keine einfache Aufgabe. Das zeigte sich vor allem auch in den letzten Wochen: Das BAG kommt einfach nicht aus den Negativschlagzeilen heraus.
Sei es wegen der fehlender Transparenz, den Datenschutzverletzungen bei der Impfplattform www.meineimpfungen.ch oder den damit zusammenhängenden Sicherheitsmängeln der Plattform myCovidvac.ch – Lévy musste sich zuletzt einiges an Kritik anhören.
Ob sie sich ihren Job denn etwas anders vorgestellt habe, wollte SRF-Moderatorin Barbara Lüthi im gestrigen «Club» von der BAG-Direktorin wissen. Lévy konterte: «Ich glaube wir haben durchaus auch positive Nachrichten, die wir verkünden konnten.»
Sie nannte als Beispiel die Impfungen. «Vor einem Jahr hätte sich kaum jemand vorstellen können, dass man im März schon zwei Millionen Dosen zur Verfügung hat», so Lévy und fügte an: «Das ist wirklich ein Lichtblick.» Sie zeigte sich zudem erneut positiv eingestellt, dass man das «Impfziel» vom Sommer einhalten könne.
SRF-Lüthi: «Warum entschuldigt sich das BAG nie?»
Lüthi gab sich mit der Antwort nicht zufrieden. Sie hakte bei «meineimpfungen.ch» nach. Die SRF-Moderatorin erinnerte Lévy daran, dass sie persönlich im «10vor10» die Bevölkerung dazu aufgerufen habe, sich dort zu registrieren. «Sie haben doch eine gewisse Verantwortung und hätten diese Stiftung überprüfen müssen?»
Lévy hielt fest, dass das BAG die Stiftung schon seit Jahren unterstütze und man tatsächlich genauer hinschauen hätte sollen. «Wichtiger für uns ist aber die Plattform MyCovidVac, bei der wir mit der Stiftung einen speziellen Vertrag für den Betrieb abgeschlossen hatten. Dort wurden auch die Datenschutzbestimmungen festgehalten und das stimmt, das hätten wir überprüfen sollen, bevor es online ging.»
Sollte sich das BAG öfters für Fehler entschuldigen?
Kritik schien an Lévy abzuprallen, was Lüthi gar nicht passte. Die Moderatorin sagte, es falle auf, dass es, egal was passiere, eigentlich nie eine Entschuldigung von ihr oder vom BAG gebe: «Warum eigentlich nicht? Hier ist ja klar ein Fehler passiert, warum ist dann das Entschuldigen ein so schwerer Schritt?»
Lévy lächelte verdutzt, blickte an die Studiodecke und sagte, es gehe ein wenig um die Frage, wie man mit Fehler umgehe. «Mir ist vor allem wichtig, dass man das aufnimmt, Verbesserungen angeht und wirklich schaut, wo sind die Fehler passiert. Ich glaube, das ist relevant.»
Lüthi versuchte es ein letztes Mal, hängte direkt an das letzte Wort von Lévy an (relevant) und sagte kurz und knapp: «Entschuldigen nicht?» Lévy hatte dies offensichtlich nicht erwartet, lachte erneut etwas verlegen, wich mit einer Gegenfrage aus («Wem gegenüber?») und fügte hinzu, man müsse auch unterscheiden, wo die Fehler passieren.
Anne Lévy wird von allen Seiten kritisiert
Lévy wurde im gestrigen «SRF-Club» nicht nur von der Moderatorin scharf angegangen sondern auch von den anderen Gästen. Yvonne Gilli, Hausärztin und Präsidentin der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) bemängelte etwa, dass sie und ihre Kollegen nicht genügend mit einbezogen werden.
«Was wir wiederholt feststellen: Es gibt einen Massnahmenkatalog der immer wieder sehr kurzfristig verändert wird und die Umsetzung, wie machen wir das in der Praxis, wie betrifft das die Menschen, diese ist nicht angedacht», so Gilli. Zudem kritisierte sie das BAG dafür, dass sich das Amt bei dem Debakel mit meineimpfungen.ch «vor der Verantwortung» drücke.
«An Transparenz beim BAG», fehlt es Hernâni Marques vom Vorstand Chaos Computer Club Schweiz. Der IT-Crack hat seit Beginn der Corona-Krise über ein dutzend Gesuche – gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz – an das BAG eingereicht um Dokumente zu erhalten.
Erhält er solche Dokumente, stellt er diese auf Twitter. Er will damit die Entscheidungen des Bundesamtes für Gesundheit für die Öffentlichkeit nachvollziehbar machen. «Wir leben in einem Rechtsstaat, wir müssen wissen, was die Verwaltung macht. Gemäss Öffentlichkeitsgesetz wäre die Verwaltung eigentlich von sich aus angehalten mehr Transparenz zu schaffen, ohne dass Journalisten und andere Menschen ständig nachhaken müssen.»
Berner Gesundheitsdirektor fordert «Strategieplan»
Der Berner Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg nahm Lévy hingegen etwas in Schutz und erinnerte die Gesprächsrunde daran, dass man sich in einer Krise befinde. «Es gibt noch viel zu tun, nicht nur beim BAG. Ich glaube aber, es nützt nichts, wenn wir den schwarzen Peter hin- und herschieben.»
Man müsse die Fehler zur Kenntnis nehmen, aber es brauche die Zusammenarbeit, damit schnelle Verbesserungen in das System eingebracht werden könnten, so der SVP-Mann.
Was Schnegg hingegen bemängelte, war ein «fehlender Pandemie-Strategieplan». «Wir werden irgendwann gewisse Lockerungen machen, aber wenn wir nicht planen, was nach den Lockerungen passieren wird, dann wird sicherlich genau das Gleiche geschehen, wie nach der ersten Welle – und das müssen wir unbedingt verhindern.»