Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz plant, eine Multikanal-Strategie bei Naturkatastrophen umzusetzen. Die Kosten belaufen sich auf rund 310 Millionen Franken.
Thunersee gewitter
Unwetter: Das Babs will ein weiterentwickeltes Kernsystem zur Erfassung von Meldungen mit den bewährten Ausgabekanälen Sirenen, Alertswiss-Website und -App kombinieren. (Archivbild) - Keystone

Bei Ereignissen wie den aktuellen Unwettern im Wallis oder im Tessin setzt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz künftig auf eine Multikanal-Strategie. Damit soll die Alarmierung und die Information der Bevölkerung in Krisenfällen an die Digitalisierung und neue Mediengewohnheiten angepasst werden. Das Bundesamt rechnet dabei mit voraussichtlichen Kosten von rund 310 Millionen Franken für den Bund zwischen 2026 und 2035.

Die Information und die Alarmierung der Bevölkerung seien eine zentrale Aufgabe des Bevölkerungsschutzes. «Wir können die Bevölkerung nur schützen, wenn wir sie rechtzeitig warnen», sagte Michaela Schärer, Direktorin des Bundesamts für Bevölkerungsschutz (Babs), am Donnerstag an einem Mediengespräch in Bern.

«Selbst die besten Systeme können Verletzte und Tote aber nicht immer verhindern», sagte Schärer mit Bezug auf die aktuellen Unwetter im Wallis und im Tessin. Umso wichtiger sei es, dass die Systeme bekannt seien. So könnten Risiken für die Bevölkerung minimiert werden. Gegenwärtig sorgen 5000 stationäre und 2200 mobile Sirenen, das Radio und die Alarm-App Alertswiss für die Alarmierung.

Neue Technologien und ein sich veränderndes Medienverhalten stellten die Effektivität der bestehenden Instrumente aber teilweise infrage, hiess es weiter. Praxisbeispiele aus dem Ausland, etwa das Hochwasser im Ahrtal in Deutschland oder der Krieg in der Ukraine, zeigten, dass einerseits die Informationsübermittlung via Smartphone essenziell sei. Anderseits erfüllten auch Sirenen mit ihrer hohen Ausfallsicherheit eine wichtige Funktion.

Kosten von 58 Millionen Franken zwischen 2026 und 2035

Das Babs will daher ein weiterentwickeltes Kernsystem zur Erfassung von Meldungen mit den bewährten Ausgabekanälen Sirenen, Alertswiss-Website und -App kombinieren. Das flächendeckende, hoch verfügbare Sirenennetz soll dabei beibehalten werden. Die Alertswiss-App und -Website soll weiterentwickelt werden, etwa um künftig auch verbesserte barrierefreie Inhalte zur Verfügung zu stellen, hiess es weiter.

Das Alarmierungssystem soll zudem mit einem Cell Broadcast erweitert werden. Cell Broadcast in eine auf den Mobilfunknetzen basierende Technologie, um kurze Mitteilungen von circa 500 Zeichen pro Sprache auf alle Mobiltelefone im Empfangsbereich einer Antenne zu schicken. Die Technologie soll die Reichweite von Warnungen und Alarmierungen laut dem Babs stark erhöhen, da innert Sekunden alle Mobiltelefone im betroffenen Gebiet mit kurzen Instruktionen erreicht werden können.

Der Fokus auf Web- und mobilfunkbasierte Kanäle sei vor allem wegen derer überlegenen Fähigkeit, eine hohe Anzahl Menschen mit komplexen Informationen zu erreichen, angezeigt, hiess es weiter. So oder so sollten alle verfügbaren Kanäle «situativ passend genutzt werden», sagte Christian Fuchs, Co-Leiter Ereigniskommunikation beim Bundesamt für Kommunikation (Bakom).

Für die Erweiterung des Alarmierungssystems mit Cell Broadcast rechnet der Bund mit Kosten von 58 Millionen Franken zwischen 2026 und 2035. Die Betriebskosten pro Jahr werden vom Babs mit 5,2 Millionen Franken beziffert.

Weiterentwicklung der Notfalltreffpunkte

Zugleich will das Bundesamt das Ultrakurzwellen-Notfallradio (UKW) in Schutzräumen ab 2027 abschaffen. Das aufgrund der hohen Betriebskosten des gegenwärtigen, UKW-gestützten Notfallradios sowie der laut dem Babs «sehr hohen» Investitionskosten bei einer Umrüstung auf DAB+. Letztere würde nur einen geringen Zusatznutzen einbringen.

«Wenn die ganze Bevölkerung nicht mehr UKW hört, bringt es nichts mehr, UKW aufrechtzuerhalten», sagte Babs-Direktorin Schärer auf Nachfrage von Keystone-SDA. Dabei handle es sich aber nur um die Sender, die in den Schutzräumen betrieben werden. Verbreitungspflichtige Radiomeldungen blieben ein wichtiger Zusatzkanal.

Das Notfallradio sei zwar für den Fall eines Angriffs mit Massenvernichtungswaffen in seiner heutigen Ausprägung unverzichtbar. Es sei aber fraglich, ob die Sender in einer solchen Situation nicht selber zum Ziel von Angriffen mit Präzisionswaffen würden, hiess es weiter.

Demgegenüber plant das Babs eine Weiterentwicklung der Notfalltreffpunkte: Die Erfahrungen aus der Ukraine hätten auch hier gezeigt, wie wichtig es für die Bevölkerung sei, auch bei Kommunikationsausfällen eine Möglichkeit zu haben, via Mobiltelefone mit dem eigenen Umfeld zu kommunizieren und Informationen zu beziehen.

Das Bundesamt will daher mit den Kantonen Möglichkeiten prüfen, an den Notfalltreffpunkten WLAN und Lademöglichkeiten für Mobiltelefone zur Verfügung zu stellen. Notfalltreffpunkte seien ein in den meisten Kantonen realisiertes Konzept, um im Krisenfall eine Anlaufstelle an einem vordefinierten Ort zu schaffen.

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