Bauern-Chef prangert Migros-Aktion auf Import-Kartoffeln an
Der Direktor des Bauernverbands greift die Migros an: Aktionen mit Lebensmitteln aus armen Ländern, während dem Ukraine-Krieg, seien unangebracht.
Das Wichtigste in Kürze
- Wegen des Ukraine-Kriegs kann Ägypten nicht genug Weizen kaufen.
- Gleichzeitig bewirbt die Migros Kartoffeln aus Ägypten mit Rabatt.
- Bauern-Chef Martin Rufer hält solches für problematisch und unangebracht.
Was haben Früh-Kartoffeln «Patatli» aus Ägypten, erst noch mit Fairtrade-Label, mit dem Ukraine-Krieg zu tun? Sehr viel, findet Martin Rufer, Direktor des Schweizerischen Bauernverbands. Die aktuell laufende Aktion der Migros mit 26 Prozent Rabatt stösst ihm sauer auf. Die Schweiz und mit ihr die Migros müsse Verantwortung wahrnehmen, statt im eigenen Portemonnaie 85 Rappen einzusparen.
«Hunger in armen Ländern»
Dass in Schweizer Läden Kartoffeln aus Ägypten verkauft werden, ist eher die Regel als die Ausnahme. Als einer der grössten Kartoffel-Exporteure springt Ägypten immer wieder ein, wenn die einheimische Kartoffelernte nicht ausreicht.
In den Pandemiejahren musste der Bundesrat die Import-Kontingente gleich aus zwei Gründen enorm anheben. Einerseits waren im Homeoffice offenbar Gschwellti oder Rösti sehr beliebt, andererseits war die Ernte im nasskalten Sommer 2021 miserabel.
Nur ist die Versorgungslage derzeit auch in Ägypten miserabel. Das Land importiert zwischen 50 und 80 Prozent des Weizens aus der Ukraine und Russland. Nun sucht Ägypten Ersatz bis nach Kanada, Paraguay und Australien, mit wenig Erfolg.
Der Ukraine-Krieg führe ganz direkt zu Hunger in armen Ländern, auch in Nordafrika, betont Bauern-Chef Rufer. «In der aktuellen Situation ägyptische Kartoffeln mit Preisaktionen zu bewerben, erachte ich als problematisch und unangebracht.»
Daumen rauf aus der Politik
Dass Bauernverbands-Direktor Martin Rufer scharf gegen die Migros schiesst, einen der wichtigsten Abnehmer von landwirtschaftlichen Produkten, mag überraschen. Doch die Kritik richte sich nicht per se gegen die Migros, betont er. Tatsächlich führt auch Coop eine ähnliche Aktion, bei anderen sind die Baby- oder Frühkartoffeln ebenfalls erhältlich.
«Die Aktion geht ja zulasten der Migros – und nicht zulasten der ägyptischen Bevölkerung», sagt Migros-Medienchef Marcel Schlatter. 70 Prozent der Lebensmittel in der Migros kämen aus der Schweiz, bei Kartoffeln sogar noch mehr. Die Lagerbestände von verschiedenen Produkten seien aber aufgebraucht: «Wir sind auf Importe angewiesen», so Schlatter.
«Es ist ein systembedingtes Problem», erklärt dagegen Rufer. «Die Schweiz muss umdenken und ihre Verantwortung im internationalen Ernährungssystem wahrzunehmen. Es kann nicht sein, dass in anderen Ländern Brot rationiert wird, während bei uns deren Nahrungsmittel als Preisaktionen angeboten werden.»
Für diesen Aufruf erhält der Bauernverband spontane Unterstützung aus dem Parlament. Mitte-Ständerätin Andrea Gmür nimmt auf Twitter insbesondere die Konsumenten in die Pflicht und fordert: «Einheimische Produkte kaufen!» Ständerätin Maya Graf (Grüne) will gar einen Importstopp: «Diese Frühkartoffeln brauchen zum Anbau vor Ort viel Wasser und wir brauchen sie für unseren Speiseplan nicht.» Für Rufer ist klar: «Das geht uns alle etwas an, das ist eine Frage des Verantwortungsbewusstseins.»