Börsenäquivalenz: Droht die Eskalation mit Brüssel?
Die EU hat einen Nicht-Entscheid gefällt und brüskiert den Bundesrat. Politiker und Verbände warnen vor einem Scheitern des Rahmenabkommens.
Das Wichtigste in Kürze
- Die EU hat den Entscheid zur Börsenäquivalenz vertagt und setzt die Schweiz unter Druck.
- Die Börsenäquivalenz hat an sich nicht sehr viel mit dem Rahmenabkommen zu tun.
- Doch Schweizer Politiker warnen vor einem Scheitern beim Rahmenabkommen.
Die EU setzt die Schweiz weiter unter Druck, beim Rahmenabkommen schneller vorwärts zu machen. Der für heute erwartete Entscheid, ob die Anerkennung der Schweizer Börse verlängert werde – die sogenannte Börsenäquivalenz – wurde vertagt. Es ist damit sehr wahrscheinlich, dass gar kein oder zumindest kein rechtzeitiger Entscheid fallen wird.
Abwärtsspirale und Eskalation
Die Börsenäquivalenz hat an sich nicht sehr viel mit dem Rahmenabkommen zu tun. Aber sie wird von der EU als Druckmittel gegenüber dem Bundesrat verwendet. Denn die EU ist unzufrieden, wie gemächlich die Kompromisssuche in der Schweiz beim Rahmenabkommen vorwärtskommt.
Vor allem Mittepolitiker warnen nun vor einer Negativspirale beim Verhältnis Schweiz-EU. Die Situation verschärfe sich zusehends wegen dem «orientierungslosen Bundesrat», Twittert etwa GLP-Fraktionschefin Tiana Moser.
CVP-Ständerat Beat Vonlanthen hält eine sachliche Klärung der offenen Fragen für möglich. Doch: «Politische Strafmassnahmen und Notfallpläne sind das Worst-Case-Szenario.»
#InstA: Nach dem Nicht-Entscheid zur Börsenäquivalenz droht die Negativspirale. Politische Strafmassnahmen und Notfallpläne sind das Worst-Case-Szenario. Eine sachliche Klärung der offenen Punkte ist möglich und liegt im Interesse der Schweiz und der EU.
— Beat Vonlanthen (@Beat_Vonlanthen) June 18, 2019
Bundesrat hat Plan B bei der Börsenäquivalenz
Denn einen Notfall-Plan hätte die Schweiz tatsächlich: Vorsorglicherweise hat der Bundesrat bereits letztes Jahr einen solchen Plan B beschlossen. Sollte die EU die Börsenäquivalenz nicht verlängern, also die Schweizer Börse nicht anerkennen, dürften EU-Börsen keine Schweizer Aktien mehr handeln. Kurzfristig könnte dies der Schweizer Börse sogar zu einem Höhenflug verhelfen – langfristig allerdings nicht.
Die heutige Bekanntgabe der #EU zur #Börsenäquivalenz zeigt: Damit der bilaterale Weg nicht zunehmend unter Hindernissen leiden muss, soll der #Bundesrat den Unterzeichnungsprozess jetzt weiterführen und offene Fragen mit der #EU klären. Die #CH #Wirtschaft braucht das #InstA. pic.twitter.com/Hw5QwWXRpW
— Kaufmännischer Verband Schweiz (kfmv) | SEC | SIC (@kfmv_ch) June 18, 2019
So fordert auch der Kaufmännische Verband, dass der Bundesrat den Unterzeichnungsprozess unbedingt weiterführen müsse – was immer das genau heisst. SP-Nationalrat Eric Nussbaumer dagegen mockiert sich über den Bundesrat: Dieser brauche wohl Übersetzungshilfe. Mit «Verstehen Sie bitte, wir sind die Schweiz» werde man nämlich nicht erfolgreich sein.
Kann das jemand für den Bundesrat übersetzen? Europäische Integration und sektorieller Marktzugang gelingt in diesen Tagen nicht mit der Methode „verstehen Sie bitte, wir sind die Schweiz!“ #InstA https://t.co/1tYLFtNqeT
— Eric Nussbaumer (@enussbi) June 18, 2019
Auch Economiesuisse hebt Mahnfinger
Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse schlägt zwar moderate Töne an, doch nicht ohne auf den Ernst der Lage hinzuweisen. «Economiesuisse bedauert die sich abzeichnende Entwicklung sehr, da nun das Risiko einer Eskalation politisch motivierter Massnahmen besteht.» Jetzt gelte es, die Wirtschaftsbeziehungen zu stabilisieren. Denn: «Das sich abzeichnende Auslaufen der Börsenäquivalenz ist eine rein politische Massnahme der EU-Kommission und sollte verhindert werden.»
Für beide Seiten stehe sowohl wirtschaftlich wie politisch zu viel auf dem Spiel. Für Economiesuisse sind die Signale aus Brüssel deutlich: Die Ratifizierung des Rahmenabkommens sei nun erschwert worden.