Was darf Satire? Das, was der Presserat darf!
Die Rüge des Presserats zu einem «Nebelspalter»-Artikel über SP-Nationalrätin Tamara Funiciello ist auch eine Anleitung: So geht Satire!
Das Wichtigste in Kürze
- Der Presserat rügt den «Nebelspalter» wegen einiger Passagen über Tamara Funiciello.
- Die SP-Nationalrätin werde in herabwürdigender Weise beschrieben, jenseits von Satire.
- Der Presserat liefert allerdings gleich selbst Satire ab. Ein Kommentar.
Dass der «Nebelspalter» sich nicht gerade in den höchsten Tönen lobend über SP-Nationalrätin Tamara Funiciello auslässt, war zu erwarten. Zumindest für eine Person hat der Artikel «Tamara Funiciello: Geboren, um auszusterben» aber eine rote Linie überschritten. Sie reichte Beschwerde ein beim Presserat, welche dieser wiederum in Teilen guthiess. Allerbeste Satire – nein, nicht beim «Nebelspalter», sondern vom Presserat.
Was darf Satire?
Amüsant ist zunächst, dass die Beschwerde zwar anonymisiert ist und von einer Person X. stammt. Im weiteren Verlauf lautet die Bezeichnung dann aber konsequent «die Beschwerdeführerin». Wird hier Tamara Funiciello als dünnhäutige Politikerin geoutet oder trollt der Presserat einfach den «Nebi», der ja wohl bestimmt Mühe hat mit solch gegenderten Formulierungen? Tolle Satire!
Wobei diese Vermutung gegenüber den Kollegen vom Klarsicht-Verlag ja eigentlich ein zu kritisierendes Vorurteil darstellt. Solche, hält der Presserat fest, wären allenfalls Grund zur Beschwerde.
Nicht, dass der Presserat davor gefeit wäre, in Vorurteile zu verfallen. Zwei Passagen aus dem «Nebelspalter»-Artikel gaben vor allem Anlass zur Beanstandung. Einerseits die Bemerkung «wer hält es schon länger aus mit dieser Frau». Andererseits ein Abschnitt zu ihrer Statur, der mitten im Satz abbricht und dann noch eine Anspielung auf Oben-ohne-Auftritte macht. Das sei despektierlich beziehungsweise herabwürdigend.
Ist es das? Oder – und ich schliesse mich da gerne mit ein – sind unsere Denkreflexe halt auch schon auf bestimmte Vorurteile getrimmt? Na, beantworten Sie mal die Frage, wer es mit der bisexuellen Politikerin aushält: Eine Frau nämlich, sicher nicht so ein Sensibelchen von einem Mann. Ist das nun despektierlich gegenüber Frau Funiciello oder gegenüber Männern?
Von einem Fettnapf zum nächsten
Voll ins Klischee getrampt, also: Es ist nicht «nur» eine Frau an der Seite einer Frau, ausser man unterstellt Frauen, «weniger» als Männer zu sein. Natürlich ist der «Nebi»-Autor polemisch unterwegs, aber gleichzeitig kann man von Leserschaft und Presserat erwarten, etwas weniger Tunnelblick zu haben als ein Güterzug auf der Höhe von Faido.
Nehmen wir die Aufforderung, Oben-ohne-Auftritte lieber zu lassen. Der Reflex, dem auch der Presserat erliegt: Aha, das ist eine abwertende Bemerkung über den nackten Oberkörper Funiciellos. Man könnte «im Zweifel für den Angeklagten» bemühen: Das steht ja nirgends. Wie kommen Sie da drauf – gefällt ihnen etwa selbst nicht, was Sie sehen?
Es soll ja Leute geben, die sich über jede Juso-Aktion nerven, ob mit oder ohne nackte Tatsachen. Es soll Leute geben, die den Ansatz «jetzt brechen wir aber mal ganz gewaltig ein Tabu» nur noch zum Gähnen finden. Also gibt es Leute, die gut darauf verzichten können. Mal abgesehen davon, dass bei der damaligen Aktion alles jugendfrei zuging und es gar nichts zu sehen gab.
Satire auf ganz neuem Niveau
Trotzdem gibt der Presserat der Beschwerdeführerin in diesem Punkt recht. Die Menschenwürde von Tamara Funiciello werde verletzt, unter anderem weil insinuiert werde, dass «ihr nackter Busen eine Zumutung sei».
Die Passage zur – als Mann – kaum auszuhaltenden Beziehung mit ihr, lässt der Presserat gerade noch durchgehen. Das sei zwar despektierlich, «bekannte PolitikerInnen müssen jedoch nach Meinung des Presserates – insbesondere in einem satirisch angehauchten Format – solch kritisch kommentierende Bemerkungen aushalten.»
Beschwerdefreie Satire: So geht's!
Von dem her ist nun auch klar, was dieser Presserats-Entscheid sein muss: Ein satirisch angehauchtes Format! Schreibt ein kritisierender Redaktor so: «Immerhin stellte man sie ins Tor, wo sie als Kleingewachsene mit ihrer Statur … aber lassen wir das», ist das zu beanstanden. Es ist eine Alibiübung, den Satz mitten in der Aussage abzubrechen, und die Intention mehr als offensichtlich.
Schreibt der Presserat aber so: «Man mag den Text als misslungene Satire empfinden, zu Fragen des Geschmacks äussert sich der Presserat jedoch nicht», ist das gelungene Satire. Weil die Intention mehr als offensichtlich ist, minus Alibiübung.
Denn so macht man es richtig: «Immerhin stellte man sie ins Tor, wo man sie als Kleingewachsene mit ihrer Statur als passende Besetzung empfinden könnte, aber zu Fragen der Mannschaftstaktik äussert sich der ‹Nebelspalter› nicht.»
Tunlichst vermeiden sollte der Presserat aber Formulierungen wie diese: «Man mag den Text als misslungene Satire empfinden… aber lassen wir das.» Das Urteil des Presserats über den «Nebelspalter» wäre sonst glatt ein Fall für eine Beschwerde des «Nebelspalters» an den Presserat. Das wäre zwar wohl eine Alibiübung, aber… dazu möchte ich mich nicht äussern.