Bodyshaming: Ist «Clooney» eigentlich eine Beleidigung?
Das Wichtigste in Kürze
- Grünen-Nationalrätin Meret Schneider nennt einen Mann «Clooney».
- Darf man das oder ist das Haarspalterei?
- Immerhin sieht George Clooney angeblich gut aus. Ein Kommentar.
Der Aufschrei folgt ja jeweils im Kopfumdrehen – insbesondere wenn sich der (meist weibliche) Kopf umdreht, leicht schräg gehalten wird und mit mitleidigem Blick sagt: Echt jetzt? «Ja, darf man denn heutzutage gar nichts mehr sagen», wird aufgeschrieen, «das ist doch ein Kompliment!»
Schöne Komplimente
Nun ist es halt so ein Problem mit den Vergleichen und deren Wahrnehmung durch Direktbetroffene und solche, die sich dazu berufen fühlen. Ist «wow, Du gehst ja hier auf und ab wie ein Supermodel an der Paris Fashion Week» ein Kompliment? Oder reduziert es eine Person auf Äusserlichkeiten, wenn genau in diesem Moment ein Kompliment zur beruflichen Qualifikation angebrachter gewesen wäre?
Oder soll man diese Aussage gar nicht als Lob, sondern als Kritik verstehen? «Stolzier hier nicht so rum wie ein Modepüppchen», könnte das ja auch heissen. Hier wird gearbeitet, Du lenkst ab, hältst Dich wohl für was ganz Besonderes. Man könnte es auf vielerlei Arten falsch verstehen und damit sogar richtig liegen.
Unsere Wahrnehmung ist mitgeprägt von unserer Erwartungshaltung. «Mit der hält es ja nur eine Frau aus», geäussert von einem Mann, kann ja nichts anderes als frauenfeindlich sein. Weil Männer doch immer so denken, kann es gar nicht heissen, dass es als Huldigung der überlegenen weiblichen Charakterstärke gedacht war. Eine Vermutung, die wiederum grob verallgemeinernd und darum sexistisch gegenüber Männern wäre.
Was ist eigentlich ein «Clooney»?
Ins gleiche Fettnäpfchen getreten ist nun ausgerechnet Grünen-Nationalrätin Meret Schneider. Sie, die sich auch beim politischen Gegner stets dafür einsetzt, dass Bodyshaming kein Argument sein dürfe. «So einer», wie auch immer der eine sei, darf genau so eine Meinung vertreten wie einer, der weniger glatzköpfig, beleibt oder vertikal herausgefordert ist.
Schneiders Sensibilität für das Thema kommt natürlich nicht von ungefähr. Sie steht zu ihrer Essstörung und kann ein Lied singen von Angriffen wegen ihrer mageren Statur. Umso ironischer scheint es, dass sie auf ähnlicher Ebene austeilt. Oder ist es schlicht menschlich?
Meret Schneider freut sich über einen Artikel in einer Publikation, von der sie offenbar sonst nicht so eine vorteilhafte Meinung hat. Aber es stimme schon, «was der Herr Clooney hier schreibt», womit sie SonntagsBlick-Chefredaktor Reza Rafi meint. Dieser hat, wie Schauspieler George Clooney, grau melierte Haare. «Der Herr Clooney» wird also voll auf sein Äusseres reduziert.
Aber halt! Wie war das nochmal?
Frau Nationalrätin will dies aber nicht als Abwertung des journalistischen Schaffens von Herrn Rafi verstanden wissen. «Hä», aufschreit sie, «das ist doch ein Kompliment, mit und ohne Frisur.» Weil, so die Argumentation zwischen den Zeilen, der Original-Clooney doch anerkanntermassen gutaussehend ist, als «Sexiest Grey Alive».
Ist das nun das Gleiche, wie wenn ein Mann von einer Frau sagt, «die Pamela Anderson dort hat recht», denn das ist ein Kompliment, ob mit oder ohne rotem Badeanzug? Oder ist es einfach ein anerkennendes Zuzwinkern, ein Sponti-Übername, «na, Du Clooney, toll gemacht»?
So wie «Ocean’s Eleven» für ihren Coup unter anderem eine «Miss Daisy» und «the biggest Ella Fitzgerald ever» brauchten: Daisy ist ein Mann und Ella ein Gerät und ihre Funktionsbezeichnung ist wertend im positiven Sinn. Wir wissen es nicht, aber wir wissen auch nicht, ob der «Herr Clooney» gerne mit Herrn Clooney verglichen wird. Ganz sicher aber ist es diskriminierend für alle anderen mittelmässig aussehenden Journalisten, die höchstens mit Gérard Depardieu verglichen werden.
Zeigt Eure wahren Gesichter
Herausfordernd wird Meret Schneider online gefragt, mit wem man sie denn bitteschön vergleichen solle. Wir helfen hier gerne nach, eine bessere Antwort als X-User «Kallipygos4» mit seinem Kasperli-Versuch «Prinzessin Mägerli» zu finden. Nationalrätin Schneider sieht gemäss «PicTriev» aus wie Alternative-Sängerin PJ Harvey oder Kult-Blondine Jessica Simpson.
Wären das nun Komplimente? Immerhin hat Simpson die gleiche Haarfarbe!
Reza Rafi sieht gemäss «PicTriev» übrigens nicht im Entferntesten wie George Clooney aus. Sondern wie der bulgarische Ex-Fussball-Star Dimitar Berbatow oder Schauspieler Alfred Molina, der Bösewicht aus «Spiderman».
An dritter Stelle folgt Ringo Starr – darf man ihn mit ihm vergleichen, dem untalentiertesten aller Beatles-Mitglieder? Oder wäre ein Ringo-Starr-Vergleichsverbot diskriminierend gegenüber Musikern, die jetzt zufälligerweise nicht gerade Genies sind, aber sonst ganz nett? Und sexy, genau, schliesslich geht es um Oberflächlichkeiten.
Man weiss es nicht genau. Aber ja, ich sehe aus wie Gérard Depardieu. Danke fürs Kompliment. Was, das wird man ja wohl noch sagen dürfen?